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Elias Bohun, Traivelling

In Europa, nach Asien oder Nordafrika reisen – direkt mit dem Zug? Bislang war es Reisenden unmöglich, längere Zugreisen über eine Plattform zu buchen. Elias Bohun macht das möglich. Traivelling revolutioniert das Buchen von Zügen, Bussen und Fähren, indem es Ticketpakete verkauft und eine sorgenfreie Buchung von A nach B ermöglicht.

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Foto: Mario Lang

BUSINESSART: Wie bist du auf die Idee gekommen, Reisen über lange Destinationen mit dem Zug anzubieten?

Elias Bohun: Ich bin schon lange klimapolitisch aktiv. Aber nach dem Abitur wollten meine Freundin und ich etwas von der Welt sehen und ich dachte immer, man muss fliegen, wenn man weit weg will. Dann habe ich recherchiert und herausgefunden, dass es auch anders geht, dass man mit dem Zug weltweit verreisen kann. Wir hatten schon einen Flug nach Sri Lanka gebucht; aber dahin mit Zug und Fähre zu fahren, war aus politischen Gründen unmöglich, deshalb haben wir uns für Vietnam entschieden. Wir brauchten in jedem Land Leute, die für uns Tickets kauften und hinterlegten. In vielen Ländern kann man ohne Bestätigung, dass man ein Reiseticket hat, gar kein Visum beantragen. Ich habe drei Monate recherchiert, um Reiseagenturen und Vermittler in den jeweiligen Ländern zu finden. Am Ende hat es geklappt. Die Reise nach Vietnam per Zug hat 16 Tage gedauert. Ohne Zwischenstopps geht das aber auch in acht Tagen. Wir waren dann viereinhalb Monate in Süd-Ost-Asien unterwegs – drei weitere Wochen hat die Rückfahrt gedauert. Wir haben natürlich vielen Leuten erzählt, dass wir mit dem Zug gefahren sind. Das kam gut an. Freunde haben mich schließlich gefragt, ob ich ihnen so eine Reise auch buchen könne, weil sie ebenfalls auf das Flugzeug verzichten wollten. So wurde mir klar, dass es noch gar kein entsprechendes Angebot gibt.

Wo liegt die Herausforderung bei der Planung von Bahnfahrten, die durch mehrere Länder führen?

Schon innerhalb Europas ist es sehr schwer, Zugreisen zu buchen. Nach Großbritannien oder Spanien kann bis jetzt nicht über eine einzige Plattform gebucht werden. Leider sind Bahnen viel zu nationalistisch aufgebaut. Daher kann man am Schalter Karten meist nur für das Land und eventuell die Nachbarländer kaufen.

Von Österreich nach Vietnam durchquert man sechs Länder, darunter die Ukraine, Russland, China. Jedes Land hat seine eigenen Bahngesellschaften, viele Tickets kann man nur im Land selbst kaufen. Allerdings bekommt man das Visum oft erst, wenn man ein Ticket hat. Bei meiner Reise mussten wir Leute vor Ort finden, die uns helfen. Wir überwiesen das Geld, sie kauften die Tickets und hinterlegten sie für uns. Bei meiner Reise war es noch eine Zitterpartie, weil wir nicht wussten, ob alles geklappt hat. Das heißt, irgendwie möglich ist es schon, nur sehr umständlich und keinesfalls entspannt. Und das ist nicht nur in Vietnam so. Bei einer Reise nach Lissabon benötigt man Tickets von vier verschiedenen Anbietern.

Das Problem ist aber nicht nur das Buchen ...

Ja, es ist auch sehr schwer, die sinnvollsten Routen zu finden. Wir bei Traivelling nehmen bei unserer Planung Rücksicht auf sinnvolle Abfahrts-, Umsteige- und Ankunftszeiten, möglichst direkte Verbindungen und auch auf touristische Ansprüche. Wenn zum Beispiel ein Aufenthalt am Weg eingelegt werden muss, dann in einer schönen Stadt und nicht in einem unspektakulären Drehkreuz.

Wer sind deine Kund*innen?

Zum Beispiel Menschen, die gerade mit der Schule fertig geworden sind, sich ein Sabbatical-Jahr nehmen, aber auch Ältere, die zum Beispiel schon in Rente sind. Es gibt auch Firmen, die ihren Mitarbeiter*innen mehr Urlaub geben, damit sie ökologisch reisen können. Und wir vermitteln nicht nur Reisen auf andere Kontinente, sondern auch innerhalb Europas. Da kann man an einem Tag sehr weit kommen, zum Beispiel von Wien bis nach Barcelona.

Bist du erfolgreich mit Traivelling?

Wir haben über 6.000 Anfragen bekommen und haben viele Follower auf Social Media. Die Nachfrage nach Reisen ist vor allem innerhalb Europas groß, sie macht ca. zwei Drittel unserer gebuchten Reisen aus. Darüber hinaus bieten wir Reisen nach Nordafrika (Tunesien & Marokko), in den Kaukasus (Georgien & Aserbaidjan & Armenien) und über die Türkei in den Iran und weiter nach Dubai und in den Oman an. In Südostasien kommt man bis Bali bzw. verkaufen wir auch Fähren von China nach Japan.

