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Die Zukunft von Europas Wäldern

Wie Klimawandel, Landnutzung und politische Entwicklungen die zukünftige Holzversorgung beeinflussen

Das Licht der Morgensonne fällt in feinen Strahlen durch die Baumstämme eines Buchenwaldes.
Buchen sind durch Trockenheit gefährdet. Foto: IUFRO / Gerda Wolfrum

Die Wälder in Europa sind stark vom Klimawandel betroffen, mit weitreichenden Folgen für die Gesundheit der Wälder und die Leistungen der Ökosysteme, einschließlich der Holzversorgung. Baumarten von großer wirtschaftlicher Bedeutung werden durch Störungen wie extreme Dürreereignisse, Borkenkäferbefall, häufige Hitzewellen und Waldbrände erheblich beeinträchtigt. Die Wälder und die holzverarbeitende Industrie sind auch mit anderen Herausforderungen konfrontiert, wie z. B. politischen Unsicherheiten und fragmentierten Waldflächen.

Unterschiedliche Baumarten berücksichtigen

Da die Wälder sehr empfindlich auf den Klimawandel reagieren und durch Störungen wie Trockenheit oder Hitze erheblich beeinträchtigt werden, müssen Waldbesitzer:innen und –bewirtschafter:innen dringend Anpassungsmaßnahmen ergreifen.

"Wir brauchen mehr gemischte und strukturell vielfältige Wälder. Dafür müssen wir unter anderem auf natürliche Verjüngung setzen und aktiv die Migration von Arten, die besser an künftige Klimabedingungen angepasst sind, unterstützen", erklärt Studienautor Dr.  Manfred Lexer von der Universität für Bodenkultur (Österreich). 

Das Bild zeigt einen Wald von Fichten, die vom Borkenkäfer befallen sind.
Borkenkäferschäden in Niederösterreich, Foto: IUFRO / Gerda Wolfrum
"In den europäischen Wäldern, die für die Holzversorgung zur Verfügung stehen, gibt es sechs dominierende Baumarten: Kiefer, Fichte, Tanne, Buche, Eiche und Birke. Fichte, Buche und Kiefer gehören zu jenen Arten, die insbesondere bei Trockenheit, am stärksten unter Druck geraten", fügt er hinzu.

So wird beispielsweise die für Fichten geeignete Waldfläche in Europa je nach Klimawandel-Szenario um bis zu 50 % abnehmen, während die Eignung für andere Arten deutlich zunehmen wird. Für die holzverarbeitenden Industrie, die von der ausreichenden Verfügbarkeit von Holz als Rohmaterial abhängt, ist es zukünftig von entscheidender Bedeutung, sich von der Abhängigkeit von Nadelhölzern (wie Fichte und Kiefer) zu lösen und die Herstellung innovativer Produkte auf Holzbasis in Betracht zu ziehen. So sind etwa Kunststoffe auf Holzbasis, Textilfasern oder nanofibrillierte Zellulose für Verpackungen weniger von bestimmten Baumarten abhängig als herkömmliche auf Holz basierende Produkte.

Übergang zur Bioökonomie und verstärkte Nutzung von neuen Technologien

"Angesichts dieser Herausforderungen und einer wachsenden Nachfrage nach holzbasierten Produkten müssen die holzverarbeitenden Industrien in Europa ihre derzeitigen Geschäftsmodelle überdenken. Technologische und digitale Innovationen sowie die Kaskaden- oder Mehrfach-Nutzung von Holz mit dem Ziel, Holz und holzbasierte Produkte möglichst lange in Verwendung zu halten, treiben den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft voran und unterstützen die Anpassung an künftige Veränderungen in der Holzversorgung", kommentiert Studienautorin Dr. Anne-Christine Ritschkoff vom VTT Technical Research Centre of Finland. "Die Zukunft von Forschung und Innovation sollte sich auf die ganzheitliche und ressourceneffiziente Nutzung von Holzmaterialien konzentrieren", sagt sie.

Die Rolle der Waldbesitzer*innen

Weitere Faktoren, die sich auf das Holzangebot auswirken, sind der Waldbesitz und die demografischen Veränderungen unter den Landbesitzer:innen. Zwar gibt es in Europa regionale Unterschiede, ganz allgemein hat aber der Anteil des privaten Waldbesitzes seit Anfang der 1990er Jahre zugenommen: So befinden sich aktuell 56 Prozent der europäischen Waldfläche in Privatbesitz. Darüber hinaus ist der Privatbesitz heterogener geworden, mit mehr nicht-traditionellen/urbanen oder passiven Eigentümer:innen. Dies führt häufig zu einem geringeren Interesse oder einer geringeren Kapazität der Waldbesitzer:innen, den Markt mit Holz zu versorgen.

Holzstämme, frisch geschnitten auf einem Holzstoß am Waldrand.
Foto: IUFRO / Gerda Wolfrum

"Holzernte und Gewinnmaximierung sind für viele Waldbesitzer:innen nicht die einzige – oder auch wichtigste – Motivation und daher auch nicht das Hauptziel ihrer Bewirtschaftungspraktiken.

Daher ist es wichtig, dass politische Entscheidungsträger:innen Initiativen ergreifen, die private Waldbesitzer:innen einbinden und für sie Anreize schaffen, durch eine aktive und nachhaltige Waldbewirtschaftung zur Holzversorgung beizutragen ",

kommentiert Studienautorin Dr. Špela Pezdevšek Malovrh von der Universität Ljubljana (Slowenien).

