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Kann das CO2 nicht einfach wieder aus der Luft geholt werden?

Eine Kosten-Nutzen-Analyse

Es sind 150 Teile aus einer Million, die den Unterschied zwischen prosperierender Natur und Naturkatastrophen ausmachen.

In den 1960er-Jahren fanden sich 325 ppm des Treibhausgases CO2 in unserer Atmosphäre. 2019 waren es bereits 415 ppm (parts per million) - und es wird noch mehr werden. Die kritische Grenze liegt irgendwo bei 450ppm.

Die Folgen erleben wir mittlerweile auch in Österreich: extreme Dürren, Hagel oder Hochwässer, die Landstriche und Landwirtschaft zerstören. Um den Klimawandel nicht weiter zu befeuern, haben sich die Politiker*innen der ganzen Welt im Pariser Klimaabkommen 2015 verpflichtet, maximal deutlich unter zwei Grad Erwärmung zuzulassen. So sollen weitere enorme Schäden für die Zivilisation verhindert werden. Allerdings fällt es offensichtlich schwer, den CO2-intensiven Lebensstil zu ändern, weshalb Politiker*innen ziemlich lax mit dem gesetzten Ziel umgehen oder es, wie in Brasilien, sogar konterkarieren. Auch Österreich ist kein Vorbild, ganz im Gegenteil: Der CO2-Ausstoß nahm zu statt ab. Im internationalen Referenzjahr 1990 produzierte Österreich laut Klimaschutzbericht 78,5 Millionen Tonnen CO2, 2018 waren es 79 Millionen Tonnen. Im Gegensatz zu Deutschland, das seine Emissionen bis 2019 um 35,1 Prozent reduzieren konnte.  Aber gibt es nicht eine einfache technische Lösung, mit der wir das CO2 einfach wieder aus der Luft holen?

Seit Tausenden von Jahren holen Pflanzen CO2 aus der Luft, um zu wachsen. Ein wunderbarer Kreislauf, der sich für den Klimaschutz nützen lässt. „Senken“ nennen die Expert*innen diese natürlichen CO2-Speicher. Das sind Wälder, Sträucher, Moore oder Wiesen, also Pflanzen, die das CO2 für ihr Wachstum brauchen. Weltweit speichern diese Ökosysteme derzeit etwa drei Gigatonnen (Gt) Kohlenstoff pro Jahr. Zum Vergleich: Jährlich blasen wir aus fossiler Energie mehr als 30 Gt CO2 in die Luft. Zudem werden laufend weitere Grün- und Ackerflächen für Straßen, Parkplätze und Wohnraum versiegelt. Die Expert*innen sind sich einig: Die Natur kann viel kompensieren, aber jetzt sind die Grenzen überschritten.

Technisch gesehen ist die Gewinnung von Kohlenstoff aus der Luft keine Hexerei. Aber wie sieht die Energiebilanz aus und was kostet der Spaß? DI Frank Radosits, TU Wien/Scientists for Future: „Grundsätzlich kann Kohlenstoff entweder direkt aus der Luft oder aus Abgasen abgeschieden werden. Zweiteres ist wesentlich effizienter, weil die Konzentration von Kohlendioxid in Abgasen 250 bis 300 Mal höher sein kann als in der Luft.“ Werden für diesen Prozess erneuerbare Energien verwendet, sieht auch die Emissionsbilanz ganz gut aus. Soweit so gut. Wir können der Luft Kohlenstoff entziehen. Aber was tun wir jetzt damit? Kann er einfach vergraben oder – noch besser – wieder wirtschaftlich für neue Produkte verwendet werden? Dazu gibt es laut Radosits im Wesentlichen zwei Möglichkeiten:

  1. Eine geologische Speicherung: Sie ist in Österreich seit 2011 verboten, weil Nutzungskonflikte mit der Geothermie bestehen und die Risiken der Lagerung (Lecks bzw. die mögliche Freisetzung von Schadstoffen) zu hoch erscheinen.
  2. Einsatz in Produkten: Das CO2 kann direkt in Getränken, in Gewächshäusern, in der Chemikalien- und Treibstoffproduktion (Power-to-Gas-Projekte, Methanolherstellung) verwendet werden. Aus Sicht des Klimaschutzes stellen diese Anwendungen allerdings nur eine Verschiebung des Problems dar, da das Kohlendioxid bei Verbrauch nach kurzer Zeit wieder freigesetzt wird.

Wie sieht die Energie- und Kostenbilanz aus?

Technologie/Einsatzgebiet

Energiebedarf pro Tonne CO2

Kosten pro Tonne CO2

Zukunft

CO2-Absorption aus Industrie und Abgasen,

mit wässrigen Aminlösungsmitteln

4 Giga-Joule

Das entspricht 111 l Diesel oder 1110 kWh und damit 295 kg CO2.

  • Stammt die benötigte Energie aus fossilen Quellen, wird das CO2 um etwa 70 % reduziert.
  • Stammt sie aus Biomasse, ist sie emissionsneutral bzw. reduziert sie den CO2-Gehalt der Luft, abhängig vom Ursprung der Emissionen.

ca. 100 €

Mit dem neuen Wirbelschichtverfahren (ViennaGreenCO2) scheint eine Senkung des Energieeinsatzes bis 40 % und eine Kostenreduktion bis 25 % möglich.

