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Wie Sie die neuen Anforderungen managen.

In der Luft schwebende Kugeln. Im Vordergrund steht: Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD).
Foto: shubham-dhage-vmutd64tpke-unsplash

Der Weg zur CSRD-Konformität ist für viele eine lange Reise, die nur mit solider Planung zum Ziel führt. Gerade der Klimastandard setzt gutes Timing voraus. Dazu haben wir die denkstatt-Expert*innen Carina Schneeberger und Constantin Saleta befragt. Die CSRD-Spezialistin und der Associate Manager für Klimastrategie erklären, was die größten Herausforderungen sind, und wie der CSRD-Fahrplan aussieht.

Die Grafik zeigt mit grafischen Symbolen den Weg vom Bewusstsein über die Wesentlichkeitsanalyse zur Gap Analyse dann zur ImplementierungsRoadmap bis zu konrketen Projekten.
Grafik: denkstatt

BUSINESSART: Sie beraten Unternehmen zur CSRD. Was sind die wichtigsten Änderungen in Bezug auf die Berichtsinhalte?

Carina Schneeberger: Kurz gesagt: Die CSRD sorgt dafür, dass die Offenlegungspflichten stark ausgeweitet werden. Es gibt zum ersten Mal verpflichtende Standards, die European Sustainability Reporting Standards (ESRS), sowohl sektorübergreifende als auch sektorspezifische. Eigene KMU-Standards sind auch geplant. Die Entwürfe der Standards geben die Offenlegung von Policies, Zielen, Maßnahmen und quantitativen Kennzahlen vor. Das Wort „Entwürfe“ ist übrigens ein wichtiger Punkt: Änderungen durch die EU-Kommission sind möglich und nicht unwahrscheinlich, auch weil noch vereinzelt Diskrepanzen mit anderen internationalen Standards bestehen.

Hält man sich aber vor Augen, dass Unternehmen in der EU bisher freie Wahl hatten, ob und nach welchem Standard sie berichten, ist die verpflichtende Anwendung der ESRS schon eine ziemliche Herausforderung. Anstatt sich wie bei GRI die Indikatoren auszusuchen, sind die Inhalte nun vorgegeben. Aber was man definitiv sagen kann: Eine Berichterstattung nach GRI ist bereits ein erster Schritt in Richtung CSRD-Compliance. Diese Unternehmen werden es leichter haben. Die Ergebnisse der Wesentlichkeitsanalyse entscheiden, welche der ESRS tatsächlich anzuwenden sind. Und hier gibt es auch wichtige Änderungen durch die doppelte Wesentlichkeit.

Was heißt doppelte Wesentlichkeit und welche Herausforderungen gehen damit einher?

Schneeberger: Doppelte Wesentlichkeit bedeutet, dass Unternehmen ihre Themen nun aus zwei Perspektiven betrachten: aus der bekannten Impact-Perspektive und neuerdings aus der finanziellen. Ist ein Thema aus einem dieser Blickwinkel wesentlich, gehört es in den Geschäftsbericht.

Neu ist also die Frage: Hat das Thema Einfluss auf meinen Cashflow, auf die Kapitalkosten oder auf meinen Zugang zu Finanzmitteln? Manche Unternehmen tun das schon. Aber es wird durch die CSRD eine neue regulatorische Verpflichtung. Und um das zu bewerten und abzubilden, ist die Einschätzung von Fachexpert*innen gefragt. Außerdem braucht es eine gute Dokumentation, da der Inhalt einer externen Prüfung standhalten muss. Der Klimastandard, ESRS E1, ist hier in seiner Tragweite sicherlich hervorzuheben.

Warum nimmt der Klimastandard eine besondere Rolle ein und wie lassen sich die Anforderungen im Vergleich zu bestehenden Standards einordnen?

