NachhaltigerTourismus: Wesentlicher Beitrag zur Agenda 2030
Die Reisewirtschaft spielt eine wichtige Rolle zur Erreichung der globalen Entwicklungsziele der Agenda 2030. Damit der Tourismus aber tatsächlich zu einer nachhaltigen Entwicklung beiträgt, braucht es eine Neuorientierung. Cornelia Kühhas, Naturfreunde Internationale.
Die nachhaltige Entwicklung des Tourismus ist ein zentrales Anliegen der Naturfreunde, die 1895 als touristische Gruppe gegründet wurden. Ihr Ziel war es, den ArbeiterInnen die Natur als Erholungsraum zu erschließen, die Menschen für das Wandern zu begeistern und Bildungsarbeit zu leisten.
Heute setzen sich die Naturfreunde in 45 Ländern für Natur- und Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit und eine nachhaltige Entwicklung von Umwelt und Gesellschaft ein.
Der Tourismus wächst – und zerstört seine eigenen Grundlagen
1,2 Mrd. internationale Ankünfte im Jahr 2015. Jedes Jahr hören wir Jubelmeldungen über steigende Tourismuszahlen. Dem gegenüber stehen stetig zunehmende Treibhausgasemissionen, die Zerstörung von Lebensräumen, die Übernutzung der natürlichen und kulturellen Ressourcen und die Ausbeutung im Tourismus beschäftigter Personen. Letztendlich zerstört der Tourismus damit seine eigene Basis, nämlich eine intakte Natur und Landschaft sowie die kulturelle Vielfalt in den Reiseländern.
Beispiel Emissionen: Tourismus ist ohne Verkehr nicht möglich. Der Verkehr ist aber auch sein Hauptproblem, insbesondere der Flugverkehr. Dieser trägt mit mindestens fünf Prozent zur menschengemachten Erderwärmung bei, obwohl nur zwei Prozent der Weltbevölkerung aktiv am Flugverkehr teilnehmen. Bei einer durchschnittlichen Flugreise macht allein der Flug etwa 60 bis 80 Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes der Reise aus. Anschaulicher ausgedrückt: Ein Flug in den Urlaub nach Mallorca ist genauso klimaschädlich, wie ein ganzes Jahr lang Auto zu fahren.
Der internationale Flugverkehr ist nach wie vor von den weltweiten Klimaverträgen ausgenommen. Damit sind wir von einer Kostenwahrheit weit entfernt. Im Gegenteil: Klimaschädliche Mobilitätsarten werden damit sogar gefördert. Steuern auf Kerosin sind daher dringend nötig!
Auch die boomende Kreuzschifffahrt darf noch immer mit schweröl-betriebenen Schiffen auf den Weltmeeren unterwegs sein. Dass sich die Internationale Schifffahrtsorganisation (IMO) vor Kurzem dazu verpflichtet hat, ab 2020 den Schwefelgehalt der Kraftstoffe auf 0,5% zu senken, ist ein kleiner Lichtblick.
Beispiel Menschenrechte: Die Achtung der Menschenrechte – faire Arbeitsbedingungen, gerechte Löhne, Schutz vor sexueller Ausbeutung – müssen Standard sein. Vielerorts existieren nationale Gesetze zu Arbeitsrechten, oft werden sie aber nur mangelhaft umgesetzt. Gewinne aus dem Tourismus dürfen nicht auf Kosten der Mitarbeitenden und der lokalen Bevölkerung erwirtschaftet werden!
Beispiel Landschaftsverbrauch: Der Tourismus braucht Verkehrswege, Unterkünfte, Infrastruktur. Damit einher gehen die Zerstörung von Naturräumen, worunter sensible Ökosysteme wie die Alpen besonders stark leiden. 1995 trat die Alpenkonvention in Kraft, ein internationales Abkommen zwischen den Alpenländern und der EU zur nachhaltigen Entwicklung des Alpenraums. Hier ist nun die Politik gefordert, dies auch engagiert umzusetzen!
Einen nachhaltigen und fairen Tourismus zeichnet das aus, was touristische Produkte zugleich auch attraktiv und erfolgreich macht, nämlich hohe Qualität und ein authentisches Erleben von Natur und Kultur. Was braucht es dazu?
