Mit Kreislaufwirtschaft raus aus dem Abfallwahn(sinn)?!
Im CSR-Circle vom 12. 3. 2019 wurde über Herausforderungen und Lösungen rund um die Kreislaufwirtschaft debattiert.
Die wichtigsten Aussagen:
Dr. Christian Plas, denkstatt: „Das Ausrollen des Kreislaufwirtschaft-Konzepts auf ganz Europa erweist sich als sehr schwierig.“
Dr. Friedrich Hinterberger, Gründungspräsident des Sustainable Europe Research Institute (SERI) legt den Fokus auf: a) Ressourcen sparen, b) die Kreislaufwirtschaft nicht auf die Verpackung reduzieren und c) auf das Thema nicht zu klein schauen, das bedeutet, den Blick immer am Impact zu haben. „Ohne eine Verteuerung der Ressourcen werden wir es nicht schaffen. Sogar manche Vertreter aus der Industrie sagen, dass es eine CO2 Steuer brauchen wird – nur die Politik ist auf diesem Ohr taub.“
Mag.a Nunu Kaller, KonsumentInnensprecherin bei Greenpeace Österreich
Die Recyclingquote bei Kleidung liegt derzeit bei nur einem Prozent weil Gemische (wie z.B. Baumwolle und Polyester) nicht recycelt werden können. Auch die vielen billigen Kleidungsstücke aus Polyester können nur maximal einmal recycelt werden. „Je kleiner das Plastik – sprich Mikroplastik – desto größer ist das Problem.“
Die Lösung: Das ökologischste Kleidungsstück ist jenes, das nicht produziert wird. „Wir müssen aufhören den KonsumentInnen diesen Shoppingwahnsinn einzureden. Wir müssen wieder auf eine wirklich hochwertige Qualität bei Kleidung setzen – die wir lange tragen können und die auch noch über Second Hand Läden verkauft oder getauscht werden kann.“
Dr. Markus Schopf, Mgr. Open Innovation, Borealis AG
Borealis ist einer der größten Hersteller von Plastik, aber auch einer der größten Recycler von Plastik in Europa.
Jedes Jahr werden rund 350 Mio. Tonnen Kunststoff in der Welt produziert. Das hat drei Gründe: Es ist ökonomisch günstig, Kunststoff ist sehr vielseitig verwendbar und es ist ein sehr leichter Werkstoff. Daher bestehen Flugzeuge, Autos aber auch Solarzellen und Windräder zu großen Teilen aus Kunststoff.
Kunststoff ist Fluch und Segen zu gleich, weil er nicht verrottet. Deshalb ist die Kreislaufwirtschaft wichtig. Damit das möglich wird braucht es das richtige Design - Design for recycling. Wir müssen bereits bei der Gestaltung zu Beginn den Kreislauf mitdenken. Und: Wir müssen aus dem recycelten Material auch höherwertige Produkte produzieren können. Aber hier stehen wir noch ganz am Anfang.
DI Katharina Stoll, Consultant bei denkstatt GmbH
Wichtig ist auch, die Ökobilanz von Produkten anzusehen. Beispielsweise ist die Ökobilanz einer Eierverpackung aus recyceltem Plastik besser als die aus Karton.
Als Beispiel bringt Stoll die Strategie von Coca Cola: „world without waste“. Das will der Konzern durch drei Elemente schaffen: Collect, Design und Partner. Ziel ist eine 100-prozentige Recyclingquote. Das wollen sie über Ihre Partner schaffen– auch in Ländern, in denen das Thema Recycling noch gar kein Thema ist.
DI Mag. Thomas Kasper, Porr Umwelttechnik und Präsident des BRV (Baustoffrecyclingverband)
Dreiviertel aller Abfälle stammen aus der Bauwirtschaft. Dazu kommt, dass Beton, Ziegel etc. viel Energie und Ressourcen in der Herstellung benötigen.
