Der Werbefuzzi
Josef Zotter hat letztes Jahr mit mir über die Werbung philosophiert. Seiner Meinung nach sollten in einem Nachhaltigkeitsmagazin keine Inserate sein – wegen der Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit.
Christian Brandstätter
Das mag ein hehres Ziel sein, nur gäbe es dann auch das Magazin nicht. Vom Verkauf der Hefte alleine trägt es sich nicht, wie fast alle anderen Medien auch.
Irgendwo muss also die wirtschaftliche Säule der Nachhaltigkeit stabil verankert sein. Presseförderung bekommen wir keine, bleiben zwei Möglichkeiten: Wir suchen uns einen reichen Mäzen – vielleicht einen Dosenfabrikanten – und machen uns von dessen Laune abhängig, oder wir laden Unternehmen und die öffentliche Hand ein, ihrer Produkte und Dienstleistungen in unseren Medien zu bewerben. Josef Zotter hat dann übrigens drei Inserate gebucht.
In unseren Richtlinien ist festgeschrieben, dass wir Werbung ablehnen, die dem Gedanken der Nachhaltigkeit widerspricht. Keine Ölheizung, keine Benzin- oder Dieselautos, keine Fonds mit Waffen und Atomstrom im Portfolio. Bei Lebensmitteln achten wir vor allem auf „bio“ und fairen Handel.
Damit fallen schon einmal locker drei Viertel des Werbekuchens weg. Rein wirtschaftlich gesehen tut das manchmal ganz schön weh. So wollte ein Unternehmen ein Kombisystem aus Ölheizung und Sonnenkollektoren bewerben und zwar „mehrmals hintereinander auf der Rückseite.“ Jackpot! Man muss wissen, dass die Rückseite der teuerste Werbeplatz im Magazin ist. Da ging es um echt viel Geld. Ich habe dem Interessenten aus der Ölbranche geantwortet, er könne gerne die Solaranlage bewerben, aber ohne Ölkessel. Das war dann unser letzter Kontakt.
Oft ist es sehr schwer, eine Grenze zwischen echtem nachhaltigen Engagement und grünem Tarnanzug zu ziehen. Was ist von der Textilkette zu halten, die mit neuen Kollektionen aus Biobaumwolle auf den Markt kommt? Oder vom Aluminiumkaffeekapselproduzenten, der in anderen Magazinen auf mehreren Seiten ausbreitet, wie nachhaltig er nicht sei. Da muss man sich dann die Unternehmen schon ganz genau anschauen, die Produktionskette im Auge haben, nach Gütesiegeln Ausschau halten, ExpertInnen zu Rate ziehen und individuelle Entscheidungen treffen.
Unsere Leserinnen und Lesern schätzen, dass wir mit dem Thema Werbung sorgfältig umgehen. Sie haben nichts gegen Werbung, ganz im Gegenteil: Sie mögen Werbung, die ihnen nachhaltige Produkte vorstellt. Was sie und ich gar nicht schätzen ist, wenn Unternehmen oder Agenturen zusätzlich zur Einschaltung noch einen redaktionellen Artikel fordern. Es soll – wird mir erzählt – Magazine geben, die das gleich von vornherein anbieten. Darum sind viele erstaunt, warum wir das nicht machen. Im Gespräch lässt sich das meist klären: Über Inhalte entscheidet die Redaktion. Natürlich wird auch hier über Produkte und Unternehmen berichtet. Wenn Geld bezahlt wird, ist der Beitrag als „entgeltliche Einschaltung“ gekennzeichnet.
Schlimm wird das Leben eines Werbefuzzis dann, wenn das Gegenüber mit Erpressung arbeitet. Kommt zum Glück nicht sehr häufig vor, aber doch. Ein Beispiel: Da wollte ein durchaus „nachhaltiges“ Unternehmen aus der Baubranche 1/3 Seite Inserat schalten – zum halben Preis und als Draufgabe einen ganzseitigen Artikel gratis. Da konnte ich nur mehr ironisch werden: „Können wir gerne machen, wenn ich von Ihnen ein Haus um 100.000 statt um 200.000 Euro bekomme und dazu gratis ein riesiges Grundstück mit Swimmingpool.“ Auch in diesem Fall sind wir nicht handelseins geworden.
Übrigens: Einen „Werbefuzzi“ nannte mich Anton Spitaler, Geschäftsführer der Isocell GmbH - ein Unternehmen, mit dem uns schon eine lange und gute Zusammenarbeit verbindet. Danke für die nette Überschrift zu diesem Artikel!