Man kann einiges dafür tun, damit jemand da ist, der den eigenen Betrieb weiterführt, wenn man sich selbst irgendwann zurückziehen möchte: Früh genug mit der Suche nach der passenden Nachfolge beginnen, ist dabei das Wichtigste.
David Harm ist 36 Jahre alt und denkt bereits über das Ende seiner unternehmerischen Laufbahn nach. Nicht, dass der Winzer aus Krustetten in Niederösterreich gleich morgen die Weingartenschere aus der Hand legen möchte. Für sein Bio-Weingut und den dazugehörigen Heurigen hat er viele Ideen, die er mit Leidenschaft die kommenden Jahrzehnte umsetzen will. Aber: „Mit einem Hof, den schon Generationen davor bewirtschaftete haben, hat man eine gewisse Verantwortung. Da ist es nicht schlecht, sich früh Gedanken zu machen, wie es weitergehen wird, wenn man sich einmal selber zurückziehen wird.“ Bei Betrieben im Umfeld sieht er, wie schwierig sich die Übergabe an eine*n Nachfolger*in gestalten kann. Das Thema „Übergabe“ werde von vielen hinausgeschoben, unklare Verhältnisse zwischen den Generationen würden auf manchen Höfen für Konflikte sorgen, Junge hätten zwar oft Interesse, fänden aber nicht immer die nötigen Voraussetzungen vor.
DAVID HARM
Das Wichtigste: rechtzeitig planen
Wie selbstverständlich damit rechnen, dass eines seiner drei Kinder einmal den Betrieb übernehmen wird, möchte David Harm nicht. „Natürlich wäre das schön, aber man weiß nicht, wie es einmal kommen wird.“ Möglicherweise werde sein Betrieb in Zukunft auch etwas anders aussehen als jetzt: „Ich denke viel darüber nach, ob es nicht sinnvoll ist, wenn sich mehrere Betriebe zusammentun und die einzelnen Arbeitsfelder untereinander aufteilen. Damit könnte es für eine*n Nachfolger*in einfacher sein, wenn nicht alle Bereiche übernehmen müssen.“
Sich früh genug über die Nachfolge im Unternehmen Gedanken machen
Für den Unternehmensberater Albert Walter Huber ist das eine Grundvoraussetzung für eine gelungene Übergabe. „Das Wichtigste ist, rechtzeitig zu planen. Dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es mit der Nachfolge klappt. Ich kenne Fälle, da wollten Unternehmen innerhalb von zwei bis drei Wochen übergeben. Das ist viel zu kurz“, sagt der Sprecher der Bundes-Experts Group Übergabe-Consultants des Fachverbandes UBIT der Wirtschaftskammer Österreich, zuständig für Unternehmensübergaben. Es sei keineswegs zu früh, bereits zehn Jahre vor einer potenziellen Übergabe damit zu beginnen, Möglichkeiten auszuloten – etwa indem man im Mitarbeiter*innenstab nach einer Person mit Unternehmergeist Ausschau hält. Konkrete Schritte würden die meisten Eigentümer*innen ein bis drei Jahre vor Übergabe setzen.
Verschwiegenheit wahren
Die Suche nach einer Person für die Nachfolge beginne immer in der Nähe, sagt Albert Huber. Der Suchradius sollte sich erst nach und nach ausdehnen: von der Familie zu den Mitarbeiter*innen und schließlich zu Mitbewerber*innen, denen man das eigene Unternehmen verkaufen kann. Und was ist mit Jungunternehmer*innen außerhalb des Unternehmens? Da gäbe es viel Potenzial, weil diese oft höchst motiviert seien, betont Huber. Gleichzeitig gäbe es aber auch eine Menge Nachholbedarf, weil Nachfolger*in und Unternehmen oft nicht zusammenfinden: „Eine Möglichkeit ist hier sicherlich die Nachfolgebörse der WKÖ, auf der man als Übergeber*in oder potentielle*r Nachfolger*in inserieren kann.“ Ganz wichtig: In der Phase der Suche brauche es Verschwiegenheit und anfängliche Anonymität. Weder Kund*innen, Mitarbeiter*innens noch Lieferant*innen müssten wissen, dass das Unternehmen möglicherweise bald eine neue Leitung haben wird. „Mitarbeiter*innen entwickeln schnell Ängste, die sie zur Kündigung bewegen. Mit einem Schlag ist ein Unternehmen vielleicht nichts mehr wert, weil es keine Mitarbeitenden mehr hat.“ Auch ein*e Unternehmensberater*in kann bei der Suche helfen.
