Gemeinwohlökonomie verändert die Gesellschaft
Wissenschaftliche Studien attestieren Gemeinwohl-Ökonomie soziale Innovationskraft und positive Auswirkungen für ethische und finanzielle Performance.
Anlässlich der ersten wissenschaftlichen Tagung zur Gemeinwohl-Ökonomie in Wien präsentierten Christian Felber und internationale Wissenschafter*innen heute zwei aktuelle Studien aus Spanien und Deutschland.
Die Gemeinwohl-Bilanz ist das Herzstück des Wirtschaftsmodells der Gemeinwohl-Ökonomie und richtet das unternehmerische Handeln von Organisationen am Ziel des Gemeinwohls aus. Im Vergleich zu anderen Instrumenten unternehmerischer Nachhaltigkeit setzt sie stark auf Suffizienz bzw. die absolute Reduktion des Naturverbrauchs. Daher trägt das Modell das Potenzial in sich, den Wandel in Richtung einer Postwachstumsgesellschaft zu ermöglichen, so die Ergebnisse der empirischen Studie „GIVUN“ der Universitäten Flensburg und Kiel (Februar 2018). Die Ergebnisse einer weiteren Studie der Universität Valencia zeigen in dieselbe Richtung: Die Gemeinwohl-Bilanz geht über bestehende CSR-Ansätze hinaus und fördert sowohl die ethische Performance der anwendenden Unternehmen als auch ihre finanziellen Ergebnisse (Dez.2018).
1| EMPIRISCHE STUDIE, UNIVERSITÄT VALENCIA
Das GWÖ-Modell fokussiert auf soziale und ökologische Wertschöpfung vor wirtschaftlichem Erfolg. „Finanzieller Gewinn wird zum Mittel, durch das Unternehmen verschiedene Werttypen schaffen können, die zum Gemeinwohl beitragen.“ Das Gemeinwohl-Ziel erhält Priorität in der gesamten Unternehmensstrategie. Es geht nicht nur mehr darum,was man tut, sondern auch wie man es tut. Die Studie klassifiziert das GWÖ-Modell als „sozialen als auch unternehmerischen Innovationsprozess“. Empirisch lässt sich die positive Wirkung der Gemeinwohl-Bilanz sowohl auf die ethische Performance der anwendenden Unternehmen messen als auch auf ihre finanziellen Ergebnisse. Die Gemeinwohl-Ökonomie wirkt nicht nur innerhalb der Unternehmung,sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene – dadurch werden Firmen zu Veränderungshebeln, zu positiven Kräften in der nötigen Transformation angesichts der sozialen und ökologischen Probleme.
206 Firmen nahmen an der Studie teil.
Bisher wenden 657 Unternehmen das Gemeinwohl-Ökonomie-Modell an. Bis Dezember 2017 haben 400 davon eine Gemeinwohl-Bilanz erstellt. Über die Hälfte, 206 Firmen, haben an der Studie teilgenommen. Die Mehrheit der Teilnehmenden waren kleine bis mittlere Unternehmen, ein paar größere Firmen haben ebenfalls mitgemacht. Die Unternehmen stammen aus Deutschland, Österreich,Spanien, Italien und der Schweiz. „Unsere Arbeit ist bedeutungsvoller geworden. Unsere Kunden sind nun auf Augenhöhe. Neue Beziehungen sind entstanden. Neue Märkte haben sich eröffnet. Unser Unternehmen ist bereit für die Zukunft“, resümiert eines der teilnehmenden Unternehmen (aus dem Englischen übersetzt).
Positive Wirkung in Richtung Gemeinwohl und Gewinn
"In the eyes of the ECG model maximizing profit is not the last purpose of a firm, instead, profit becomes a mean through which firms can create different types of value to contribute to the common good. The fact of considering profit as a mean to achieve the common good may involve the classification of the ECG as both, social and entrepreneurial innovation process.This way, the ECG allows to solve social needs and, at the same time, create new social relations and reinforce economic value creation (EESC, 2016)." Studie (6)
„Die Studie zeigt (wahrscheinlich zum ersten Mal), dass ethisches und nachhaltiges Managementnicht nur zum Gemeinwohl beiträgt, sondern auch die finanzielle Situation einer Unternehmungstärkenkann –durch bessere Entscheidungen, motiviertere Mitarbeiter*innen und mehrInnovation. Viele Jahre lang galt CSR als reiner Zusatz zur Kernaufgabe eines Unternehmens und alsPR-Aufhänger, um die Reputation des Unternehmenszu verbessern, unabhängig davon, wie sich das Unternehmen in anderen Bereichen tatsächlich verhält. Die Studie zeigt nun, dass Firmen, dieethische, fürsorgliche und nachhaltige Methoden in den Kern ihrer Aktivitäten integrieren, nicht nursinnvoll in ihre eigene Zukunft investieren, sondern auch in die Gesellschaft als Ganzes. Das istGemeinwohl-Ökonomie.”Christian Felber,Initiator der Gemeinwohl-Ökonomie.
2| GIVUN-STUDIE, UNIVERSITÄT FLENSBURG, UNIVERSITÄT ZU KIEL
Unternehmen wünschen sich größere Unterstützung seitens der Politik Die Studie hat die Wirkung der Gemeinwohl-Bilanz mit den Standards EMAS, ISO 26000, Deutscher Nachhaltigkeitskodex (DNK) und GSCP (Global Social Compliance Program) verglichen. „Im Vergleich zu anderen Instrumenten unternehmerischer Nachhaltigkeit setzt die GWÖ-Bilanz stark auf Suffizienz bzw. die absolute Reduktion des Naturverbrauchs. Daher hat das GWÖ-Modell das Potenzial, den Wandel in Richtung einer Postwachstumsgesellschaft zu ermöglichen.“
„Als ein [weiteres] Ergebnisder Studie zeigte sich, dass sich sowohl sozial-ökologische Pionier-Unternehmen als auch die untersuchten Großunternehmen eine größere Unterstützung seitens der Politik wünschen, um nachhaltig zu wirtschaften. Die sozial-ökologischen Pionier-Unternehmen hielten dabei ausdrücklich eine stärkere Berücksichtigungvon sozial-ökologischen Kriterien bei Vergabe öffentlicher Aufträge sowie der Besteuerung für vielversprechend.
3| UNIVERSITÄT BREMEN
Neben der aktuell in Wien stattfindendenwissenschaftlichenTagung wird im Herbst an der FH Bremendie erste wissenschaftliche Konferenz zur Gemeinwohl-Ökonomie veranstaltet: „Economy of the Common Good –A Common Standard for a Pluralistic World?“ 26.–27. September 2019. Die Universität Bremen hat eine klare Empfehlung ausgesprochen: „Die Gemeinwohl-Bilanz scheint gut geeignet zu sein, um die eigenen Prozesse kritisch zu prüfen und dabei vielfältige Möglichkeiten zu entdecken, wie Sie im täglichen Handeln zur Erfüllung der SDGs beitragen können. Der Ansatz der Gemeinwohl-Bilanz entspricht aus unserer Sicht dabei einem hohen Ambitionsniveau in der Umsetzung der SDGs“.
Weiterführende Links
Masterarbeit an der HTW Berlin: Die Gemeinwohlbilanz als förderliches Instrument für die Umsetzung der Sustainable Development Goals in deutschen Organisationen. Präsentation auf Prezi.
Initiativstellungnahme des Europäischen Wirtschafts-und Sozialausschusses(EWSA). European Economic and Social Committee (EESC), Opinion on ECG
Über die Gemeinwohl-Ökonomie
Die weltweit agierende Gemeinwohl-Ökonomie-Bewegung wurde 2010 ins Leben gerufen. Sie basiert auf den Ideen des österreichischen Publizisten Christian Felber. Aktuell umfasst sie weltweit 11.000 Unterstützer*innen, mehr als 2.000 Aktive in über 150 Regionalgruppen, 30 GWÖ-Vereine, 500 bilanzierte Unternehmen und andere Organisationen, knapp 60 Gemeinden und Städte sowie 200 Hochschulen weltweit, die die Vision der Gemeinwohl-Ökonomie verbreiten, umsetzen und weiterentwickeln. Am 29. September 2018 wurde der Internationale GWÖ-Verband gegründet, der die aktuell neun nationalen Vereine koordiniert. (Stand 02/2019)