Wälder federn Wasserkrisen ab
Über 50 Wissenschaftler aus 20 Ländern erarbeiten globale Studie zu Wechselwirkungen zwischen Wald, Wasser, Klima und Mensch.
Wasserkrisen drohen sich weltweit gefährlich zu verschärfen. Schon heute herrscht vielerorts extreme Wasserknappheit, die durch Bevölkerungswachstum und den rasanten Klimawandel weiter verstärkt wird.
Größeres Augenmerk auf die Rolle von Wäldern zu richten kann ein Teil der Lösung sein. Die Beziehungen zwischen Wald, Wasser, Klima und Mensch sind komplex und werden oft unterbewertet. Dabei sollten wir uns fragen: Was können wir mit dem Wald und für ihn tun, damit Wasser in ausreichender Menge und Qualität zur Verfügung steht, um Gesundheit und Wohlbefinden von Mensch und Wald nachhaltig zu sichern?
Mit dieser Frage beschäftigt sich ein neuer umfassender Bericht, der im Rahmen des Hochrangigen Politischen Forums für Nachhaltige Entwicklung (HLPF, engl.: High-Level Political Forum on Sustainable Development) 2018 der Vereinten Nationen in New York vorgestellt wird. Der Bericht betont die Notwendigkeit, sich mit den komplexen und oft ungewissen Wechselwirkungen zwischen Klima, Wald, Wasser und Mensch intensiver auseinanderzusetzen, um irrationale Entscheidungen von unbeabsichtigter Tragweite zu vermeiden.
Die englischsprachige Publikation mit dem Titel "Forest and Water on a Changing Planet: Vulnerability, Adaptation and Governance Opportunities. A Global Assessment Report" wurde im Auftrag der UN‐basierten „Collaborative Partnership on Forests" (CPF) von einer Gruppe internationaler Experten erstellt, die als „Global Forest Expert Panel (GFEP) on Forests and Water" unter Koordination der „International Union of Forest Research Organizations" (IUFRO), dem weltweit größten Netzwerk zur Waldforschung mit Sitz in Wien, zusammenarbeiteten.
„Die Auswirkungen des Klimawandels auf den Wasserhaushalt sind auch in Österreich unübersehbar: Gletscher schmelzen, Wetterextreme nehmen zu, regional sinken der Grundwasserspiegel und der Niederwasserabfluss in den Fließgewässern", erklärt die österreichische Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger und betont: „Wälder leisten einen unverzichtbaren Beitrag zu einem ausgeglichenen Wasserhaushalt und zur Sicherung der Wasserqualität, sind gleichzeitig aber auch direkt vom Klimawandel betroffen und herausgefordert. Umso wichtiger ist es, die Zusammenhänge zwischen Klima, Wasser, Wald und Menschen besser zu verstehen, um nachhaltig und verantwortungsbewusst handeln zu können."
Heute teilen sich mehr als sieben Milliarden Menschen die Erde mit rund drei Trillionen Bäumen. Sie alle brauchen Wasser zum Leben. Im Kampf gegen den Klimawandel ist der Wald für den weltweiten Wasserhaushalt mindestens ebenso bedeutend wie für den Kohlenstoffhaushalt. Man könnte sagen, der Wald ist nicht nur die „grüne Lunge" der Erde sondern auch ihre „grüne Niere". Folglich ist es wichtig, wenn nicht sogar lebenswichtig, sich mit dem System Wald-Wasser-Klima-Mensch umfassend und rechtzeitig auseinanderzusetzen.
„In unserer Arbeit haben wir uns auf drei Kernfragen konzentriert", erklärt Meine van Noordwijk (ICRAF und Universität Wageningen, Niederlande), einer der beiden Vorsitzenden der Expertengruppe:
- Welche Rolle spielt Wald?
- Wer ist verantwortlich und was ist zu tun?
- Wie kann Erfolg erreicht und gemessen werden?"
"Natürliche Störereignisse und menschliche Eingriffe beeinflussen die Beziehungen zwischen Wald und Wasser, wobei die Folgen von Zeitpunkt, Umfang, Intensität und Dauer der Einwirkung abhängen", sagt Irena Creed (Universität Saskatchewan, Kanada), die zweite Vorsitzende, und folgert: "Bedingt durch den Klimawandel verändern sich die Einflüsse immer stärker, manchmal auch auf unerwartete Weise. Die zukünftige Waldbewirtschaftung muss daher immer auch den Faktor Unsicherheit berücksichtigen."
Leider hat Wasser in der Waldbewirtschaftung selten Priorität. "Vielleicht", meint Professor Creed, "liegt das daran, dass das gemeinsame Vorkommen von Wald und Wasser meist als selbstverständlich gesehen wird. Dabei tragen vor allem Naturwälder wesentlich zur nachhaltigen Wasserversorgung der Menschen angesichts steigender Risiken bei. Es ist auch möglich, den Wald so zu bewirtschaften, dass seine Rolle für den Wasserhaushalt gestärkt wird." So ist es zum Beispiel einigen Ländern in der Region um Hindukusch und Himalaya gelungen, versiegte Quellen durch wasserbezogene Maßnahmen der Flächenbewirtschaftung wiederzubeleben.
Ebenso wenig beachtet bleibt die Bedeutung von Wäldern und Bäumen für den Wasserhaushalt auch in den internationalen Klimadebatten. "Obwohl Wasser eine so lebenswichtige Rolle spielt – und sogar die stetige Kohlenstoffbindung in lebenden Baumbeständen ermöglicht – fehlt es leider in Wald- und Wasserwissenschaftskreisen sowie in der Politik oft an dem nötigen Verständnis für die größeren Zusammenhänge auf der Landschaftsebene," beklagt Professor van Noordwijk.
Wo Wasserknappheit herrscht, sollte Wasser in den Mittelpunkt der Diskussionen über die Wald-Klima Beziehungen gerückt werden, zumal sich politische Strategien und Bewirtschaftungsmaßnahmen, die den Wald nur auf seine Funktion als Kohlenstoffspeicher reduzieren, gravierend auf den Wasserhaushalt auswirken können. So wurde zum Bespiel in vielen Aufforstungsprojekten der Wasserbedarf der neu entstandenen Blattfläche nicht berücksichtigt, oder die verwendeten Baumarten kamen mit den Standortbedingungen nicht zurecht. Manchmal wurden schnellwachsende Arten gepflanzt, ohne die Folgen für die örtliche Wasserversorgung zu bedenken.
Wälder können Wasser auch über relativ weite Entfernungen hinweg verteilen. Vergrößert man beispielsweise die Wald- und Vegetationsfläche an einer Küste, die der Hauptwindrichtung zugewandt ist, das heißt, von der aus der Wind die von den Bäumen an die Luft abgegebene Feuchtigkeit in trockenere Regionen landeinwärts transportiert, ist das eine möglich Win-Win-Strategie. Die verfügbare Wassermenge im Nilbecken, zum Beispiel, wird womöglich von Änderungen der Flächennutzung im Tropenwaldgürtel des westafrikanischen Regenwaldes und Kongobeckens beeinflusst. Will man diese Wechselwirkungen zwischen Wald und Wasser nutzen, so müssen Forstwirte, Wassernutzer und andere betroffene Gruppen über hydrologisch zusammenhängende Landschaften hinweg kooperieren.
Veränderungen in den Beziehungen zwischen Wald und Wasser haben auch einen Einfluss auf Qualität und Umfang von Ökosystemleistungen des Waldes wie die Wasserversorgung oder forstliche Produktion, und in der Folge darauf, wo, wie und wem diese Leistungen zur Verfügung stehen. Daher müssen Regulierungen, die Wald und Wasser betreffen, immer auch Fragen von Verteilungsgerechtigkeit, Fairness und Rechten berücksichtigen. Besonders verwundbare und bereits an den Rand gedrängte Bevölkerungsgruppen dürfen keinesfalls weiteren Risiken ausgesetzt werden.
