Asylwerber wollen zurück
Eine Studie mit 159 Betroffenen in Wien und Deutschland zeigt: Frankophone afrikanische Asylwerber wollen zurück, aber mit Geld und Ausbildung.
Eine im Februar 2019 veröffentlichte Studie basiert auf Aussagen von 159 Betroffenen in Wien und sechs deutschen Städten. Die Untersuchung wurde von der Agentur für Migrationskommunikation und -forschung Transcultural Campaigning im Herbst 2018 durchgeführt und kommt zu einigen überraschenden Ergebnissen.
- Die meisten wollten nie Asyl beantragen, sondern sich beruflich „in Europa“ weiterbilden um zurückzukehren und eine Existenz aufzubauen. Die Entscheidung über das Zielland fällt eher zufällig und während der Reise. Die Zielgruppe gehört der Mittelschicht an, sie haben fast alle Facharbeiterausbildung oder Matura.
- Befragt über Migrationspolitik machten die befragten Personen eine Reihe sehr vernünftiger und sachlicher Vorschläge darüber, wie man irreguläre Migration verhindern und Rückkehrprogramme nachhaltig gestalten kann. Die Einbindung der Betroffenen ist ein völlig neuer Ansatz in der Migrationspolitik, sagt Projektleiterin Melita H. Sunjic, denn üblicherweise würden Entscheidungen über deren Köpfe hinweg getroffen.
Die Studie wurde maßgeblich vom Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland gefördert und erhielt eine Zuwendung vom österreichischen Verteidigungsministerium in Koordination mit dem Österreichischen Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung in Stadtschlaining.
Die Ergebnisse im Detail:
* Ein Großteil der Asylwerber aus den französischsprachigen Ländern Subsahara-Afrikas wollte niemals Asyl beantragen, sondern im Ausland Geld verdienen, beruflich Erfahrungen sammeln und dann eine Existenz im Heimatland aufbauen. Mangels anderer Möglichkeiten der legalen Migration gerieten sie – oft auf Anraten der Behörden – auf die Asylschiene. Eine Minderheit hat Fluchtgründe im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention.
* Die Mehrzahl der Befragten sind Männer zwischen 25 und 30 Jahren mit Matura oder Facharbeiterausbildung. Sie haben erst versucht im Heimatland, dann im benachbarten Ausland eine Existenz aufzubauen. Erst wenn das nicht klappte, gingen sie nach Europa. Viele führte der Weg über Libyen, wo die Lage für Schwarze äußerst gefährlich ist.
* Fast alle Befragten gaben an, dass sie kein besonders Zielland anpeilten, sondern nur „nach Europa“ wollten. Die Weiterreise innerhalb der EU ergibt sich meist aus Zufällen und Ratschlägen von Landsleuten. Nur ganz wenige Respondenten berichteten, sie seien gezielt nach Österreich bzw. Deutschland gekommen, weil sie in der Schule Deutsch gelernt haben oder weil sie Verwandte in einem dieser Länder haben. Viele vermeiden es, nach Frankreich oder Belgien zu gehen, weil sie die Politik der ehemaligen Kolonialmacht gegenüber ihren Heimatländern ablehnen.
* Die Gruppe der französischsprachigen Afrikaner ist beseelt von einem Bildungshunger wie ihn die Studienautoren nie bei anderen Migrantengruppen kennengelernt haben. Sie wollen rasch Deutsch lernen, um sich beruflich weiterzubilden und beklagen, dass ihnen zu wenige Bildungsangebote offenstehen.
* Befragt zu nachhaltigen Rückkehrprogrammen lehnen so gut wie alle Befragten Bargeldzahlungen ab. Sie wünschen sich vielmehr eine Berufsausbildung und Mentoring beim Aufbau eines eigenen Businesses in Afrika und Schutz vor willkürlichen staatlichen Auflagen. Als finanzielle Unterstützung schlagen sie Kleinzuwendungen oder Mikrokredite vor. Die Rückkehr „mit leeren Händen“ führt zu einer Stigmatisierung in ihren eigenen Familien.
* Die meisten frankophonen Asylwerber sind unglücklich, weil sie nicht auf eigenen Füßen stehen können. Sie würden ihren jüngeren Geschwistern leidenschaftlich davon abraten, ihnen zu folgen.
Weitere Informationen: Dr. Melita H. Sunjic, www.transcultural.at