ALBERT HUBER
Jungunternehmer*in: wenig Kapital
Rund die Hälfte der Unternehmen, die den Schritt in die nächste Generation schaffen, würden innerhalb der Familie übergeben, sagt Albert Huber, die andere Hälfte an externe Personen oder Unternehmen. Ein*e interessierte*r Mitbewerber*in finde sich fast immer. „Ein gut gehender Betrieb wird gerne von Mitbewerber*innen übernommen, die wegen des Arbeitskräftemangels froh sind, die Mitarbeiter*innen gleich miteinzukaufen. Und für die die Finanzierung meistens kein Problem darstellt, weil sie leicht einen Kredit bekommen.“ Für Eigentümer*innen könne eine solche Übergabe ein lukratives Geschäft, für das Unternehmen selbst viel Umstrukturierungen bedeuten. Jungunternehmer*innen oder engagierte Mitarbeiter*innen würden zwar oft die nötige Leidenschaft, aber wenig Kapital und Sicherheiten für einen hohen Kredit mitbringen. Ansprechpartner wie die Wirtschaftskammer Österreich oder das Austria Wirtschaftsservice informieren über mögliche Förderungen und Finanzierungsmöglichkeiten. Zu bedenken sei auf jeden Fall, dass es mit dem Kauf des Betriebes nicht getan ist, und es meist einen Betriebsmittelkredit braucht, um das Unternehmen weiterzuführen.
Überhöhte Preisvorstellungen
„Eine stufenweise anteilige Übernahme könnte eine innovativere Möglichkeit der Übernahme darstellen“, sagt Huber. „Wenn ein*e Mitarbeiter*in zum Beispiel mit 40 Prozent einsteigt, während der/die alte Eigentümer*in sich zwar aus der Geschäftsführung zurückzieht, mit 60 Prozent aber weiterhin am Gewinn beteiligt bleibt.“ Konstrukte wie dieses würden allerdings ein großes Maß an Planung und klare Vereinbarungen brauchen, damit sich niemand benachteiligt fühlt. Die Finanzierung sei übrigens nicht nur eine der größten Herausforderungen bei Unternehmensübergaben, sondern in vielen Fällen der Grund für das Scheitern dieser: „Bei jenen Unternehmen, die keine*n Nachfolger*in finden, liegt das sehr oft an den Preisvorstellungen der Übergeber*innen, die den Wert ihres Unternehmens überschätzen.“ Hubers Rat: Das Unternehmen anhand objektiver Bewertungsmethoden schätzen und ein Fachgutachten erstellen lassen, das als Verhandlungsgrundlage dient.
Neben der finanziellen Anfangsbelastung lässt die unternehmerische Verantwortung mögliche Käufer*innen häufig zurückschrecken. Leadership-Sharing und Employee-Buyout seien Modelle, die eine Übernahme trotzdem möglich machten. Dass sich ehemalige Mitarbeiter*innen zusammentun, Kapital einbringen und gemeinsam die Geschäftsführung übernehmen, sei zwar nicht sehr verbreitet, habe sich aber in vielen Fällen bewährt, sagt Huber. „Die Verantwortung wird dabei auf mehrere Personen übertragen.“
Employee-Buyout und Leadership-Sharing
Dass Employee-Buyout und Leadership-Sharing ein realistischer Weg zur Unternehmensübernahme sein können, zeigt der unternehmerische Weg von Karin Stummvoll. Die Lehrerin hat 2016 zusammen mit ihrem Lehrerkollegen Kurt Gröller die Humboldt-Maturaschule in Wien gekauft, an der die beiden zuvor unterrichtet haben. Geplant war das eigentlich nicht. Als sie aber aus inoffiziellen Quellen erfuhren, dass der Eigentümer die Schule möglicherweise schließen würde, ergriffen sie die Initiative. „Wir dachten beide, wie schade es wäre, wenn es die Schule nicht mehr geben würde, haben uns zusammengetan und bei der Geschäftsführung angefragt, ob eine Übernahme möglich wäre.“ Nach einigen Monaten intensiver Verhandlungen kauften Stummvoll und ihr Kollege die Schule mittels Bankenfinanzierung. Beide brachten zu gleichen Teilen Kapitalanteile ein und sind zwei vollwertige Gesellschafter*innen. Die Basis für ihre Geschäftsbeziehung: „Wir kennen uns schon sehr lange und vertrauen einander absolut.“
KARIN STUMMVOLL
Keine Einzelkämpfer*innen
Zu zweit wiege die Verantwortung deutlich weniger schwer, sagt Karin Stummvoll: „Es ist eine Erleichterung, dass wir alles besprechen können, dass wir zweimal Ideen haben und keine Einzelkämpfer sein müssen.“ Auch dass ihr Partner und sie nicht immer einer Meinung sind, habe häufig eine positive Seite, weil sie sich mit ihren unterschiedlichen Zugängen gegenseitig befruchten würden. Als ehemalige Mitarbeiterin auf einmal die Geschäftsführung inne zu haben, sei für manche ihrer früheren Kolleg*innen gewöhnungsbedürftig gewesen, erzählt Stummvoll. Grundsätzlich habe die Übernahme als ehemalige Mitarbeiterin aber viele Vorteile: „Wir kannten die Unternehmenskultur, wussten, was wir übernehmen und was wir verändern wollten.“
Auch wenn die Übernahme eines bereits etablierten Unternehmens auf den ersten Blick nicht so aufregend wie die Gründung eines Start-ups erscheint: Unternehmensberater Albert Huber sieht für mutige Menschen hier einen soliden Weg zum Erfolg: „Ein Betrieb, den es schon lange gibt, hat fixe Strukturen, Abläufe, die Dinge funktionieren. Das ist viel wert!“
Sandra Lobnig