Smartphones werden häufiger ersetzt als T-Shirts
Mobilfunkgeräte werden laut einer 2015 veröffentlichten Studie der Arbeiterkammer Wien im Durchschnitt 2,7 Jahre genutzt. Das ist kürzer als die Nutzungsdauer von Jeans oder Mänteln. Die Ergebnisse hinsichtlich Smartphones wurde in einer für Österreich repräsentativen Umfrage im Auftrag der Initiative Bewusst Kaufen des BMNT Ende 2018 bestätigt.
Die Kernergebnisse aus dem Jahr 2015 lt. Nachhaltigskeitsexpertin Renate Hübner
- Smartphones werden mit einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von 2,7 Jahren schneller ersetzt als zum Beispiel Kleidungsstücke.
- Bei Smartphones zeigt sich eine Entkopplung der Nutzungsdauer von der tatsächlichen Produktlebensdauer – Smartphones werden demnach frühzeitig ausgetauscht, obwohl die Geräte rein technisch noch länger funktionieren würden.
- Gebrauchte Smartphones werden nicht einfach weggeworfen sondern gespendet, verkauft oder verschenkt. Wenn es um Handys geht leben wir in einer Kaufgesellschaft und Sammel- bzw. Akkumulationsgesellschaft (Jäger und Sammler).
- „Abwärts-Spirale“: die immer kürzeren Innovationszyklen und die Zunahme an Wegwerfprodukten führten dazu, dass die kürzere Lebensdauer von Gütern zunehmend als „normal“ empfunden wird. Aus dieser Erwartung heraus verringert sich die Nutzungsdauer vieler Produkte. Die sinkenden Erwartungen der KonsumentInnen an Produktqualitäten (und die Lebensdauer zählt dazu) führen dazu, dass der Preis mehr zählt als die Qualität, es wird günstig bzw. billig gekauft, was wiederum für Hersteller bzw. Handel keinen Anreiz bietet, langlebige und ev. teurere Produkte anzubieten. Da dies viele Produkte und Lebensbereiche betrifft, wird die kürzere Lebensdauer zunehmend als zwar ärgerlich aber „normal“ empfunden, ebenso die kürzere Nutzungsdauer. (Ursache bspw.: Automatismen der 2-Jahresverträge mit Mobilfunkbetreibern)
- Viele Beobachtungen und Studien deuten darauf hin, dass jüngere Generationen zunehmend weniger auf Güterbesitz als Statussymbole Wert legen, dafür zunehmend mehr auf den Zugang zu Services und das Nutzen von Gütern. zu sein.
Auf dieser Basis hat „Bewusst Kaufen“ des BMNT eine für Österreich repräsentative Online-Umfrage mit 500 TeilnehmerInnen über die Nutzungsdauer des jeweils letzten Smartphones sowie die Beweggründe für dessen Austausch durchführen lassen – die Ergebnisse aus dem Jahr 2018 bestätigen die bisherigen Untersuchungen und Erkenntnisse.
Die Schlüsselergebnisse der repräsentativen Umfrage aus 2018 im Detail:
- 64 % aller Befragten hatten ihr voriges Smartphone innerhalb von 3 Jahren ersetzt – bei 30 % lag dieser Wert sogar bei unter 2 Jahren.
- In der Gruppe der 14-39 Jährigen nutzten 34 % ihr Smartphone weniger als zwei Jahre, in der Gruppe der 40-69 Jährigen lag dieser Anteil hingegen nur bei 26 %. Fast jede/r Dritte (32 %) der 40-69 Jährigen behielt das Smartphone sogar länger als 3 Jahre.
- Ein wirklich defektes Gerät war nur für 43 % ein (Mit-)Grund zur Neuanschaffung. Eine weitere wesentliche Rolle spielte der Anspruch der NutzerInnen an die technische Leistungsfähigkeit – 32 % tauschten ihr Smartphone z.B. aufgrund einer zu geringen Speichergröße oder eines zu schwachen Akkus. Weitere wichtige Beweggründe waren günstige Angebote seitens der Mobilfunkanbieter (11 %), die Möglichkeit zur Übernahme eines geschenkten Gerätes (11 %) oder ästhetische Mängel beim bisherigen Gerät (7 %).
