Erfolgreich in China
China lockt als großer Absatzmarkt gerade in der Krise. Aber die Zusammenarbeit kann auch sehr herausfordernd sein.
Was macht österreichische Firmen in China erfolgreich? Was ist das Corporate Social Credit System und worauf muss ich vorbereitet sein, wenn ich nach China gehe?
Emanuela Hanes
Gerade in der gegenwärtigen Krise überlegen sich immer mehr österreichische Unternehmen, ob sie den Sprung nach China wagen sollen. Die Nachfrage innerhalb des europäischen Binnenmarktes ist stark gefallen, und gerade für Firmen mit innovativen Konzepten ist China eine echte Chance – wenn man es richtig angeht. Firmen, die in China erfolgreich sind, betonen die Bedeutung von interkultureller Vorbereitung, guten Beziehungen – und eines sehr langen Atems.
Was macht österreichische Firmen in China erfolgreich?
Österreichische Firmen haben einen Unique Selling Point in China: Das Gefühl von Sicherheit, Natürlichkeit gepaart mit Qualität, Tradition, Nachhaltigkeit und Smart City Strategien. Das sind Markenzeichen, die Österreich stark von anderen Ländern abgrenzen, so Hans-Martin Neumann vom Center for Energy am AIT Austrian Institute of Technology, der in China im Bereich nachhaltiger Stadtentwicklung forscht und berät. Sei es durch die Assoziation mit Hallstatt, mit den Bergen, mit der Musikhauptstadt Wien – Österreich ist für chinesische Kund*innen und Unternehmen extrem positiv besetzt. Und das gerade im High-Price Segment. In Gesprächen mit österreichischen Unternehmen der verschiedensten Branchen klingt durch: China erwartet Qualität, High-Tech und Innovation. „Die wollen nicht ‚Ramsch‘ oder Billigware. Die wollen Qualität. Egal, ob es um Autos geht oder um Medizintechnik, da wollen sie westliche Qualitätsware. “, so Alexander Bouvier von der Treibacher Industrie AG, die seltene Erden aus China importiert. Im Industriebereich hat Österreich als Lieferant von maßgeschneiderten Produkten mit innovativster Technologie, Nachhaltigkeit oder besonderen Spezialisierungen große Chancen.
Dafür muss man kein großes Unternehmen sein: Das Unternehmen Oroboros Instruments beispielsweise ist ein kleines, von Wissenschaftler*innen geführtes Team, das sehr erfolgreich hochspezialisierte medizinische Geräte an chinesische Universitäten, Krankenhäuser und Forschungseinrichtungen verkauft. Es geht natürlich auch größer und in verschiedenen Konstellationen: Die Firma Fill GmbH verkauft Komponenten für Automobile und Raumfahrt über eine eigene Tochtergesellschaft, während Getzner Werkstoffe GmbH ihre Sonderanfertigungen in China produziert und über Agenten in China vertreibt.
Ähnliches ist aus dem Bereich Nachhaltigkeit und innovative Stadtentwicklung zu hören. „Wir haben mit dem EU-Projekt URBAN-EU-CHINA eine Innovationsplattform geschaffen, um den gegenseitigen Austausch zu stärken“, sagt Neumann vom AIT Center for Energy. „Gerade in der Stadtplanung gab es einen Paradigmenwechsel hin zu Green Cities, Sponge Cities und Smart Citiesund damit vielfältige Möglichkeiten der Zusammenarbeit und der Forschung“. Auch Staatsprojekte bevorzugen mittlerweile nachhaltige Lösungen in der Städteplanung und Umwelttechnik.
Darüber hinaus ist die immer größere Mittelschicht Chinas ebenfalls bereit, für nachhaltige Konsumprodukte zu zahlen. Insbesondere, wenn das von Nahrungsmittelskandalen gebeutelte Land garantiert sichere Produkte aus der heilen Alpenwelt bekommt, so das Image – ein Zukunftsmarkt für österreichische Lebensmittel- oder auch Kosmetikproduzenten, die auf Nachhaltigkeit und Bio-Produkte setzen, der schnell wächst und offen ist für österreichische Importe. Wichtig ist, dass sich Unternehmen sehr genau mit chinesischen Zertifizierungen auseinandersetzen, da diese stark von jenen in der EU abweichen.
Corporate Social Credit System (CSCS)
„Leider kennen sich die wenigsten österreichischen Unternehmen mit den Vorgängen in China aus, die sie konkret betreffen. Alleine das Projekt der Seidenstraße, Made in China 2025 und das Corporate Social Credit System haben massive Auswirkungen, die leider noch gar nicht am Schirm sind“, so Prof. Dr. Andreas Breinbauer, der Rektor der FH des BFI Wien. Dazu gehören strategische Firmenübernahmen, um die geplante Weltmarktposition zu erreichen, oder massiv steigende Investitionen in Schlüsselindustrien wie Raumfahrt und Logistik für die nächsten Jahre.
Das CSCS ist eine neue, digitale Form der Vertrauensbewertung, die alle Personen und Firmen betrifft, die sich auf dem Staatsgebiet der Volksrepublik befinden. Alle digitalisierbaren Handlungen einer Person oder einer Firma werden gespeichert und entsprechend der chinesischen Gesetze bewertet: Je nachdem werden Punkte addiert oder abgezogen. Als Gründe für negative Bewertungen werden Handlungen kolportiert, die auch strafrechtlich geahndet werden, im Bereich von Löhnen, Steuern, Copyright und Abgabenbetrug. Aber auch Verzögerungen, Irrtum, falsche Einträge oder politischer Wiederspruch werden gespeichert und können Auswirkungen haben. Diese können soweit gehen, dass Vertreter des Unternehmens keine Flug- oder Zugtickets mehr kaufen können.
„Das CSCS ist kein eindeutig definierbares, monolithisches Konstrukt. Es wird gegenwärtig in mehreren Provinzen erarbeitet und umgesetzt. Das Ziel ist der flächendeckende, einheitliche Roll-Out bis Ende dieses Jahres. Gerade durch Corona haben die Digitalisierung und die digitale Steuerung von Menschenmassen den vollen Durchbruch erlangt“, so Dr. Philipe Reinisch, der mit seiner Initiative SILKROAD 4.0 die digitale Entwicklung der Länder entlang der Chinesischen Seidenstraßen-Strategie monitort. „Mit den Erfahrungen der Epidemie-Situation werden sie nicht riskieren, dass Corona nochmal eine ganze Region lahmlegt. Sie sind sehr stark bereit, drastische Einschnitte vorzunehmen, auch bei der digitalen Erfassung von sozialen Systemen.“
Gegenwärtig werden im Rahmen des CSCS unterschiedliche Parameter aufgezeichnet und bewertet, je nachdem, wo sich eine Person oder ein Firmensitz in China befindet. „Für das System gibt es keinen großen Unterschied, ob Privatperson oder Firma. Alle werden erfasst und verarbeitet. Wie genau, ist noch nicht klar. Es ist auch kein China-übergreifendes Abfragesystem bekannt, bei dem der eigene Kontostand abgefragt werden kann.
Und es gibt noch weitere Unklarheiten: chinesische Gesetze sind sehr unscharf definiert. Auch wenn man sich scheinbar an das Gesetz hält, kann man in Extremfällen im Nachhinein für eine Gesetzesübertretung haftbar gemacht werden, wenn sich die Interpretation eines Gesetzes verändert. Westlichen Firmen empfiehlt Reinisch deshalb: „Es macht Sinn, einen guten Umgang mit den Stakeholdern in den Städten und Regionen aufzubauen, in denen man sich aufhält. Es reicht nicht, einmal hinzufliegen und das operative Geschäft einem Studenten oder einer Studentin zu überlassen. Man braucht jemanden vor Ort, der das Standing und die Sprachkenntnisse hat, der die Veränderungen scannen, einschätzen und interpretieren kann.“
Chines*innen sind gegenwärtig schnell bereit, digitale Systeme auszurollen. Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert. In vielen Orten gibt es beispielsweise bereits keine Möglichkeit mehr, mit Bargeld zu bezahlen – selbst Taxifahrten werden mit Alipay und QR Codes abgewickelt. Sogar Obdachlose auf der Straße verkaufen ihre Taschentücher-Packungen mittels digitaler Währung.
Guangxi – Verbindungen sind das um und auf.
China ist einer der größten Absatzmärkte der Welt, mit einer schier unendlich wirkenden Kundschaft. Wer es nach China geschafft hat, der hat – so die Vorstellung – Zugang zu einer riesigen Zahl an potenziellen Endkund*innen. Die Situation ist aber wesentlich komplexer. Um in China auf den Markt zu kommen, braucht es viel kulturelles Wissen, Türöffner und Geschick – alle erfolgreichen Firmen sind sich einig, dass das eine unabdingbare Basis darstellt.
Aber das allein reicht nicht. Man braucht einen sehr langen Atem, und einen langen Horizont. China ist ein Land, wo alles über Beziehungen läuft. Erfolg und Überleben von Firmen sind unmittelbar an die Qualität ihrer Beziehungen gekoppelt – und das pflegen österreichische Firmen noch viel zu wenig.
Scheinbar unnötige Reise- oder Trainingskosten sind eine gute Investition um gute, langfristige Beziehungen und kulturelles Know-How aufzubauen. Belohnt wird man mit besseren Verträgen, sichereren Konditionen, besseren Preisen und vielen Kontakten für alle Eventualitäten des Geschäftsalltags. Die Ausrichtung auf Beziehungen zieht sich vom ersten Email bis zur Begrüßung und den Meetings: „Ein Meeting in China ist gar nicht dazu da, etwas zu klären. Alles wird vorher oder nachher geregelt, es geht eher um Information“, so Ferdinand Klauser von KISKA. Das Marken- und Designunternehmen betreibt Marketing und Branding für Unternehmen, die in China Fuß fassen wollen – und andersrum. „Das Kommunizieren zwischen den Meetings, beim Tee nachher oder beim Abendessen ist viel wichtiger. Meetings sind Gesichtskultur – es geht ums Repräsentieren, nicht ums Klären, wie in Europa“, fährt Klauser fort. Und: „Es ist wichtig, fixe Kooperationspartner zu haben. Ich empfehle proaktiv Partner zu suchen und auf die persönliche Chemie zu achten“.