Bianca & Paul Kolarik, Luftburg – Kolarik im Prater
Seit 2019 serviert die Luftburg ausschließlich Speisen in Bio Qualität. Mit Wiedereröffnung 2021 sind nun auch alle Getränke auf das 100% Bio-Konzept umgestellt. Jedes Bundesland ist mit einem eigenen Bio-Bier (aus heimischen Rohstoffen) vertreten. Damit ist die Luftburg – Kolarik im Prater das größte bio-zertifizierte Restaurant der Welt.
Zum Kurzvideo mit Bianca und Paul Kolarik
BUSINESSART: Warum haben Sie sich entschieden, auf Bio umzustellen?
Paul Kolarik: Der bewusste Umstieg hat im Jahr 2018 begonnen. Wir hatten damals schon längst Bio-Eier, Bio-Käse und Bio-Milch – quasi den sanften Einstieg gemacht, weil wir das selbst privat auch konsumieren. Die Stadt Wien hat zu dieser Zeit die Initiative „Natürlich gut essen“ gestartet, bei der es für Gastronomiebetriebe, je nach Bio-Anteil, ein Gütesiegel in den Stufen Bronze, Silber und Gold gibt. Die Leute von OekoBusinessWien sind auf uns zugekommen und haben uns gefragt, ob wir da mitmachen möchten. Ein Betrieb in dieser Größe wäre ein toller Leitbetrieb.
Wir sind 2018 mit dem Bronze-Siegel für 30 Prozent Bio-Anteil ausgezeichnet worden und noch im selben Jahr auf 50 Prozent gegangen, was der Silber-Stufe entspricht. 2019 war für uns klar wo der nächste Schritt hingeht – es muss Gold sein. Wir haben dann in kürzester Zeit die komplette Kulinarik in der Küche auf bio umgestellt.
Was war die größte Herausforderung bei der Umstellung?
Paul Kolarik: Das Fleisch. Wir verarbeiten 75 Tonnen Stelzenfleisch im Jahr. Es gab zum Glück einen Lieferanten, der sich dieser Herausforderung angenommen hat. Er hat es geschafft, in Österreich 120 Schweinebauern aufzutreiben, die das gemeinsam stemmen können und uns garantiert, dass wir Jahr für Jahr österreichische Stelzen in Bioqualität bekommen. Wir haben gemerkt, dass wir da ein Volumen steuern, das bereits einen Markt gestaltet. Durch die Abnahmegarantie trauen sich die Bauern dann auch, den Schritt in Richtung bio zu gehen.
Und wie war das bei den Getränken?
Bianca Kolarik: Die Umstellung war die logische Konsequenz. Wenn alles, was aus der Küche kommt, bio ist, müssen wir bei den Getränken auch nachziehen. Das große Thema war das Bier. Wir waren sehr bekannt für das Budweiser Bier, und das ist leider nicht in Bio-Qualität erhältlich. Auf unsere Nachfrage sind wir dort nicht auf offene Ohren gestoßen. Daraufhin haben wir ein österreichisches Bier gesucht, dass 100 Prozent bio ist und sind in Vorarlberg bei der Fohrenburger Brauerei fündig geworden.
Paul Kolarik: Beim Bier ist das für die Landwirtschaft die gleiche Dynamik wie bei den Stelzen. Mit der Sicherheit, dass wir rund 1.500 Hektoliter Bier im Jahr abnehmen, hat die Fohrenburger Brauerei Bauern in Vorarlberg unter Vertrag genommen, die noch mehr Bio-Hopfen produzieren. Das hat schon eine Wechselwirkung, die dafür sorgt, dass der Bioanteil in Österreich immer größer wird. Wir dürfen unseren Beitrag dazu leisten.
Bei Ihnen kann man nun eine Bio-Bierreise durch ganz Österreich erleben.
Paul Kolarik: Wir haben drei Biere vom Fass. Neben dem Hauptbier von Fohrenburger kommt das Zwickl und das Weißbier von der Schladminger Brauerei, und das Dunkle von der Grießkirchner Brauerei. Die anderen Bundesländer sind bei uns mit Flaschenbieren vertreten.
Und wie verlief die Umstellung bei den Getränken abseits vom Bier?
Bianca Kolarik: Für Produkte, die unsere Gäste zu schätzen wussten, Cola etwa, oder Aperol, den es nicht in bio gibt, mussten wir neue Produkte finden, die den Gästegeschmack treffen. Beim Wein wiederum hatten wir die Qual der Wahl, weil schon sehr viele Winzer hervorragende Weine in Bio-Qualität bieten.
