Stromfressende Moloche?
Rechenzentren unter Druck
1.065 Terrawattstunden (TWh) sollen Rechenzentren 2030 weltweit jährlich an Energie verbrauchen. Das sind vier Prozent des weltweiten Energieverbrauchs oder ungefähr dreimal so viel wie ganz Österreich aktuell in einem Jahr benötigt. Und der Druck, Energie effizienter zu nutzen, nimmt zu. Das ist auch heimischen Anbietern bewusst – und sie gehen mithilfe des 2023 entwickelten Österreichischen Umweltzeichens (UZ80) in Vorlage: „Wir haben in den letzten Jahren ein umfangreiches Energiemonitoring-System etabliert. Einerseits aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen, aber auch, weil die Stadt Wien Vorbildwirkung hat und nachhaltige Digitalisierungshauptstadt Europas werden will“, sagt Christian Altenberger, Geschäftsführer des Rechenzentrums der Stadt Wien. „Bei uns ist der Weg nicht mehr so weit.“ Die freiwillige Zertifizierung ermögliche auch, der Öffentlichkeit zu belegen, dass sein Rechenzentrum möglichst umweltverträglich und ressourcenschonend betrieben wird.
Das Österreichische Umweltzeichen für Rechenzentren (UZ80)
ist eine freiwillige Zertifizierung für Rechenzentren in Österreich. Es dient als Gütesiegel und bestätigt, dass
- ein Rechenzentrum hohe ökologische Standards erfüllt – z.B. dass dessen technische Gebäudeausrüstung (TGA) besonders energieeffizient und ressourcenschonend betrieben wird,
- eine langfristige Strategie zur Erhöhung der Energie- und Ressourceneffizienz für das Rechenzentrum erarbeitet und umgesetzt wird,
- ein Energieeffizienzbericht vorliegt, in dem Effizienzsteigerungsziele definiert und deren Erreichung überprüft wird.
Die Zertifizierung umfasst Kriterien wie Energieeffizienz, Einsatz nachhaltiger Kältemittel, Verwendung erneuerbarer Energien, Abwärmenutzung und Reuse Management.
Ab April 2025 sollen die ersten Rechenzentren zertifiziert sein.
„Die größten Herausforderungen für die Unternehmen sind die Investitionskosten und die Komplexität“, erzählt Peter Reischl, Berater und Auditor von CIS Certification & Information Security, aus seiner Beratungspraxis: Energieeffiziente Technologien einzuführen erfordere zumindest kurzfristige Investitionskosten, auch wenn diese sich über die Lebensdauer rechnen und in Folge Kosten sparen können. Notwendig sei auch ein umfassendes Management von Messpunkten und ein ganzheitlicher Zugang. Das bedeute auch, dass Mitarbeiter*innen für den Prozess gewonnen werden müssen. Altenberger: „Durch die jährlichen Erhebungen entsteht ein Zusatzaufwand, dem auf den ersten Blick kein Mehrwert gegenübersteht. Wir werden dadurch nicht besser oder schneller. Aber wir übernehmen Verantwortung und erkennen natürlich auch Optimierungspotenziale.“ Sich mit anderen zu vergleichen ermögliche zudem, gute Ideen aufzugreifen und entscheidende Faktoren wie die durchschnittliche Raumtemperatur, die Kühlung oder Luftströmung zu optimieren. „Je höher die Temperatur sein kann, desto weniger Energie benötige ich. Aber natürlich darf sie nicht so hoch sein, dass sie die IT beschädigt. Da kann man an vielen Schrauben drehen.“
Das Umweltzeichen schreibt u.a. vor, dass für die Nutzung der Abwärme ein entsprechender Abnehmer gefunden werden soll. „Damit das wirtschaftlich erfolgreich ist, braucht es in der Umgebung einen ganzjährigen Großverbraucher“, erklärt Altenberger. Daher sei es wichtig, zukünftig nicht nur das eigene Unternehmen zu betrachten, sondern das nahe Umfeld miteinzubeziehen. Gelungen ist das in Wien Floridsdorf: Die Abwärme des Rechenzentrums Digital Realty (vormals Interxion) heizt seit 2023 das Krankenhaus Floridsdorf.
So sehr sich die Rechenzentren um Energieeffizienz bemühen – klar ist, dass der Energieverbrauch so rasant steigt, weil immer mehr Künstliche Intelligenz genutzt wird – privat, aber auch in Unternehmen. Wenn wir mehr Nachhaltigkeit wollen, braucht es ressourcenschonendere Programme, aber auch ein Hinterfragen, was wirklich nötig ist. Brauchen Sie einen Kühlschrank mit W-Lan, der für Sie beim Supermarkt bestellt? Oder tut es ein „normaler“ auch? Wo und wie macht der Einsatz von KI in meinem Unternehmen wirklich Sinn? Es liegt vor allem an uns, ob Rechenzentren stromfressende Moloche sind oder nicht.
Roswitha M. Reisinger