Eine wert-volle Aufgabe für eine gute Zukunft
Unternehmenskultur mausert sich zum Wettbewerbsfaktor Nummer eins. Dabei bildet ein übergreifendes Sinn-Bild – der Purpose – das ideelle Fundament. Kommentar von Ernst Demmel.
Kommen Hamsterräder zum Stillstand, springt das Personal ab. In vielen Unternehmen bot sich zuletzt ein überraschendes Bild: Mitarbeiter*innen, die dank Kurzarbeit mehr private Momente zum Nachdenken und Träumen fanden, entschieden sich nach dieser Auszeit zu kündigen. Wer die Sinnfrage stellt, ist in vielen Firmen bereits mit einem Fuß bei der Tür draußen. Oder – für den Arbeitgeber noch bedrohlicher – auf dem Weg in die innere Kündigung.
„Purpose“ nennt sich jenes betriebliche Kulturgut, das in den letzten Jahren vermehrt an Bedeutung gewann: Die Sehnsucht nach Wertschöpfung jenseits des Monetären. Unternehmen, die Fluktuation reduzieren und High Potentials an Bord halten wollen, schenken Werten und dem eigenen sozialen Gefüge größeres Augenmerk. Spätestens seit Simon Sinecks berühmten TED-Talk ”How great leaders inspire action“ suchen viele nach ihrem „Why“. Was nicht immer rund ausfällt: Während für Non-Profits wie das Rote Kreuz oder Greenpeace der ideelle Auftrag – etwa „Leben retten“ oder „Artenvielfalt schützen“ – feststeht, tun sich klassische Betriebe wie IT-Spezialist*innen, Maschinenbauer*innen oder Großhändler*innen deutlich schwerer. „Wir wollen mit innovativen Produkten, guten Preisen und bestem Service unsere Kund*innen zu Fans machen“ mag zwar als wirtschaftlich lohnendes Ziel durchgehen, sinnstiftend ist diese „Mission“ nicht.
Warum?
Der erhoffte Impact trifft nur das Unternehmen, das sie formuliert, nicht die umgebende Welt. Besser wäre zu sagen: „Wir möchten das Internet zu einem sicheren Ort machen.“ oder „Wir kleiden modisch ohne auszubeuten.“ Hier könnte die Allgemeinheit profitieren. Doch welche Beziehung hat man zu Stakeholdern? Welche Anliegen sind ehrlich, welche nur dem eigenen Vorteil verpflichtet? Und angesichts jüngster Erfahrungen aus der Pandemie sollte man sich die Frage stellen: Welchen Schwüren kann man selbst in Krisen oder bei Veränderungen treu bleiben?
Das Freilegen möglicher Issues führt zwangsläufig in eine interne Wertedebatte und hier dominieren mitunter Motive der Gründer*innen, auch wenn sie Jahre zurückliegen und in der Praxis längst an Gültigkeit verloren haben. Empfehlenswert ist es, die Auseinandersetzung nicht bloß in der Geschäftsleitung und auf diskursiver Ebene zu suchen.
Seine wahre Stärke entfaltet der Purpose dort, wo ihn eine Gemeinschaft als wert-volle Aufgabe für die Zukunft mitentwickelt und mitträgt – top down wie bottom up.
So braucht es mehr als Workshops und PowerPoint-Slides, um Sinn-Bilder für Mitarbeiter*innen spürbar zu machen. Intrinsische Überzeugung gedeiht, wo Zugänge ganzheitlich geöffnet, Emotionen geweckt werden. Das spricht für eine Strategische Kulturarbeit, die gesellschaftliche Verantwortung, Organisationsentwicklung, Kommunikation, Design und Kunst zusammenführt.