Sie sind jetzt das größte bio-zertifizierte Restaurant der Welt.
Paul Kolarik: Das ist zufällig entstanden, das war nicht unser Ziel. Wir haben uns gedacht, dass es nicht viele Betriebe geben wird, die 1.200 Sitzplätze haben und zu 100 Prozent bio sind. Und das ist auch so. In München gibt es eine Veranstaltungshalle, die mit 400 Sitzplätzen hinter uns Platz zwei einnimmt.
Wie gehen Wirtschaft und Klimaschutz für Sie zusammen?
Paul Kolarik: Wir versuchen Schritt für Schritt Lösungen zu finden, wo wir unsere Energiebilanz verbessern können. Das sind Dinge wie eine Wärmerückgewinnung, wir beziehen Strom aus Wasserkraft und haben eine Photovoltaikanlage am Dach. Alle neuen Firmenautos, die wir anschaffen, sind Elektrofahrzeuge, und wir haben sogar ein Bienenvolk bei uns am Dach.
Bianca Kolarik: Obwohl wir im grünen Prater sind, versuchen wir noch mehr zu pflanzen und arbeiten auch viel mit Pflanzen in den Innenräumen. Wir haben das Privileg, dass es für Gastronomiebetriebe in unserer Größe leichter ist, kreativ zu denken und Dinge auszuprobieren, auch wenn sie im ersten Schritt teurer wirken oder sogar sind, als für kleine Betriebe.
Paul Kolarik: Jede Maßnahme zählt! Man muss ja nicht von heute auf morgen klimaneutral sein. Jeder kann den Energieanbieter wechseln oder schrittweise auf Bio- oder regionale Ware umstellen. Es geht nicht darum, dass jeder Mensch plötzlich zehn von zehn Punkten schafft. Wir haben schon ganz viel erreicht, wenn jeder sieben oder acht Punkte schafft. Da muss ein kollektives Bewusstsein geschaffen werden.
Wie wirken sich all die Maßnahmen auf die Preisgestaltung aus? Haben Sie einen Nachteil gegenüber Unternehmen, die das nicht tun?
Paul Kolarik: Nein. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Leute gerne zwei oder drei Euro mehr für die Stelze oder einen Euro mehr für das Schnitzerl bezahlen, wenn sie wissen, dass das bio ist. Das ist gar nicht das Thema. Wir haben entschieden, dass wir den Deckungsbeitrag in absoluten Zahlen halten wollen. Das heißt, wir gehen nicht einfach stupide mit den Prozentsätzen eins zu eins mit, sondern wir wollen mit einem Schnitzerl weiterhin in Summe das gleiche verdienen wie bisher. Wenn wir in Prozentsätzen erhöht hätten, wären so manche Preise explodiert. Was uns heuer auch sehr geholfen hat ist die Reduktion der Umsatzsteuer in der Gastronomie auf fünf Prozent, weil wir damit den Mehrpreis etwas abfedern konnten.
Gibt es noch etwas, dass Sie sich von der Politik wünschen würden?
Paul Kolarik: Der große Wunsch ist, dass nicht die konventionelle Produktion, sondern bio der Standard ist. Der ganze Mehraufwand, den Betriebe mit der Zertifizierung haben, muss wegfallen. Die Herstellung mit Pestiziden und Chemie müsste entsprechend dokumentiert werden, damit dort der bürokratische Aufwand wächst. Viele würden dann wohl nur mehr biologisch wirtschaften.
Bianca Kolarik: Es gab Lieferanten, die sagten, sie würden gerne umstellen oder sie produzieren ohnehin schon biologisch, aber sie könnten oder wollen sich die Zertifizierung und den langen Weg dahin nicht leisten. Das ist schade, weil eine größere Vielfalt im Bio-Bereich wünschenswert ist!
Wie sehr hat sich Corona auf Ihr Unternehmen ausgewirkt?
Paul Kolarik: Das war aus heutiger Sicht eigentlich eine Riesenchance. Wir haben ganz viele Dinge beschleunigt, auch vieles in Frage gestellt. Wir haben das Unternehmen zwischen dem ersten und dem zweiten Lockdown von meiner Mutter übernommen. Als wir dann im Herbst zusperren mussten, das Weihnachtsgeschäft davor schon weggebrochen ist, wussten wir, dass wir jetzt nur nach vorne schauen können. Ich hab‘ immer gesagt: Optimismus ist alternativlos. Es kann ja nur wieder gut werden. Wir haben uns entschieden, einen für das Folgejahr geplanten Umbau vorzuziehen. Billiger konnten wir nicht zusperren, uns ging ja kein Geschäft mehr verloren.