Wenn der Kohlenstoff nicht im Kreislauf geführt wird, kommt es bloß zu einer Verschiebung des Problems.

CO2-Absorption direkt aus der Luft (DAC)

2- bis 4-mal höherer Energieverbrauch als andere Methoden zur CO2-Abscheidung, weil die CO2-Konzentration in der Atmosphäre 250- bis 300-mal niedriger ist als in Abgasen.

100 bis 600 $

Derzeit Kosten im oberen Bereich, aber eine Reduzierung in den nächsten Jahren wird angenommen.

Wenn der Kohlenstoff nicht im Kreislauf geführt wird, kommt es bloß zu einer Verschiebung des Problems.

Aufforstungsprogramme, Grünland, restaurieren von Mooren, Sümpfen

Aufforstung meist unter 50 $

Die Flächen dafür sind begrenzt –

Nutzungskonflikte.

Einsatz von Gesteinsmehl (Silikatminerale)

Etwa 4 GJ

Basaltgewinnung und -mahlung auf kleiner als 10 Mikrometer (ohne Berücksichtigung des Transportes!)

150 US-Dollar

Errechnetes Potential: Entfernung von 2,5 Gigatonnen Kohlendioxid pro Jahr.

Forschung hinsichtlich unerwünschter Nebenwirkungen noch notwendig.

Quelle: DI Frank Radosits, TU Wien, Scientists for Future, Dr. Thomas Rinder, Universität Salzburg, Dr. Daniel Goll und Kolleg*innen, Institut für Geographie der Universität Augsburg

Natur: Tausende Jahre Erfahrung

Wie man es dreht und wendet – am effizientesten und effektivsten arbeitet die Natur. Es geht daher vor allem darum, natürliche Prozesse zu nutzen und gezielt zu unterstützen. An erster Stelle steht ein Ende der Versiegelung, an zweiter die Wiederherstellung gerodeter Gebiete und Forstgebiete mit hohem Schadholzaufkommen sowie der Schutz und die Restaurierung bestehender Wälder, Moore und Sümpfe, auch entlang der Küsten.

Eine große Rolle spielt der Boden: Eine nachhaltige Landwirtschaft kann durch Fruchtfolge mit stickstofffixierenden Pflanzen, Humusaufbau, sanfte Bewirtschaftung ohne Pflug etc. mehr Kohlenstoff aufnehmen. So bewirkt beispielsweise die Umwandlung von ehemaligem Ackerland in Grünland höhere organische Kohlenstoffgehalte von 0,3 bis 1,9 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar und Jahr. Ein humusreicher Boden im Biolandbau speichert bis zu 0,5 Tonnen mehr organischen Kohlenstoff als ein konventioneller Acker (Holzinger Christian, 2021).

CO2 kann auch abiotisch, also ohne Pflanzen, gebunden werden – mit Hilfe von Gesteinsmehl (fein gemahlenes Gestein), das über dem Boden ausgebracht wird. Das zeigt eine Studie eines internationalen Forscherteams unter Leitung des Instituts für Geographie an der Universität Augsburg. Gespeichert wird der Kohlenstoff in den Bodenschichten in Form von Bikarbonat-Ionen, die (durch Erosion) über Flüsse abtransportiert und schließlich in den Ozeanen ‘eingelagert‘ werden. So wird verhindert, dass der Kohlenstoff wieder in die Atmosphäre gelangt. Möglich ist aber auch, das Gesteinsmehl – am besten Basaltpulver – in nährstoffarme Ökosysteme einzubringen. Es setzt bei der Verwitterung kontinuierlich Nährstoffe (insbesondere Phosphor) frei. Damit kann die Speicherung von Kohlenstoff in Ökosystemen gefördert werden. Dieser Ansatz sei allerdings noch so neu, dass unbekannte Nebenwirkungen noch erforscht werden müssten, erklären die Forscher.

Fazit: Pflanzen können CO2 am effizientesten aus der Atmosphäre holen. Die dafür benötigten Flächen sind nur begrenzt verfügbar; Konflikte mit anderen Nutzungsarten wie Lebensmittelproduktion, Wohnraumschaffung, Straßenbau, Tourismus sind vorprogrammiert. Die technischen Lösungen sind zudem global nur begrenzt umsetzbar und mit Umweltrisiken verbunden.

Daher sollten alle Möglichkeiten der Vermeidung und Substitution ausgeschöpft werden. Das sei, laut dem deutschen Umweltbundesamt, für die gesamten energiebedingten Treibhausgasemissionen aus Industrie, Gebäuden und Verkehr möglich, und daher umzusetzen. Denn das Problem des atmosphärischen CO2-Gehaltes dürfe nicht in die Zukunft verlagert werden. Eine klima- und damit menschenfreundliche Gesellschaft ist möglich, wenn wir unseren Energie- und Ressourcenverbrauch drastisch reduzieren, eine ambitionierte Kreislaufwirtschaft und treibhausgasneutrale Technologien umsetzen und geeignete politische Rahmenbedingungen – allen voran eine CO2-Besteuerung – schaffen.

Quellen: