Rund um CO2 entwickeln sich global neue Finanzmärkte. Das ist – neben der Bedeutung für Ratings (z.B. Ecovadis, Carbon Disclosure Project), Kund*innen und Banken, die neben zahlreichen ESG-Kennzahlen auch klare Klimaziele und Reduktionsstrategien fordern – einer von vielen Gründen, warum eine CO2-Bilanz bald denselben Stellenwert haben muss wie die finanzielle Bilanz eines Unternehmens.
Denn immer mehr Regulierungen schreiben vor, dass Unternehmen ihre Finanzberichterstattung um Klimakennzahlen erweitern müssen. So der Europäische Green Deal in Form der CSRD, der Taxonomie, der CSDDD, des CBAM. Auch auf Produkten ist der CO2-Fußabdruck bald verpflichtend anzugeben (Digitaler Produktpass) bzw. muss dieser korrekt berechnet und kommuniziert werden (Green Claims Directive). CO2 kostet also nicht nur Geld – sämtliche CO2 -Preise (ETS, freiwilliger Markt, nationale Märkte) steigen tendenziell stetig – es muss auch strategisch als wettbewerbsrelevanter Performance-Indikator mitgedacht werden.
Für das bilanzierende Unternehmen selbst liegt der große Mehrwert im Kennenlernen der eigenen „CO2-Problemzonen“ entlang der Lieferkette, die (in der Regel) so im Detail noch nie durchleuchtet wurde. Stichwort: Scope 3. Diese Informationen decken Dekarbonisierungspotenziale und Verantwortlichkeiten auf, die zuvor meist unbekannt waren. Vor allem aber wird die Basis für ein zielgerichtetes Nachhaltigkeitsmanagement geschaffen.
Das große Ziel ist, die CO2-Emissionen eines Unternehmens sowie der Produkte möglichst rasch und stetig zu senken, um langfristig Klimaneutralität zu erreichen – und das nicht nur im direkten Wirkungsumfeld (eigene Standorte, Fuhrpark etc.), sondern entlang der gesamten Wertschöpfungskette, vor und nachgelagert!
Eine erste Bilanz liefert das Basisjahr, auf dessen Gesamtsumme (Scope 1 bis 3) bezogen reduziert werden muss. Das Basisjahr zeigt den Status quo, also: Wo stehe ich, um wiederrum ableiten zu können, wieviel mein Unternehmen (pro Jahr) reduzieren muss, um die Klimaziele zu erreichen. Als Basisjahr sollte ein möglichst repräsentatives Geschäftsjahr gewählt werden. Weiter ist zu bedenken, dass erste Analysen gewisse Unsicherheiten enthalten, die aufgrund von z.B. mangelnder Datenbasis in den Folgejahren präzisiert werden müssen. Daher ist es ratsam, konservative Annahmen und Werte zu bilanzieren und die Bilanzen extern prüfen oder verifizieren zu lassen. Das bringt wiederum extra Punkte für Ratings.
Übrigens: Hat man keinen CCF mit eigenen Aktivitätsdaten (tatsächliche Energieverbräuche, Einkaufsmaterialien, Transportdaten laut Rechnungen etc.) vorliegen, ist es üblich, auf generische Werte (z.B. Branchendurchschnitte) zurückzugreifen. Das kann sich in der Folge direkt auf Preise oder Auftragsvergaben auswirken. Je früher man also beginnt, eigene Daten zu erheben, umso besser und genauer können diese Prozesse ablaufen.
Sandra Gottschall
KOCHREZEPT FÜR EINEN CORPORATE CARBON FOOTPRINT
DIE ZUTATEN
Die Basis: Das GHG Protocol
Unternehmensübergreifendes Team aus den Bereichen Umwelt, Energie, HR, Einkauf, Logistik, Verkauf, Finanz, Controlling etc.
Zeit und Ressourcen reservieren: Unterschätzen Sie den Aufwand von ersten Bilanzen nicht.
Aktivitätsdaten, wie z.B. alle Energieverbräuche und Energiequellen, Kühlmittelmengen, Abfalldaten, Wasserverbrauch, Geschäftsreisen (Transporte, Anzahl der Hotelnächte), eingekaufte Güter, Logistik-Kilometer und Transportmodi und viele mehr (siehe GHG Protocol)
Datensystematik: bestenfalls nach GHG-Protocol aufge- baut und für mehrere Standorte und Jahre nutzbar
Systemgrenzen: Was müssen und wollen Sie bilanzieren?
Datenbanken für Emissionsfaktoren finden Sie hier: Umweltbundesamt, Gemis, Probas, Ecoinvent u.a.
DIE ZUBEREITUNG
Schritt 1: Taskforce und Projektplan erstellen. Zum Projektstart in Form eines Kick-offs alle abholen und in das Thema einführen.
Schritt 2: Sammeln Sie so viele Aktivitätsdaten wie möglich und ordnen Sie diese der Scope 1 bis 3-Systematik zu.
Schritt 3: Führen Sie eine Wesentlichkeitsanalyse für die Scope 3-Emissionen durch. Es müssen nur die wesentlichen Emissionskategorien bilanziert werden! Als Orientierung können auch Bilanzen der Mitbewerber*innen dienen.
Schritt 4: Berechnen Sie das Treibhauspotenzial (in CO2-Äquivalenten) der erfassten Unternehmensdaten mit geeigneten Emissionsfaktoren. Vermerken Sie immer die Quelle der Faktoren. Beginnen Sie bei der Berechnung mit Scope 1 und 2.
Schritt 5: Scope 3-Berechnungen werden zum Teil einfach fallen (z.B. Abfall, Mitarbeiter*innen-Mobilität). Zum Teil müssen Daten vielfach erst geordnet, hochgerechnet oder Annahmen getroffen werden. Wichtig: Dokumentieren Sie jeden Schritt und jede Zwischenrechnung für die Transparenz und Nachvollziehbarkeit im Folgejahr oder ggf. für eine externe Prüfung.
Schritt 6: Die Bilanzierung der ermittelten Werte können Sie als Ihren ersten Carbon Footprint darstellen. Legen Sie das Augenmerk auf Ihre Hotspots und setzen Sie erste Reduktionsmaßnahmen, dort wo Sie direkt Einfluss nehmen können.
FAQ ODER
HARTNÄCKIGE MYTHEN
ZU CCF
Wie unterscheiden sich CCF und PCF (Product Carbon Footprint)?
- Der CCF zeigt die Gesamtauswirkungen Ihres Unternehmens auf die Klimakrise, er ist außerdem eine wichtige Basis für einen PCF.
- Der PCF ist granularer und zoomt auf die CO2-Intensität bestimmter Produkte oder Dienstleistungen entlang des Lebenszyklus in unterschiedlicher Tiefe hinein.
Wie genau ist das Ergebnis eines CCF?
Unter den Umweltanalysen ist der CCF eine vergleichsweise genaue Methode. Jedoch sind die Werte nie so exakt wie zum Beispiel bei einer Energie- oder Luftschadstoffmessung. Das gilt vor allem bei Scope 3. Je nach Datengrundlage ist das Ergebnis oft nur eine Annäherung und zeigt Größenordnungen, keine exakten Werte. Für die Dekarbonisierung ist das aber auch nicht notwendig. Schließlich sollte der Fokus auf einer raschen Emissionsreduktion liegen und dafür genügt die Aussagekraft jedenfalls.
Ich habe nun meine erste Bilanz erstellt. Wie gut oder schlecht bin ich im Vergleich mit meinen Mitbewerber*innen?
Da CO2-Bilanzen noch nicht lange verpflichtend durchgeführt werden müssen, gibt es noch große Qualitäts- und Methodenunterschiede. Derzeit braucht es hier einen Expert*innenblick, denn die Komplexität eines Vergleiches ist ähnlich hoch wie eine Scope 3-Bilanzierung an sich.
Ist mein CCF zu hoch?
Vermutlich ja! Darum geht es in Erstbilanzen aber nicht. Es geht darum, das eigene Emissionsprofil zu verstehen und Hebel zu identifizieren, wie Emissionen schrittweise reduziert werden können.
Werden Scope 3-Emissionen doppelt gezählt, wenn sie in meiner Bilanz und in die meines Lieferanten einfließen?
Nein. Es ist richtig, dass die Emissionen von beiden Akteuren bilanziert werden müssen, aber es wird keine Summe davon gebildet. Zweck ist es vielmehr, auf beiden Seiten Druck aufzubauen, diese Emissionen zu reduzieren, denn verantwortlich sind alle beteiligten Akteure. Es geht auch darum, das Kooperationspotenzial zu erkennen, um die notwendigen Schritte gemeinsam einzuleiten.
LINKS:
DIE KLIMAWIRKSAMKEIT EINES ARBEITSTAGES
Quellen: Umweltbundesamt Deutschland & Österreich, Fraunhofer Institut, IFEU, FIBL, All you can eat for climate.
Wie Sie Ihren täglichen Klima-Impact reduzieren und gleichzeitig auch die Klimabilanz
des eigenen Unternehmens positiv beeinflussen können.