Zusätzlich zur repräsentativen Meinungsumfrage wurde auch die Facebook-Community von Bewusst Kaufen zur Nutzung von Smartphones befragt. Im Zuge dieser offenen, nicht repräsentativen Befragung nahmen über 1.000 größtenteils nachhaltigkeitsaffine NutzerInnen teil, welche tendenziell eine längere Nutzungsdauer angaben.
Das Smartphone als ein neues gesellschaftliches „Leitgut“?
Smartphones durchdringen unseren Alltag und verändern unsere Kommunikation, Rezeption und Wahrnehmung
Smartphones haben einen wichtigen Stellenwert in unserem Alltag und Statussymbol (Vergleich: ehemals Auto)
Wer kann welchen Beitrag leisten?
Nachhaltigkeitsexpertin Dr. Renate Hübner der Alpen-Adria-Universität sieht folgende Handlungsmöglichkeiten der Akteure:
- Die Wirtschaft allgemein: Neue Geschäftsmodelle für produkt- bzw. nutzungsbegleitende Dienstleistungen entwickeln, neue Kooperationen eingehen, Haushalte in einer Circular Economy als „Supplier“ von Gütern und Komponenten in Wertschöpfungsnetzwerke einbeziehen. Regionale Circular Economy Hubs einrichten. Caring- und Sharing könnten Säulen innovativer an Nachhaltigkeit orientierter Geschäftsmodelle sein
- Hersteller: Angaben am Gerät über die Lebensdauer sowie die Verfügbarkeit von Ersatzteilen sollte besser kommuniziert werden!
- Handel: Serviceorientierung des Handels im Bereich der Reparaturen und Ersatzteilverfügbarkeit muss ausgebaut werden (reparieren muss sich auszahlen, außerdem fehlt es oft an Know How und Ersatzteilen)!
- Medien: sie können nachhaltige Konsumstrategien durch einen Perspektivenwechsel aus Sicht des Nutzungsverhaltens zeigen, Best Practice Beispiele und Angebote (z.B. Reparaturcafés) bringen um der niedrigen Erwartungshaltung seitens der KonsumentInnen entgegen zu treten!
- Die Werbung kann die Kulturveränderung für langlebige Produkte und deren längeren Nutzung unterstützen! Neue Narrative – Teddybär- statt Kaugummigüter? Medien und MarketingexpertInnen müssen für die Begleitung der Entstehung neuer Narrative gewonnen werden.
- Transformations-Forschung und transformative Bildung: Die Entwicklung und Umsetzung alternativer Wirtschaftsformen konkretisieren, relevante Stakeholder inkl. Zivilgesellschaft einbinden, die Handlungsoptionen aller Akteure - der KonsumentInnen wie auch „der Wirtschaft“ konkretisieren, Konsum neu denken, Reallabore als Experimentierräume fordern und fördern, Evaluation von Initiativen und Services, emanzipatorische Bildungskonzepte, ökonomische Bildung für eine Nachhaltige Entwicklung
- Zivilgesellschaft: Initiativen alternativer Konsumformen sichtbar machen, vernetzen. Gute aufbereitete objektive Informationen sind wichtig, damit Konsumentinnen auch gute Entscheidungen treffen können.
- Politik & Öffentliche Hand: Initiativen alternativer Konsumformen unterstützen (bspw. durch Förderung der Raumkosten, das könnte auch zur Lösung der Leerstandsproblematik beitragen), diese gebündelt/kategorisiert sichtbar machen, vernetzen, ev. auch labeln. Nutzungsforschung unterstützen, neue Ansätze in der Forschung unterstützen – bspw. die Einbindung von KonsumentInnen – nicht nur als InterviewpartnerInnen sondern Co-Produzenten von Wissen und als Ideenträger, als Akteure und Initiatoren in die Entwicklung neuer Wege einbinden. Anschaffung langlebiger Produkte, Nachfrage von Services, Automatismen von Ersatzanschaffungen diskutieren, vorzeitige Abschreibung abschaffen.