Constantin Saleta: Die CSRD legt fest, dass das Klimathema für alle Unternehmen wesentlich ist. Damit ist der Klimastandard der einzige, der von allen betroffenen Unternehmen zu berichten ist. Die Reporting-Anforderungen lassen sich grob in zwei Bereiche teilen: Klimaschutz und Klimarisiken.

DI Constantin Saleta, Experte für Klimastrategien auf Basis von Science-based Targets.
DI Constantin Saleta begleitet seit vielen Jahren Unternehmen bei der Transformation hin zu einer CO2-freien Wirtschaft. Als Associate Manager und International Service Lead der denkstatt Gruppe gilt er als Experte für Klimastrategien auf Basis von Science-based Targets, Management von klimabezogenen Risiken und Chancen (TCFD) und nichtfinanzielle Berichterstattung (GRI, NFRD etc.). Foto: Arthur Michalek / denkstatt
Die Vorgaben orientieren sich zum Teil an aktuellen Standards, die bisher noch freiwillig sind, mit denen wir bei denkstatt aber schon lange arbeiten. Science-based Targets sind zum Beispiel ein Must-have. Es zeigen sich auch Überschneidungen mit dem GHG Protocol und den TCFD-Empfehlungen. Wobei der ESRS E1 Klimastandard all diese Anforderungen kombiniert und teilweise noch darüber hinausgeht.

Internes Bewusstsein ist
sicher die Basis.
Viele Nachhaltigkeitsbeauftragte
haben das schon.
Aber es muss sich bis
in die Entscheidungsgremien
ziehen.

CONSTANTIN SALETA


Was fordert der Klimastandard konkret?

Saleta: Zuerst braucht es einen vollständigen, jährlich berechneten Treibhausgas-Fußabdruck nach GHG Protocol, inklusive Scope-3-Emissionen. Unternehmen müssen also die gesamte Wertschöpfungskette berücksichtigen. Der Fokus liegt dann auf den Hotspots und die sind unternehmensspezifisch festzustellen.

Dann fordert der Klimastandard eine Dekarbonisierungsstrategie, die science-based sein und alle Bereiche („Scopes“) umfassen muss. Die Reduktionspfade der Unternehmen müssen mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar sein und auf das große Meilensteinjahr 2030 ausgerichtet werden. Langfristige Neutralitätsziele bis 2050 sind aktuell noch optional. Zusätzlich wird eine Klimarisikoanalyse vorausgesetzt. Diese Anforderungen erinnern sehr stark an die TCFD-Empfehlungen. Es geht also um klimabezogene Risiken und Chancen sowie die Anpassungsmaßnahmen eines Unternehmens, die zu mehr Klimaresilienz führen.

Und dann gibt es noch viele andere Themen zum generellen Klimamanagement. Dazu gehören Aspekte wie die Koppelung der Managemententlohnung an die Klimaperformance. Angaben zum internen CO2-Preis und die Strategie zum Umgang mit CO2-Zertifikaten sind offenzulegen. Für die Klimaziele nach CSRD dürfen CO2-Zertifikate übrigens nicht angerechnet werden.

Unsere Erfahrung zeigt, dass aktuell nur ein Bruchteil der Unternehmen diesen Anforderungspaketen entspricht. Und das sind schon die fortschrittlichsten. Viele Unternehmen fangen aber jetzt an, sich vorzubereiten. Denn sie wissen, dass viel zu tun ist, bis alle Analysen wirklich robust und die Ergebnisse belastbar sind. Schließlich finden sich die Informationen in einem prüfpflichtigen und öffentlich einsehbaren Bericht wieder.

Hervorzuheben ist auch die Verknüpfung mit der Finanzberichterstattung. Das ist etwas ganz Neues. Unternehmen müssen zum Beispiel ihre Klimatransitionspläne und die Kosten dafür offenlegen. Das haben wir für Unternehmen schon häufig erarbeitet – aber nur für interne Zwecke. Das zu veröffentlichen, ist für unsere Kund*innen neu. Diese Einschätzungen basieren auf dem EFRAG ESRS E1 Klimastandard. Was dann konkret als Regulative kommt, werden wir sehen.