KonsumentInnen informieren
Laut der Reiseanalyse 2014 würden 61Prozent der Befragten ihre Urlaubsreise gern nachhaltig gestalten. Oft beklagen KonsumentInnen, dass sie keine entsprechenden Angebote finden oder sie nicht erkennen. Seriöse, vom Global Sustainable Tourism Council (GSTC) anerkannte Zertifizierungssysteme können sie unterstützen.
Kommunikation:
Nachhaltiger Tourismus muss raus aus der Verzichtsschiene und der Müsliecke. Stellen wir statt dem sperrigen Begriff „Nachhaltigkeit“ lieber das Positive ins Zentrum unserer Botschaft: Urlaub mit Qualität und Weitblick, intakte Natur, authentisches Erleben, Austausch der Kulturen.
Reisewirtschaft qualifizieren
Ein touristisches Produkt ist das Zusammenspiel vieler Dienstleiter und Partner. Attraktive nachhaltige Angebote zu schnüren und dabei alle Akteure miteinzubeziehen, ist oftmals nicht einfach. Hier bieten Zertifizierungsorganisationen, Reiseverbände, NGOs und Stakeholderinitiativen Unterstützung.
Serviceangebote können die Wahl umweltfreundlicher Reisemöglichkeiten unterstützen. Beispielsweise leihen sich heute etwa 50 Prozent der WintersportlerInnen die Ausrüstung aus. Sie reisen mit weniger Gepäck, was Bahn und Bus attraktiver macht. Die 100-prozentig nachhaltige Reise gibt es nicht – aber man kann sich ihr Schritt für Schritt annähern.
Lokale und regionale Strukturen stärken
Der Tourismus kann zum sozialen Ausgleich zwischen Stadt und Land, zwischen Nord und Süd beitragen, periphere Regionen wirtschaftlich stärken und zur kulturellen Verständigung beitragen. Vorausgesetzt, der Tourismus baut auf den lokalen und regionalen naturräumlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Strukturen auf und bezieht die ansässige Bevölkerung ein.
Ein globales Konzept liegt vor– die Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen (SDGs)
In der Agenda 2030 wird der Tourismus mit drei konkreten Zielvorgaben (Goal 8, 12 und 14) explizit erwähnt: Bis 2030 sollen demnach politische Rahmenbedingungen geschaffen werden, die einen nachhaltigen Tourismus fördern, der Arbeitsplätze schafft sowie lokale Gemeinschaften unterstützt. Es gilt, nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster zu etablieren und Instrumente zu entwickeln, die die Auswirkungen des Tourismus auf eine nachhaltige Entwicklung der Welt dokumentieren. Im Zusammenhang mit dem Schutz der Meere sollen kleine Inselentwicklungsländer und am wenigsten entwickelte Länder wirtschaftlich von einem nachhaltigen Management der Fischerei und des Tourismus profitieren.
Nachhaltigkeit braucht eine konsequente Gesetzgebung
Die Agenda 2030 gibt den Rahmen für eine nachhaltige Entwicklung vor. Die flächendeckenden Umsetzung wird mit Freiwilligkeit nicht gelingen! Es braucht verpflichtende Vorgaben und Standards seitens der Politik, die für alle gelten. Nur so können Wettbewerbsverzerrungen aufgelöst werden. Dies gilt für soziale Standards – Stichwort Menschenrechte und Kinderschutz – ebenso wie für den Klimaschutz und die Verkehrspolitik. Siehe auch die Filme „Menschenrechte im Tourismus“ und „Kinderschutz im Tourismus“ www.youtube.com/nfi1895.
Von einem fairen Tourismus profitieren alle!
Zahlreiche Initiativen zeigen, wie ein Tourismus aussieht, bei dem die Wertschöpfung in der Region bleibt, der sorgsam mit den natürlichen Ressourcen umgeht und der einen Austausch zwischen Reisenden und der lokalen Bevölkerung ermöglicht. Wenn diese Initiativen zum Mainstream werden, kann der Tourismus seiner Verantwortung gerecht werden und einen substantiellen Beitrag zu einer nachhaltigen globalen Entwicklung leisten.
Autorin: DI Cornelia Kühhas/Naturfreunde Internationale – respect. Die Naturfreunde Internationale (NFI) setzt sich unter der Marke RESPECT seit vielen Jahren für eine nachhaltige Tourismusentwicklung ein. www.nf-int.org