Politische Maßnahmen zur Förderung einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung

Diese und andere Faktoren, die sich auf die Wälder und die Holzversorgung auswirken, erfordern entsprechende politische Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen, von der globalen bis zur lokalen Ebene. Insbesondere eine bessere Harmonisierung und Integration von Maßnahmen zur Förderung nachhaltiger Waldbewirtschaftungspraktiken ist entscheidend. Es braucht strategische Investitionen in Forschung und Innovation, um integrierte, nachhaltige Holzversorgungsstrategien und -technologien zu entwickeln. Diese müssen sich an veränderte Umstände anpassen können, z. B. an die Regionalisierung von Versorgungsketten und die sich verändernder Marktdynamiken. Nur so kann die Anpassungs- und Widerstandsfähigkeit der europäischen Wälder gegenüber dem Klimawandel langfristig gewährleistet werden.

Zusammenarbeit zur Sicherung der zukünftige Holzversorgung

Um die aktuellen und zukünftigen Unsicherheiten und Veränderungen erfolgreich zu meistern, sind Kooperationen und Partnerschaften in Europa von größter Bedeutung. Eine interdisziplinäre, transnationale und sektorübergreifende Zusammenarbeit erleichtert die Umsetzung erfolgreicher Strategien und kann die holzverarbeitende Industrie bei Innovationen, Anpassungen und der Erhöhung der Widerstandsfähigkeit ihrer Versorgungsketten unterstützen. Über die Zusammenarbeit hinaus zeigt die Studie, dass Bildung und Kommunikation innerhalb und außerhalb des holzverarbeitenden Sektors für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung und die Einbindung künftiger Generationen von entscheidender Bedeutung sind.

Das Foto wurde in einiger Entfernung eines brennenden Waldes von einer Erhöhung aufgenommen. Der Wald am gegenübeliegenden Hang ist von Rauch verhangen, der sich bis ins Tal zieht. Man sieht durch den Rauchnebel eine Linie aus Flammen, die sich den Hügel
Waldbrand in Sizilien, Foto: IUFRO / Gerda Wolfrum

Link zum Download der Studie

Über die Synthesestudie

Die Synthesestudie wurde als ein zentrales Vorhaben von TEAMING UP 4 FORESTS im Jahr 2023 umgesetzt und fasst die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse und Informationen zusammen. Sie enthält Schlussfolgerungen der beteiligten Expert:innen, einschließlich möglicher künftiger Entwicklungen, Perspektiven der Interessengruppen und schlägt potenzielle Handlungsoptionen vor. Die Studienthematik wurde auch im Rahmen eines Workshops im Juni 2023 mit über 40 Vertreter:innen aus Wissenschaft, Industrie und Forstwirtschaft diskutiert.

Die International Union of Forest Research Organizations (IUFRO) hat als wissenschaftlicher Teil der Partnerschaft die Konzeption und Durchführung der Studie sowie die Vorbereitung der Publikationsprodukte übernommen. Der Bericht wird in einem neuen Band der "IUFRO World Series" veröffentlicht. Die Studie wurde von Mondi finanziert. Im Einklang mit den Grundsätzen von TEAMING UP 4 FORESTS wurden während der gesamten Studie die höchsten Standards fürwissenschaftliche Qualität, Integrität und Unabhängigkeit eingehalten.

Studienautor:innen: Metodi Sotirov (Universität Freiburg, Deutschland), Ragnar Jonsson (Schwedische Universität für Agrarwissenschaften, Schweden), Andreas Nikolaus Kleinschmit von Lengefeld (Homo Silvestris Europae, Frankreich & Deutschland), Andrey Krasovskiy (International Institute for Applied Systems Analysis, Laxenburg, Österreich), Florian Kraxner (International Institute for Applied Systems Analysis, Laxenburg, Österreich), Manfred Lexer (Universität für Bodenkultur (BOKU), Österreich), Špela Pezdevšek Malovrh (Universität Ljubljana, Slowenien) und Anne-Christine Ritschkoff (VTT Technical Research Centre of Finland Ltd, Finnland).

Editor:innen: Carola Egger, Nelson Grima, Michael Kleine (alle IUFRO), Maja Radosavljevic (Universität Padua, Italien)

 

Das Autor*innenteam der Studie ist in einem Besprechungsraum um einen großen Tisch versammelt. Ein Mann spricht gerade vor einer Pinnwand stehend.
Das Studienteam in einem Workshop. Foto: IUFRO

Über TEAMING UP 4 FORESTS

TEAMING UP 4 FORESTS wurde 2021 von IUFRO und Mondi gegründet und hat seitdem ein professionelles Netzwerk von mehr als 100 Wissenschaftler:innen, Wirtschaftsvertreter:innen und politischen Entscheidungsträger:innen entlang der forstlichen Wertschöpfungskette aufgebaut. Ziel der Plattform ist es, weltweit verfügbare wissenschaftliche Erkenntnisse in praktische Handlungsoptionen für den holzverarbeitenden Sektor zu übersetzen; einen Treffpunkt für regelmäßige Interaktion, Wissensaustausch und gegenseitiges Lernen zu bieten; Ergebnisse aktiv zu teilen sowie Diskussionen über die Zukunft von Waldprodukten und -dienstleistungen zu erleichtern. Die Plattform plant in Zukunftweitere Partner aufzunehmen:

Die International Union of Forest Research Organizations (IUFRO) ist ein gemeinnütziges und nichtstaatliches weltweites Netzwerk von Waldwissenschaftler:innen, die auf freiwilliger Basis zusammenarbeiten, um das Verständnis für die ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Aspekte von Wäldern und Bäumen zu verbessern. Weitere Info unter www.iufro.org