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Das Problem mit den Nachhaltigkeitsberichten

Warum die meisten Reports heimischer Unternehmen dem NaDiVeG nicht gerecht werden.

Beate Steiner

Blaue, blaugründe und grüne Wasserbläschen. Darüber der Text
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Es ist kein gutes Zeugnis für die Nachhaltigkeitsberichte österreichischer Unternehmen: Eine Studie des Center for Responsible Management, die Gabriele Faber-Wiener in Zusammenarbeit mit der IMC FH Krems und einer Masterarbeit durchgeführt hat, zeigt die Defizite der Reports in vielen Bereichen — obwohl einige sogar beim ASRA ausgezeichnet wurden. „Sichtbar wird damit auch, dass selbst hohe Standards wie der angewandte GRI-Standard, kein Ersatz für echten Dialog und Reflexion sind“, so Gabriele Faber-Wiener.

Die Management- und Kommunikationsexpertin kritisiert vor allem die CEO-Statements. Die notwendige Selbstreflexion findet sich in kaum einem Report, dafür Selbstlob in allen. Über negative Auswirkungen (gemäß EU-CSR-Strategie) wird nicht berichtet, auch nicht über Probleme und Herausforderungen. „Ausgewogene Information ist ebenfalls wenig zu finden, die meisten CEOs berichten nur aus ihrer eigenen Perspektive, kaum einer erwähnt andere Quellen“, heißt es in der Studie.

Diese hat außerdem herausgefunden, dass sich die meisten Unternehmen an der EU-CSR-Definition von 2001 und nicht an jener von 2011 messen – und daher nicht auf ihre gesellschaftliche Verantwortung fokussieren. Kaum ein Unternehmen bezieht sich auf die Auswirkungen auf die Gesellschaft als Grundlage des Reports. „Die meisten setzen auf einen Mix aus Vision, Strategien und Zielen – wenn die Basis schwach ist, ist der ganze Report schwach“, schlussfolgert die Studie.

Drei Ursachen

Faber-Wiener sieht drei Ursachen in der geringen Glaubwürdigkeit der Berichte. Erstens sei die verpflichtende Berichterstattung bei ihrer Einführung falsch kommuniziert worden, „nämlich negativ und als zusätzliche Bürde für Unternehmen und nicht als Chance“, so Faber-Wiener. Daher würden viele Betriebe den Bericht machen, weil sie müssen und nicht, weil sie damit zu neuer Qualität kommen wollen. Dafür wären andere Einsichten und Strategien nötig und auch eine Auseinandersetzung mit der Verantwortung des Unternehmens.

Zweitens habe Österreich nur in letzter Sekunde den EU-Standard übernommen, ohne eigene Akzente zu setzen — verbindliche Richtlinien und eine nationale Ausgestaltung dieser Rahmenbedingungen hätten mehr Transparenz gebracht.

Und drittens würden wichtige Punkte der Nachhaltigkeitsberichterstattung kaum kommuniziert und thematisiert. Dazu zählt die Frage, was einen Bericht glaubwürdig macht, nämlich Selbstkritik und echte Auseinandersetzung mit Auswirkungen. „Das sind Dinge, die man nicht an Agenturen delegieren kann, weil sie essenzieller Bestandteil der Unternehmenskultur und von Unternehmensprozessen sind“, so Faber-Wiener.

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Es fehlt an Commitment und professionellem Qualitätsmanagement

Harald Reisinger, Nachhaltigkeitsberater, sieht das ähnlich. Nachhaltigkeit sei eine Frage der inneren Haltung. „Es braucht ein Commitment der Unternehmensführung zur Nachhaltigkeit: ein gewisses Maß an Besorgtheit, um die Welt und den Wunsch, die Dinge im eigenen Einflussbereich zu verbessern. Wenn ich Nachhaltigkeit nur betreibe, weil sie jemand vorgibt, wird sich nicht viel verbessern.“ Wer den Bericht abliefert, um dem Bundesgesetz Genüge zu tun und sich rechtskonform zu verhalten, dem fehlt vermutlich eine nachhaltige Vision. Und er wird den Inhalt wohl eher nicht mit nachhaltiger Unternehmensentwicklung und Innovationsführerschaft verbinden, sagt auch Brunhilde Schram, die Präsidentin des Vereins CSR Dialogforum. Außerdem mangle es oft an professionellem Qualitätsmanagement. „Qualitätsmanagement und Organisationsentwicklung arbeiten meist nur minimal zusammen, es wird nicht über Disziplinen und Sparten hinweg gedacht, daher werden Zusammenhänge nicht erkannt“, kritisiert Schram.

