Eine Wirtschaft, die für den Menschen da ist
Kommentar von Sepp Eisenriegler
Grundsätzlich halte ich viel von beiden Programmen. Sie befinden sich allerdings in unterschiedlichen Phasen der Umsetzung. Wo die EU bereits große Leistungen erbracht hat (z.B. Kreislaufwirtschafts-Aktionsplan) muss die österreichische Bundesregierung noch beweisen, dass sie ihr Regierungsprogramm auch umsetzen kann. Diesbezüglich bin ich optimistisch: Auch ein Sebastian Kurz kann es sich nicht leisten, eine dritte Regierung frühzeitig platzen zu lassen.
Die drei wichtigsten Maßnahmen sind der EU Green Deal, die Bekämpfung des Klimawandels und eine Wirtschaft, die für den Menschen da ist, anstatt umgekehrt. Alle drei haben gemeinsam, dass das Primat der Wirtschaft auf ein menschliches Maß reduziert und den anderen beiden Säulen der Nachhaltigkeit wenigstens gleichgestellt werden muss. Um das politisch durchsetzen zu können, müssen auch wir Konsument*innen bzw. Wähler*innen mitspielen und endlich aus dem werbeinduzierten Hamsterrad der materiellen Bedürfnisbefriedigung aussteigen und uns einem guten Leben für alle zuwenden.
Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer: Wir lieben unsere imperiale Lebensweise, die uns aufgrund von Ausbeutung von nicht regenerativen Rohstoffen im globalen Süden und von Arbeitskräften in den Schwellenländern vermeintlich billige Produkte beschert, die wir nicht wertschätzen und nach kurzen Nutzungszyklen durch neue ersetzen.
Die Wirtschaft kann nicht weiter der ressourcenvernichtenden, klimaerhitzenden, linearen Wirtschaftsweise folgen. Eine enkeltaugliche, zirkuläre Wirtschaftsweise ist angesagt. Dazu zählen nicht nur langlebige, reparaturfreundlich konstruierte, re-use-taugliche Produkte, sondern auch neue Konsummodelle: Produktdienstleistungen im Sinne von Nutzen statt Kaufen müssen zum Mainstream werden. Nicht die neuesten Smartphones und die dicksten SUVs sind die Statussymbole von morgen, sondern gemietete Waschmaschinen ohne Eigentumsübergang und Smartphones von refurbed.at.
Wir werden bis 2050 erkannt haben, dass uns ein Mehr an Eigentum nicht glücklicher macht und dass wir mit diesen Programmen unseren Wohlstand, unseren sozialen Frieden und eine gesunde Umwelt in Österreich und Europa erhalten können.
Sepp Eisenriegler, Mister Obsoleszenz Österreichs und u.a. Experte des Joint Research Center der EU-Kommission und Sachverständiger des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses.