Die Komfortzone verlassen
Interview mit Michaela Novak-Chaid, Geschäftsführerin HP Österreich
Wie sind Sie aufgewachsen?
Ich bin im Innviertel in Oberösterreich mit zwei Brüdern aufgewachsen. Mein Vater war Landarzt, die Mutter hat in der Ordination gearbeitet. Schon im Gymnasium haben mich Wirtschaftsthemen fasziniert. Nach der Matura habe ich in Wien Handelswirtschaft studiert, davon zwei Semester in Amerika und in Frankreich. Von da an hat mich die „weite Welt“ nicht mehr losgelassen. In den Ferien habe ich bei FACC gejobbt und – nach Studienende – meine erste Position angenommen. Mein erster Auftrag – das war 1993 – war ganz nach meinem Geschmack: Eine Machbarkeitsstudie für die Produktion von Flugzeugteilen in China. Dafür habe ich den chinesischen Markt durchforstet, davon sieben Wochen direkt in Taiwan und Hongkong.
1993 in China – das war sehr früh. Hatten Sie damals schon eine Idee, welchen Weg Sie konkret einschlagen möchten?
Nein. Auch an der WU Wien nicht. Das Bild vom Manager schien mir damals wenig attraktiv. Ich wollte großartige Projekte machen, Entscheidungen treffen und mit Menschen arbeiten. Zurück in Wien habe ich in eine holländische Bank gewechselt. Hier stand die Internationalität im Vordergrund. Zudem wollte ich das Handwerkszeug der Bilanzanalyse und des Risikomanagements lernen.
Sie sind Managerin geworden und haben einen nicht-typischen Berufsweg für Frauen eingeschlagen. Wie ist es Ihnen gelungen, sich zu behaupten?
Durch gute Arbeit und mit Arbeitgebern, bei denen das Geschlecht keine Rolle spielt. In der holländischen Bank war Gleichstellung selbstverständlich. Auch in der HP-Firmenkultur ist Diversität und damit auch Gleichberechtigung ein Eckpfeiler der Firmenkultur. Ich wünschte, es würden sich viel mehr Frauen für die IT-Branche entscheiden. Technologien bestimmen unsere Zukunft. Mich hat die Unternehmenskultur auch in schwierigen Situationen immer gestärkt. Und das merken dann auch Kunden und Partner.
Wo liegen die Herausforderungen für junge Frauen?
Generell sagt man ja: Die ersten fünf bis acht Berufsjahre kommen die Frauen genauso gut voran wie Männer. Kritisch werde es dann, wenn Kinder kommen. Ich habe das so nicht erlebt. Natürlich ist die Vereinbarkeit von Kind und Beruf eine entscheidende Weichenstellung. Doch traditionelle Rollenbilder werden ganz aktuell aufgeweicht. Kinderbetreuung wird zunehmend gleichberechtigt aufgeteilt. Wir brauchen die Männer mit im Boot. Und die wollen das.
Ändern sich die Rollenbilder?
Auf jeden Fall. Das erlebe ich täglich – auch in meinem Team. Junge Männer übernehmen heute mit Freude Verantwortung für Familie und in der Kinderbetreuung. Hier hat ein Generationenwechsel stattgefunden. Mein Mann ist Amerikaner. Er hat sich schon vor Jahren sehr engagiert. Das hat uns beide weitergebracht. Wir haben uns abgewechselt – je nachdem wer beruflich gerade mehr beansprucht war. Wichtig ist die Unterstützung vom Arbeitgeber – durch flexible Arbeitszeiten, Möglichkeiten wie Home-Office und vor allem durch die Akzeptanz, dass sich Werte ändern. Kinderbetreuung ist bei guten Arbeitgebern heute kein Grund mehr für einen Karriereknick.
Wie ist Ihnen Ihr Karriereweg gelungen?
Es war eine Kombination aus visionären Vorgesetzten, die mir alle möglichen Dinge zugetraut haben und meinem persönlichen Mut zum Risiko. Entscheidend ist es, die Komfortzone zu verlassen. Man muss immer wieder ins kalte Wasser springen. Mein extremster Sprung war die Leitung des Vertriebsbereiches. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich eng mit dem Vertrieb gearbeitet – brachte aber keine direkte Vertriebserfahrung mit.
Klingt nach einer großen Herausforderung. Wie haben Sie sie gemeistert?
Bei HP ist Mentoring – die Unterstützung durch Kollegen – stark verbreitet, sowohl formal als auch auf kollegialer Ebene. Das habe ich genutzt. Zudem habe ich ein erfahrenes Team übernommen, auf das ich mich stützen konnte. Bei HP ist es erlaubt zu fragen. Führung bedeutet nicht, dass man alles besser wissen muss. Der offene Austausch ist gewünscht. Natürlich habe ich mich sehr systematisch auf die neue Aufgabe vorbereitet. Gleichzeitig darf man vor unangenehmen Entscheidungen nicht zurückschrecken: Von einer Person im Team, die nicht kooperiert hat, habe ich mich schnell getrennt, das war nicht einfach.
Was sind Ihre wichtigsten Tipps für junge Frauen, die am Beginn des Studiums stehen?
- Wenn Sie nicht festgelegt sind, wählen Sie ein MINT-Studium. Technische Kompetenz ist in vielen zukunftsorientierten Bereichen die optimale Voraussetzung.
- Suchen Sie sich ein Unternehmen mit kompatibler Firmenkultur. Die Unternehmenskultur ist der Nährboden für die eigene Entwicklung. Die Kultur von außen zu erkennen ist nicht einfach – da helfen die bekannten Portale oder Gespräche mit Freunden und ehemaligen Kollegen.
- Die Wahl des Partners/der Partnerin ist die halbe Miete.
- Trauen Sie sich Dinge zu. Gehen Sie ins Risiko. Frauen können da oft mehr Mut aufbringen. Natürlich kann man scheitern. Aber ich sage immer: Gescheitert ist derjenige, der es nicht ausprobiert hat.
Was müssen Unternehmen tun, um hoch kompetente und engagierte Mitarbeiterinnen anzusprechen?
Der Kampf um die Talente hat schon begonnen. Unternehmen können es sich nicht mehr leisten, auf die Hälfte der Talente zu verzichten. Zudem haben jüngere Mitarbeiter oft andere Ziele. Da ist die private Verwirklichung ebenso wichtig, wie die berufliche. Dafür braucht es beispielsweise eine sehr gut ausgebaute Kinderbetreuung. In Skandinavien oder Frankreich funktioniert das viel besser als bei uns. Und wenn Kinder krank sind braucht es Krisenmanagement – da können Unternehmen flexibler agieren.
Was halten Sie vom Führungs-Sharing?
Das kommt auf den Bereich an. Moderne Technologien können hier aber unterstützen. Anwesenheit ist nicht immer zwingend erforderlich.
Was halten Sie von Netzwerken?
Natürlich sind Netzwerke wichtig. Das waren sie schon vor Social Media. Das gilt für Frauen und Männer gleichermaßen. Netzwerke sind aber kein Allheilmittel. Sie ersetzen nicht den persönlichen Kontakt. Im Berufsleben muss man mit Persönlichkeit und Kompetenz überzeugen.
Was bringt Frauen weiter? Was muss ich als junge Frau tun, um Karriere zu machen?
- Einen guten Job. Machen Sie die Aufgabe, die Sie haben, mit maximalem Einsatz.
- Seien Sie mutig – lernen Sie aus Ihren Fehlern.
- Setzen Sie sich konkrete Ziele. Karriere passiert nicht durch Zufall.
- Suchen Sie Rat bei erfahrenen Kollegen, die Sie schätzen. Suchen Sie sich Mentoren, die Ihnen helfen, sich kritisch zu hinterfragen.
- Fragen Sie sich, welche Art von Karriere Sie machen wollen. Hierarchisch oder im Sinn vom englischen „Career“ – als Berufslaufbahn.
- Schauen Sie sich unterschiedliche Bereiche an. Das ist persönlich bereichernd und Sie profitieren von einem breiten Wissensfundus.
- Doch die zentrale Frage, die Sie sich beantworten müssen: Wie schaffe ich persönliche Zufriedenheit? Nur so können Sie langfristig im Job erfolgreich sein.
Frauen legen weniger Wert auf Statussymbole wie ein großes Büro und teure Dienstwagen. Braucht es die aber, um Karriere zu machen?
Das ist nicht mehr zeitgemäß. In Zeiten der „Shared Economy“ ist der Dienstwagen nicht mehr wichtig. Persönliche Ziele mit dem Beruf zu vereinbaren, mobil, selbstbestimmt und flexibel arbeiten zu können sind ebenso wie schicke Arbeitsgeräte und eine lebendige Arbeitsumgebung für viele junge Menschen die modernen Statussymbole. Ich arbeite im Großraumbüro. Ich bin mitten drin, habe direkten Kontakt mit meinem Team. Für mich ein Privileg.
Das Interview führte Roswitha M. Reisinger.
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