Unterstützung könnten externe Berater*innen und Prüfer*innen bringen. Neben der Sicherstellung der Gesetzeskonformität, dem eingebrachten Expert*innen-Wissen und dem damit verbundenen Blick von außen, böte eine externe Begleitung und Prüfung die Möglichkeit, „neue Erkenntnisse zu erlangen und rechtzeitig auf aktuelle Nachhaltigkeitsthemen, Chancen und Risiken einzugehen und so die Qualität der Berichterstattung zu verbessern“, betont Gerhard Rogl. Für den Leiter des Bereichs Climate Change and Sustanability bei EY Österreich ist es überraschend, dass sich nur rund ein Viertel der NaDiVeG-pflichtigen Unternehmen einer externen Prüfung unterziehen, brächte das doch Vorteile: „Wer Investoren gewinnen möchte, braucht heute eine überzeugende Nachhaltigkeitsberichterstattung und eine Nachhaltigkeitsstrategie für sein Geschäftsmodell.“

Neue Sprache über Unternehmensperformance lernen

Nachhaltige Entwicklung sollte als komplexe Transformation verstanden werden, meint Führungskräftetrainer Heinz Peter Wallner. Der Organisationsberater plädiert für offene Rahmenbedingungen und eine Vielfalt an Optionen, damit neue Lösungen entstehen. „Unternehmen sollten Komplexität ermöglichen und Leadership zeigen.“ Die wirtschaftlichen Akteure müssen also einen Lernprozess durchlaufen, meint auch Wirtschaftsprüferin Brigitte Frey. Sie empfiehlt Unternehmen jeder Branche und Größe, sich mit der „neuen Sprache über Unternehmensperformance“ auseinanderzusetzen und Transparenz zu zeigen. Es bestehe allerdings Common Sense, „dass Finanzdaten alleine die Wirklichkeit nicht abbilden können, wie auch Nachhaltigkeitsberichterstattung ohne ökonomische Aspekte unzureichende Aussagen über die Zukunftsfähigkeit der Organisation liefert.“

Neue Richtlinien

In Zukunft brauche es dafür allerdings eine Systemänderung, fordert Leo Hauska. Der Unternehmensberater analysiert seit dem Vorjahr Nachhaltigkeitsberichte. Auch er sieht, dass Sustainable Development Goals (SDGs) zwar einbezogen werden, aber bei vielen Unternehmen als reine PR-Übung aufbereitet sind. Schwierig ist der Umgang mit Kennzahlen, weil sie meist nur organisationsübergreifend erfasst werden. Ein großer Schwachpunkt ist bei fast allen Berichten die Stakeholder-Einbindung — und das sollte nach Hauska sogar sanktioniert werden. Er fordert „aufrüttelnde Worte und Tadel sowie Negativpreise für offensichtlich praktizierte Stakeholder-Täuschung.“

Es werden neue Richtlinien von der EU kommen, schon 2021, verrät Wolfram Tertschnig, zuständig für Nachhaltigkeitskoordination im Bundesministerium für Klimaschutz. Bereits im Herbst soll in EU-Ratsarbeitsgruppen über ein breiteres Anwendungsspektrum gesprochen werden. Die Vorgaben sollen standardisierter und daher nachvollziehbarer sein, die Überprüfung einfacher. Und: „Green Finance ist dabei ein Thema.“ Die Diskussion über die neuen Richtlinien ist allerdings nicht öffentlich.

NaDiVeG

Das Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz (NaDiVeG) ist die österreichische Umsetzung der EU-weiten Mindeststandards für nicht-finanzielle Berichterstattung. Unternehmen, die mehr als 500 Mitarbeiter*innen beschäftigen, müssen einen Nachhaltigkeitsbericht verfassen. Dieser enthält Angaben zu Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmer*innen-Belangen und soll Konzepte, Maßnahmen sowie die wichtigsten nicht-finanziellen Leistungsindikatoren beschreiben.

Definition CSR 2011

Corporate Social Responsibility (CSR) ist die Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft. Das hat die EU 2011 definiert. So soll die Schaffung gemeinsamer Werte für die Eigentümer*innen sowie Aktionär*innen der Unternehmen sowie die übrigen Stakeholder und die gesamte Gesellschaft optimiert werden. Außerdem sollen etwaige negative Auswirkungen aufgezeigt, verhindert und abgefedert werden.

Inhaltsverzeichnis: BUSINESSART 3/2020-Die Wirtschaft hat Corona