Das Problem ist – wie z.B. auch in der Textilindustrie – es können nur sortenreine Stoffe recycelt werden. Verklebte Fassaden beispielsweise können nicht mehr getrennt werden.
Das hat zur Folge, dass 100 Mio Tonnen Baumüll verbrannt werden und nur sieben Mio Tonnen recycelt werden können.
Ein wichtiges Thema ist darüber hinaus die Flächenversiegelung – die zu Hochwasser, Bodenverlust für die Landwirtschaft oder natürlichen Flächen, die für die Biodiversität notwendig sind, führt.
Verena Anger, Nachhaltigkeitsbeauftragte, Gugler GmbH
Gugler ist die erste Druckerei weltweit, die schon im Jahr 2011 cradle to cradle produziert. Gugler setzt diesen Gedanken aber nicht nur bei den eigenen Produkten um, sondern auch beim Gebäude, beim Umfeld oder der Finanzierung.
Besonders am Herzen liegt gugler die Produktion von c2c Kinderbücher. Die meisten Kinderbücher werden in Fernost produziert, sie enthalten häufig einen hohen Schadstoffanteil, was gerade bei ganz kleinen Kindern problematisch ist, weil sie die Bücher oft ja in den Mund nehmen.
Das neue Gugler Gebäude wurde aus 43 Prozent recyceltem Material hergestellt. 96 Prozent der eingesetzten Materialien könnte nach einer Demontage wieder recycelt werden. Der Garten wurde als Permakultur angelegt.
Vanessa Vivian Wabitsch, Project Manager bei REVOLVE,
Das EU Projekt „ZERO BRINE“ ist das derzeit größte circular economy Projekt der EU. Geprüft wird, wie Abwasserschlacke weiter verwendet werden kann bzw. wie die darin enthaltenen wertvollen Stoffe wieder herausgelöst werden können. Projektpartner sind beispielsweise der Hafen in Rotterdam oder Textilfabriken in der Türkei. Wabitsch sieht Europa als führend im Bereich circular economy und sie sieht darin auch einen großen Wachstumsmarkt.
Roland Schrotthofer, Freischaffender „Welcome to Sodom“– Elektroschrott
„Mein Nachname ist Programm. Ich musste mich einfach um das Thema Schrott annehmen“, erklärt er zu Beginn seiner Ausführungen.
Sein Film „Welcome to Sodom – Dein Smartphone ist schon hier“ zeigt in erschütternden Bildern was mit unserem Elektromüll passiert. Eine der größten Elektromülldeponieren liegt in Afrika – 50 Mio. Tonnen landen hier pro Jahr, Tendenz stark steigend.
Nur 15 Prozent des Elektromülls werden weltweit richtig recycelt, in Österreich liegt die Quote bei rund 70 Prozent.
Schrotthofer zeigt einen Kreislauf der Ungerechtigkeit auf: Zuerst werden die Basis-Materialien in Entwicklungsländern unter widrigsten Umständen abgebaut, danach kommen sie in unserer Glitzerwelt zur Verwendung um danach wieder unter katastrophalen Bedingungen in diesen Ländern wieder zerlegt zu werden.
Gemeinsam mit dem Publikum wird noch hinterfragt wie Suffizienz mit Wirtschaftswachstum zusammengeht. Sehr rasch wird klar, dass es eine systemische Veränderung braucht. Wichtig ist, dass die Nutzungsdauer von Produkten verlängert wird und wir wieder mehr auf Qualität setzen. Ein großes Thema ist auch, dass gebrauchte Produkte keine Käufer mehr finden. Beispielsweise gibt es aktuell 29.000 gebrauchte Stapler auf dem Markt – wenn eine Firma einen alten Stapler loswerden möchte, kann er ihn nicht einmal mehr verschenken, weil ihn niemand will. Früher war Osteuropa dafür noch interessant – aber auch das ist großteils vorbei.
Zusammenfassung des Abends: Cornelia Dankl.