In den letzten Monaten habe ich die Marke Traivelling (mit allen ideellen Werten, die damit verbunden sind) europaweit bekannt gemacht und habe mit Hunderten erfolgreichen Buchungen längerer Reisen den „Proof of Concept“ des Train-Travelling erbracht.

Was bringt das Reisen mit dem Zug?

Wenn man mit dem Zug nach Vietnam reist, haben auch die Menschen auf dem Weg etwas davon: von den Standbetreibern am russischen Bahnhof, wo man etwas zu essen kauft, bis zu den lokalen Zugunternehmen. Die Wertschöpfung ist höher und fairer verteilt. Zudem wird das Angebot besser, je mehr Leute mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Daher unterstützt man mit den Zugreisen auch lokal nachhaltige Mobilität. Und es ist auch einfach schön, langsam zu reisen.

Was sind deine nächsten Schritte?

Generell arbeiten wir an einer Automatisierung unseres Buchungsprozesses. Gerade habe ich mit Volunteers (u.a. von der TU Wien) die Traivelling Hauptdatenbank mit eigenen Algorithmen, die weltweites Bahnreisen möglich und schrittweise automatisierbar machen wird, entwickelt. Wir testen sie gerade – sie soll mit einer neuen interaktiven Homepage sobald wie möglich online gehen.

Was hat sich durch Corona verändert?

Ich glaube, dass uns diese Pause nachhaltig vor Augen geführt hat, wie wichtig es ist, die Gegenwart mehr und intensiver zu genießen und Zeit mit unseren Liebsten und Freunden zu verbringen – auch eine Chance für Slow Travelling. Vielleicht werden wir uns, wenn der stressige Alltag wieder losgegangen ist, sogar nach der Ruhe, Entspannung und auch nach der Langeweile sehnen, die Corona uns aufgezwungen hat. Eine Bahnreise durch Europa oder eine Zugweltreise könnte dann vielleicht genau das Richtige sein.

Wie verbessert deine Arbeit die Welt?

Unser Produkt hat sehr viele Menschen erreicht. Ich werde als Visionär Europas im Reise-Business gesehen, denn wir machen möglich, wonach im DACH-Raum ein großes Bedürfnis besteht (das nicht befriedigt wurde), und was davor noch niemand andachte.

Wie gelingt es, ein ausreichendes Momentum zu erzielen?

Ökologische Mobilität ist gefragter denn je, aber sie wird weltweit nicht bedient. Das ist ein Riesenproblem und da wir eine Lösung bieten, erzeugt das automatisch ein Momentum.

Wenn du einen Wunsch frei hättest – was würdest du dir wünschen?

Ich würde mir Züge über längere Distanzen wünschen. Züge von Nord-Schweden nach Süd-Italien, von Portugal bis Edinburgh, von Paris nach Istanbul oder von Wien nach Ho Chi Minh-City von Delhi nach Berlin. Das wäre wichtig. Es kann nicht sein, dass nach dem Nachbarland Schluss ist und man von Stockholm nach Palermo vier Mal umsteigen muss.

Was sind die wichtigsten Werte für dich?

Man muss ökologisch handeln und sich für eine nachhaltige Welt einsetzen. Es muss möglich sein, leicht am politischen Diskurs teilzunehmen, damit wir gemeinsam Lösungen für die Zukunft entwerfen können.

Welche Werte kann man in Unternehmen leben, welche nicht?

Ich glaube, man kann fast alle Werte in Unternehmen leben. Wir bei Traivelling z.B. leben Demokratie und Kooperation in einer nicht-hierarchischen Organisation, die durch eine lebendige Kommunikation auf Augenhöhe zwischen den Start-up-Gründer*innen und unseren angestellten und ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen gekennzeichnet ist. Genauso kann man andere Werte wie Gendergerechtigkeit, Nachhaltigkeit, ökologisches Bewusstsein, „circular economy“-Denken natürlich im Alltag im Unternehmen leben: Man braucht dazu lediglich eine gelebte Kultur des vertrauensvollen und wohlwollend kritischen Miteinanders.

Welche Rolle spielen sie für dich und dein unternehmerisches Handeln?

Wertorientiertes Handeln hat für mich persönlich in jeder Lebenssituation (als Privatmensch genauso wie als unternehmerischer Mensch) einen ganz hohen Stellenwert. Ich versuche bewusst zu leben und das schließt auch ein, dass ich mir jeden Tag – und da ganz besonders bei der Arbeit im Unternehmen – die Frage stelle: Wodurch ist mein Handeln geleitet, von meinen Wertvorstellungen oder von anderen Kräften (Ängste, unreflektierte Ambitionen und Emotionen etc.)? Und dann versuche ich – gegebenenfalls – die Korrektur und die Rückkehr zum wertgeleiteten Handeln.

Welche Herausforderungen kommen 2021 auf uns zu?

Der Klimawandel schreitet voran und es wird mit jedem Jahr dringender zu handeln. Wir haben noch ein Jahrzehnt, um das Schlimmste abzuwenden und da spielt 2021 natürlich eine Riesenrolle. Hoffentlich wird 2021 das Jahr für grüne Weichenstellungen in die Zukunft.

Was ist dein Credo für dein Leben?

Keiner hat das Recht zu gehorchen. (Hannah Arendt)
 

Elias Bohun, Gründer

Traivelling, Wien

Anzahl der Mitarbeiter*innen: 3

traivelling.com