Basierend auf Ihren Erfahrungen aus der Beratung: Was können Unternehmen jetzt schon tun?

Saleta: Wir sehen ein paar wesentliche Aspekte, die für den CSRD-Fahrplan wichtig sind und mit denen Unternehmen jetzt schon starten können. Internes Bewusstsein ist für das Thema sicher die Basis. Viele Nachhaltigkeitsbeauftragte haben das schon. Aber es muss sich bis in die Entscheidungsgremien ziehen. Die Führungsorgane müssen schließlich die Ressourcen bereitstellen und Entscheidungen treffen. Gemeinsame Workshops mit dem Management sind eine gute Gelegenheit, um Bewusstsein und Klarheit zu schaffen, was relevant ist. Dabei hilft die Wesentlichkeitsanalyse. Aus den Hauptanforderungen und dem Status quo sind dann die Gaps und eine Roadmap abzuleiten. Der CSRD-Fahrplan zeigt dann, wie diese Gaps durch Arbeitspakete bis zur Berichtspflicht geschlossen werden können.

Schneeberger: Diese Arbeitspakte sind oft größere Projekte, wie zum Beispiel beim Datenmanagement. Denn die Datenbeschaffung geht bis in die Lieferkette hinein. Hier prüffähige Kennzahlen zu erheben, wird ein großes Thema sein. Und – anders als bei der EU-Taxonomie – gibt es für die ESRS noch keine Peers, an denen sich Unternehmen orientieren können.

DI Carina Schneeberger, Consultant bei denkstatt.
DI Carina Schneeberger begleitet als Consultant bei denkstatt Kund*innen verschiedenster Branchen im Bereich Nachhaltigkeitsreporting und Datenmanagement und ist spezialisiert auf Themen rund um die CSRD. Foto: Arthur Michalek / denkstatt
Die CSRD ist für alle Neuland und wenn wir einem Unternehmen nur eine Sache raten, würden wir sagen: Sie können gar nicht früh genug anfangen. Eine Wesentlichkeitsanalyse durchzuführen, CSRD-Gaps herauszufinden und einen ersten Fahrplan aufzusetzen, ist schon jetzt möglich. Dies gilt insbesondere für den für alle Unternehmen zu berichtenden Klimastandard. Auch wenn die ESRS als delegierte Rechtsakte noch nicht vorliegen, schafft das alles einen Zeitvorsprung. Den sollten die Unternehmen nutzen.

Sie können gar nicht früh genug anfangen.
Eine Wesentlichkeitsanalyse durchzuführen,
CSRD-Gaps herauszufinden und einen ersten
Fahrplan aufzusetzen, ist schon jetzt möglich.

CARINA SCHNEEBERGER


Glossar & Links

// CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive): EU-Richtlinie zur Ausweitung der derzeit geltenden Berichterstattungsverpflichtungen. EUR-Lex - 32022L2464 - EN - EUR-Lex (europa.eu)

// ESRS (European Sustainability Reporting Standards): Durch die CSRD verpflichtend anzuwendende Berichterstattungsstandards, die durch die EFRAG entwickelt werden. First Set of draft ESRS - EFRAG

// EFRAG (European Financial Reporting Advisory Group): Organisation, die mit der Ausarbeitung der verpflichtend anzuwendenden Berichterstattungsstandards beauftragt wurde. Home - EFRAG

// GHG Protocol (Greenhouse Gas Protocol): Standards zur Berechnung von Scope-1 bis 3 -Emissionen. Greenhouse Gas Protocol | (ghgprotocol.org)

// TCFD-Empfehlungen (Task Force on Climate-Related Financial Disclosures-Empfehlungen): Arbeitsgruppe, die unter anderem Empfehlungen zur Offenlegung klimarelevanter Informationen veröffentlicht. Task Force on Climate-Related Financial Disclosures | TCFD) (fsb-tcfd.org)