Bei der Entwicklung von Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel wirken sich mögliche Kosten-Nutzen- Abwägungen oder Trade-offs nicht nur auf Holz und Wasser sondern oftmals auch auf die Nichtholzprodukte des Waldes aus. Gerade für ärmere Menschen ist die direkte Nutzung dieser Produkte in vielen Teilen der Welt jedoch existenzerhaltend. Das darf in der aufkeimenden Diskussion über Ökosystemleistungen und das Sicherheitsnetz, das diese vielen Menschen zum Überleben bieten, nicht vergessen werden. Trade-offs werden unweigerlich zu Konflikten führen.
Der Fall des Murray-Darling-Beckens in Südostaustralien ist eines von vielen Beispielen für einen andauernden und immer noch ungelösten Konflikt infolge ökologisch begründeter Wasserzuteilungen. Das Becken mit einer Fläche von über 1 Million km2 (14% der australischen Landmasse) umfasst mehr als 30.000 Feuchtgebiete. Die Einführung strikter Wassernutzungsregeln als Reaktion auf die Gefahr, dass der zunehmende Wasserbedarf die Kapazität des Beckens übersteigen würde, stieß auf den Widerstand der Landwirte, die auf die Bewässerung ihrer Anbauflächen angewiesen sind. Mittlerweile schreitet der Niedergang vieler Auwälder, in denen auch der berühmte Rote Eukalyptus wächst, weiter voran. Die Konflikte zwischen Land- und Wassernutzern bleiben bestehen und viele Waldgebiete, die vorher Auen waren, fallen den alljährlich immer häufiger auftretenden Waldbränden zum Opfer.
Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass internationale Steuerungsmechanismen für optimale Beziehungen zwischen Klima, Wald und Wasser von entscheidender Bedeutung sein können. Sie definieren Standards und Ziele wie die SDGs und bieten Foren, in denen diese diskutiert, verhandelt und vereinbart werden können, und sie ermöglichen eine Erfolgsbewertung. Ebenso bedarf es neuer Formen politischer Zusammenarbeit – besonders über Sektoren und räumliche Einheiten hinweg – sowie stärkerer partizipatorischer Ansätze, damit die Politik mehr auf Strategien der Nachhaltigkeit als auf solche der Gewinnmaximierung setzt.
Der Bericht ortet Lücken im politischen System, das die Zusammenhänge zwischen Klima, Wald und Wasser regelt. Diese Lücken gilt es zu füllen.
Wälder federn Wasserkrisen ab:Bericht und Policy Brief sind hier elektronisch verfügbar.
Die von IUFRO geführte Initiative ‘Global Forest Expert Panels (GFEP)’ der ‘Collaborative Partnership on Forests’ (CPF) richtete eine Expertengruppe zum Thema "Wald und Wasser" ein, um politisch Verantwortliche mit soliden wissenschaftlichen Informationen für Entscheidungen und Maßnahmen, die Wald und Wasser betreffen, auszustatten. Diese Informationen richten sich insbesondere an die relevanten politischen Prozesse und Diskussionen, die sich auf internationaler Ebene der Agenda 2030 für eine Nachhaltige Entwicklung und den zugehörigen Nachhaltigkeitszielen widmen.
Die International Union of Forest Research Organizations (IUFRO) ist eine weltweite Organisation, die sich mit Waldforschung und verwandten Wissenschaften befasst. Ihre Mitglieder sind Forschungsinstitute und Universitäten, einzelne Wissenschaftler und Entscheidungsträger sowie andere Gruppen mit einem thematischen Bezug zu Wald und Bäumen.