Bianca Kolarik: Man muss dazu auch sagen, dass unserer Mitarbeiter bereit waren, in anderen Bereichen Hand anzulegen und beim Umbau mitzuarbeiten. So ist eine super Dynamik im Team entstanden. Jeder hat sich darauf konzentriert, dass es wieder besser wird. Eins war klar: Irgendwann wird auch dieser Lockdown wieder vorbei sein.
Paul Kolarik: Wir haben jeden Euro, den wir als Unterstützung bekommen haben, sei es aus dem Umsatzersatz oder aus der Investitionsprämie, gleich wieder in die Wirtschaft gesteckt.
Hat die Unterstützung seitens der Regierung für Sie also gepasst?
Paul Kolarik: Aus heutiger Sicht war es sehr treffsicher und auch sehr fair. Ich denke, es konnten viele Betriebe mit dem Geld, das sie bekommen haben, wieder Kraft schöpfen, um in die Saison zu starten. Sinnvoll wäre es, wenn die fünf Prozent Umsatzsteuer noch um ein halbes Jahr, besser ein Jahr verlängert werden, damit die, die den Aufschwung erst jetzt mitbekommen, auch noch partizipieren können. Im Großen und Ganzen würde ich sagen, dass die Hilfe in der Branche gut angekommen ist.
Bianca Kolarik: Wir haben einen großen Gastgarten mit Überdachung, der uns gerade in der Pandemiezeit sehr geholfen hat. Nachdem es wieder losging, haben sich die Leute großteils noch nicht ins Lokal hereingetraut, aber im Freien waren wir von Anfang an gut besucht. Betriebe ohne Gastgarten hatten da sicher einen spürbaren Nachteil.
Was würden Sie aus all Ihren Erfahrungen jungen Menschen mit auf den Weg geben?
Paul Kolarik: Dass man mit frischem Wind an die Sache herangeht und sich nicht auf das verlässt, was die letzten 50 Jahre war. Wer, wenn nicht die Jugend, hat die Kraft, die Welt zu einem Ort zu machen, wo unsere Enkerl gerne leben werden. Ich würde alles in Frage stellen, nachhaltig wirtschaften, auf Regionalität achten. Und auch tun! Ich freue mich über jeden Jugendlichen, der anstrebt, Unternehmer zu werden, Gestalter zu werden.
Was war das schönste Erlebnis für Sie auf Ihrem Weg?
Paul Kolarik: Das sind zumeist die Gästebewertungen, die wir erhalten. Kürzlich hat ein Gast über uns geschrieben: ‚Das ist der Ort, an dem Kinder sein wollen und Eltern unterhalten werden.‘ Das trifft es genau auf den Punkt. Es ist schön, dass wir ein Produkt, ein Erlebnis schaffen konnten, dass am Ende genauso angenommen wird, wie wir uns das vorgestellt haben. Wir sind selbst Eltern von drei Kindern und wir wollten einen Betrieb schaffen, der nicht nur ein großer Biergarten ist, sondern wo man in jeder Lebenslage gerne hergeht – zur Taufe, zur Firmung, zum Geburtstag oder um ein gutes Geschäft zu feiern.
Was ist der Leitsatz Ihres Lebens?
Paul Kolarik: Wir haben einen Leitsatz für unser Unternehmen kreiert, der da lautet: Gastfreundschaft spürbar nachhaltig.
Bianca Kolarik: Man muss schon auch sagen: Wir sind ein Gastronomiebetrieb. Bei aller Nachhaltigkeit und Bio – das Wichtigste ist immer noch, dass man gerne hergeht, dass man sich wohlfühlt, dass die Mitarbeiter gerne bei uns arbeiten.
Und gibt es auch einen persönlichen Leitsatz, der nichts mit der Luftburg zu tun hat?
Bianca Kolarik: Stillstand gibt’s nicht. Wir sind einfach immer in Bewegung.
Paul & Bianca Kolarik
- Kolariks Freizeitbetriebe GmbH, Wien
- Branche: Gastronomie
- Anzahl der Mitarbeiter*innen: 80
- Website: www.kolarik.at
Das Interview führte Christian Brandstätter gemeinsam mit Maria Milodanovic und Monika Pejic.