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Das Rätsel um die CO2-Zertifizierungen

Wieso Zertifikate aus Österreich nicht angerechnet werden.

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Klaus Reisinger, neuer CEO von ClimatePartner Austria Foto: Klaus Reisinger

Eines ist klar: Am Anfang steht die Vermeidung und die Reduktion von Emissionen, und erst danach kommt bei einer ganzheitlichen Klimaschutzstrategie die Kompensation von CO2-Emissionen durch den Kauf von CO2-Zertifikaten. Soweit so klar. Aber jetzt geht’s los mit den Fragen: Wie erkenne ich, ob ein Anbieter / ein Projekt seriös ist? Und wieso werden österreichische Projekte nicht anerkannt? Darüber haben wir mit Klaus Reisinger, dem Gründer und Gesellschafter von ClimatePartner Austria, gesprochen.

BUSINESSART: Wie funktionieren CO2- Ausgleich und Zertifikatehandel?

Klaus Reisinger: CO2 hat in unserer Atmosphäre eine durchschnittliche Verweildauer von weit mehr als 100 Jahren und verteilt sich gleichmäßig. Egal, wo CO2 ausgestoßen wird, es kann an jeder anderen Stelle CO2 wieder gebunden werden. Daher ist es naturwissenschaftlich nachvollziehbar, dass CO2, welches ein Unternehmen verursacht, durch Klimaschutzprojekte an anderer Stelle einzusparen und sich diese Einsparung auf die eigene Klimabilanz „anrechnen zu lassen“. Dies wurde bereits bei der Konferenz in Kyoto 1997 vereinbart.

Der Handel mit Zertifikaten funktioniert ähnlich wie der Handel mit Aktien an der Börse: Ein Marktteilnehmer hat Zertifikate zu verkaufen, ein anderer benötigt diese und die Zertifikate können zu einem vereinbarten Marktpreis gehandelt werden.

Was ist das Ziel des Handels mit CO2-Zertifikaten?

Ziel ist, das CO2-Niveau in der Atmosphäre möglichst niedrig zu halten. Daher soll der weltweite CO2-Ausstoß so schnell wie möglich reduziert werden. Erreicht werden soll das durch die kontinuierliche Reduktion von Zertifikaten. Gleichzeitig mobilisiert der Handel wichtige Finanzmittel, die für den Klimaschutz dringend gebraucht werden.  

Wer ist verpflichtet, Zertifikate zu kaufen?

Man muss zwei verschiedene Systeme unterscheiden: den „Compliance Market“ und den „freiwilligen Klimaschutzmarkt“.

Zum Compliance Market: In EU- Europa sind vorwiegend Industriebetriebe und Energieerzeuger betroffen. Die entsprechende EU- Emissionshandelsrichtlinie limitiert den Ausstoß der betroffenen Betriebe seit 2005. Wenn ein Unternehmen mehr CO2- Zertifikate benötigt als zugeteilt, dann müssen Zertifikate von anderen Marktteilnehmern erworben werden, welche die festgelegte Grenze an CO2-Emissionen wiederrum unterschreiten. In diesem System hat sich der weltweit größte CO2-Markt entwickelt. Im März 2023 wurde für diese Zertifikate erstmals die Grenze von 100,00 € pro Tonne überschritten, inzwischen ist der Preis aber wieder etwas gesunken.

Weiters gibt es im „Compliance Market“ einen Markt, bei welchem Staaten miteinander handeln. Er wurde bei den Kyoto-Nachfolgekonferenzen geregelt, kam nach dem „de-facto-Auslaufen“ des Kyoto- Protokolls 2012 fast vollständig zum Erliegen und nimmt jetzt – als Folge des Klimaabkommens von Paris – wieder Fahrt auf.

Welche Arten von CO2-Zertifikaten gibt es?

Es gibt eine Vielzahl von Zertifikaten, man kann sich das ähnlich vorstellen wie unterschiedliche Währungen (EURO, Dollar, Franken, …). Alle Zertifikate haben aber eine Gemeinsamkeit: Es geht um eine „metrische Tonne CO2“, die durch Klimaschutzprojekte eingespart wird.

Alle „CO2- Währungen“ haben unterschiedliche Preise, man kann sie auch für unterschiedliche Sachen verwenden.

Einige Zertifikate werden nur in bestimmten Märkten akzeptiert. Die häufigsten sind EU-ETS-Zertifikate, welche von EU-Industriebetrieben gehandelt werden. Diese haben gegenwärtig auch den höchsten Preis, da der Markt schrittweise verknappt wurde, der EU-ETS Markt existiert bereists seit 2005.

Aber es gibt auch freiwillige Klimaschutzzertifikate?

Ja, über den Compliance-Markt hinaus, gibt es zusätzlich einen „freiwilligen Markt“. Wie aus dem Namen schon hervorgeht, können Unternehmen diesen Markt freiwillig für sich nutzen, sind allerdings nicht dazu verpflichtet. Dieser wachsende Markt für „freiwillige Klimaschutzzertifikate“ gewinnt zunehmend an Bedeutung und ermöglicht Unternehmen außerhalb von gesetzlichen Verpflichtungen Beiträge zum Klimaschutz zu leisten. Die Standards in diesem freiwilligen Markt haben Großteils die Methodiken der verpflichtenden Märkte übernommen, trotzdem ist dieser Markt in einem geringeren Ausmaß geregelt als der EU-ETS- oder der „Kyoto- Markt“. 

Wer sind die wichtigsten Anbieter im freiwilligen Markt?

Im DACH- Raum ist sicher ClimatePartner einer der wichtigsten Anbieter im freiwilligen Markt, andere Marktteilnehmer sind beispielsweise „myclimate“, oder „atmosfair“.

Wer erkennt welche Zertifikate an und welche nicht?

Innerhalb von EU- Europa werden im gesetzlichen Markt nur EU-ETS-Zertifikate akzeptiert, es ist politisch nicht gewollt, von außerhalb Zertifikate zuzuführen, da dies dem Verknappungsgedanken widersprechen würde.

Im freiwilligen Markt wird eine Vielzahl von Zertifikaten (Gold- Standard, VCS-bzw. Verra- Standard, Social Carbon Standard, etc.) gehandelt und akzeptiert. Dieser Markt sollte meiner Meinung nach unterstützt werden, da er für alle Unternehmen (und auch für Privatpersonen) offen ist und somit jeder eine Möglichkeit hat CO2- Minderungsprojekte zu unterstützen. Gegenwärtig gibt es aber von Seiten der Politik (und auch von manchen NGOs) leider wenig Bereitschaft, den freiwilligen Markt zu unterstützen.

Was spricht gegen eine Stärkung des freiwilligen Marktes?

Die Sorge vieler Umweltschützer ist, dass Unternehmen sich einfach "freikaufen" und gleichzeitig weitermachen wie bisher. Diese Sorge ist verständlich. Zum ganzheitlichen Klimaschutz gehört, CO2 -Emissionen so weit wie möglich zu vermeiden und unvermeidbare Emissionen zu reduzieren. Die Emissionen, die auch dann noch als Rest verbleiben, müssen ausgeglichen werden. Gleichzeitig gibt es aktuell keine Möglichkeit emissionsfrei zu produzieren.

Der Ausgleich an den „restlichen“ CO2 Emissionen ist somit erst der letzte Schritt. Je mehr Unternehmen und Privatpersonen Emissionen ausgleichen und dafür Klimaschutzprojekte unterstützen, umso günstiger ist es für das Klima. Daher ist eine Investition in den freiwilligen Klimaschutz wesentlich besser, als gar nichts zu tun!

Projekte in Österreich sind also nur für den freiwilligen Markt geeignet?

In Österreich gibt es viele sinnvolle Initiativen, die mit großer Leidenschaft und viel Engagement Waldschutzprojekte oder Projekte im Bereich der Landwirtschaft unterstützen. Aber für den gesetzlichen Markt sind sie aufgrund der EU-Regelungen nicht geeignet.

Aber auch für den freiwilligen Markt sind die Hürden hoch: Viele dieser regionalen Projekte erfüllen die strengen Kriterien nicht, die international verlangt werden und werden daher nicht zertifiziert. Ohne Zertifizierung werden sie aber von vielen Anbietern im freiwilligen Klimaschutz nicht ins Angebot aufgenommen. Eine Anforderung ist beispielsweise die Überprüfung durch eine unabhängige Prüfeinrichtung. Diese kostet oftmals weit mehr als 10.000 Euro pro Prüfung und daher rechnet es sich meist nicht, kleinere und regionale Projekte zertifizieren zu lassen. Ein weiterer Grund ist, dass lokale Projekte die Anforderung nach Zusätzlichkeit nicht erfüllen, da die Emissionseinsparungen bereits durch das Land Österreich beansprucht wurden.

Alle lokalen Initiativen sind aber trotzdem sinnvoll und leisten einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz.

Gibt es eine Möglichkeit, in Österreich zu investieren?

Ja, diese gibt es, da man aber bei österreichischen Projekten oft keine CO2- Zertifikate bekommt, wird „kombiniert“. Das bedeutet, dass ein Unternehmen einen bestimmten Betrag in Klimaschutzprojekte investiert, wobei ein Teil des Geldes für international zertifizierte Klimaschutzprojekte verwendet wird, und so die für einen bilanziellen Ausgleich notwendige Menge an CO2-Zertifikaten tatsächlich gekauft wird. Zusätzlich dazu wird ein regionaler Klimaschutzbeitrag erhoben, welcher in österreichische Projekte fließt. Dort kauft man dann zwar keine „zertifizierten Tonnen“, das regionale Klimaschutzprojekt kann aber durch so eine „Kombination“ trotzdem unterstützt werden.

Weiterführende Links:

DI Dr. Klaus Reisinger ist Gründer und CEO von ClimatePartner Austria. https://www.climatepartner.com/de