EY: Mehr Nachhaltigkeitsberichte in Österreich
Der Anteil österreichischer Unternehmen mit Nachhaltigkeitsberichten steigt, die Berichterstattung zum Klimawandel ist allerdings schwach
- Nachhaltigkeitsberichterstattung entwickelt sich immer mehr zur gängigen Praxis – Anstieg bei den Top-Unternehmen von 35 auf 42 Prozent
- Anteil der extern geprüften NaDiVeG-Berichte (Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz) ist vergleichsweise gering – nur rund ein Viertel unterzieht sich einer freiwilligen Prüfung
- Berichterstattung zum Klimawandel verbreitet, aber qualitativ schwach
- Nachhaltigkeitsberichterstattung zu den Sustainable Development Goals deutlich angestiegen
Im Jahr 2019 erfuhr die ganze Welt eine Neuentfachung der Debatte rund um den Klimawandel. Die Organisation „Fridays for Future“ mit ihrer Initiatorin Greta Thunberg brachte das Thema innerhalb kürzester Zeit auf die Tagesordnung der Medien, Regierungen und auch der Unternehmen. 2019 war für Europa auch das wärmste jemals gemessene Kalenderjahr. Darüber hinaus beschäftigen sich Unternehmen derzeit mit weiteren wesentlichen neuen Regularien und Initiativen, wie mit dem EU-Aktionsplan zu Sustainable Finance, dem unternehmerischen Beitrag zu den Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen und dem Management der ESG- (Environmental, Social and Governance) -Chancen und -Risiken.
Die Prüfungs- und Beratungsorganisation EY hat in einer umfangreichen Analyse die Nachhaltigkeitsberichterstattung der wichtigsten Unternehmen Österreichs für das Geschäftsjahr 2018 unter die Lupe genommen, um aktuelle Entwicklungen in der österreichischen und internationalen Nachhaltigkeitsberichterstattung abzubilden.
Gesetzliche Vorgaben und öffentliche Diskussionen treiben Unternehmen an
Der Anteil der Unternehmen, die einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen, ist bereits im Vorjahr aufgrund des Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetzes (NaDiVeG) deutlich gestiegen. 2019 ist der Anteil der Unternehmen mit Nachhaltigkeitsbericht vor allem bei den Top-Unternehmen erneut gewachsen – von 35 auf 42 Prozent. Von den Unternehmen des Prime Market haben, wie bereits im Vorjahr, 95 Prozent einen Nachhaltigkeitsbericht erstellt, bei den öffentlichen Unternehmen ist ebenso ein Anstieg erkennbar (von 33 auf 38 %). Bei Unternehmen, die dem NaDiVeG unterliegen, ist eine Zunahme der eigenständigen Berichte außerhalb des Lageberichts von 50 auf 56 Prozent zu erkennen. Der Anteil der integrierten Berichterstattung verringerte sich gleichzeitig von sieben auf drei Prozent.
„Die Nachhaltigkeitsberichterstattung ist nicht zuletzt durch das NaDiVeG zu einem wichtigen zusätzlichen Entscheidungskriterium für Investoren geworden. Während Finanzergebnisse oft nur eine Momentaufnahme sind, lassen nichtfinanzielle Kennzahlen langfristigere und ergänzende Rückschlüsse auf die Entwicklung eines Unternehmens zu“, so Georg Rogl, Leiter des Bereichs Climate Change and Sustainability Services bei EY Österreich.
Rogl weiter: „Wer Investoren gewinnen möchte, braucht heute eine überzeugende Nachhaltigkeitsberichterstattung und eine Nachhaltigkeitsstrategie für sein Geschäftsmodell. Der Begriff ‚Nachhaltigkeit‘ wird zum Synonym dafür, wie sich Unternehmen an globale Megatrends anpassen und zukunftsfähig machen.“
Als gängigster Berichtsstandard wurden, wie in den Vorjahren, die Standards der Global Reporting Initiative (GRI) herangezogen. Jedoch findet die Anwendung der „GRI-referenced“-Option mehr Beachtung bei der Erstellung der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Ein Anstieg ist sowohl bei den Top-Unternehmen von fünf auf sieben Berichte (15 %) als auch bei den Unternehmen des Prime Market von sechs auf elf Prozent erkennbar. Auffallend hoch ist auch der Anteil der „GRI-referenced“-Berichte bei den NaDiVeG-pflichtigen Unternehmen. Diese Option wurde bereits von 16 Prozent der Unternehmen angewandt, letztes Jahr lag der Anteil noch bei sieben Prozent. Umgekehrt ist der Anteil an Berichten „in Übereinstimmung mit GRI“ bei der verpflichteten Berichterstattung von 49 auf 35 Prozent gesunken.
Nur rund ein Viertel der Unternehmen mit Berichtspflicht lässt sich extern prüfen
Eine deutliche Steigerung des Anteils der extern geprüften Berichte schlägt sich vor allem bei den Unternehmen des Prime Market nieder. 2018 unterzogen sich 42 Prozent einer Prüfung, 2019 bereits die Hälfte (50 %). Aber auch bei den Top-Unternehmen (50 %) und den öffentlichen Unternehmen (44 %) stieg der Anteil der geprüften Berichte auf annähernd die Hälfte der erstellten Berichte. Bei den Unternehmen, die nach dem NaDiVeG berichtspflichtig sind, ist der Anteil unverändert deutlich niedriger: Er liegt bei lediglich 27 Prozent. „Es ist überraschend, dass sich weiterhin lediglich ein Viertel der NaDiVeG-pflichtigen Unternehmen einer externen Prüfung unterziehen. Neben der Sicherstellung der Gesetzeskonformität, dem eingebrachten Expertenwissen und damit verbundenen Blick von außen, bietet eine externe Prüfung die Möglichkeiten neue Erkenntnisse zu erlangen und rechtzeitig auf aktuelle Nachhaltigkeitsthemen, Chancen und Risiken einzugehen und so die Qualität der Berichterstattung zu verbessern“ betont Rogl.
Berichterstattung zum Klimawandel verbreitet, aber qualitativ schwach
Bei der erstmaligen Erhebung der Berichterstattung zum Klimawandel im Prime Market hat sich gezeigt, dass die Mehrheit der dort vertretenen Unternehmen den Klimawandel zwar als wesentlich wahrnimmt (74 %) und Zahlen zu Emissionen berichtet (76 %), die inhaltliche Qualität und Tiefe der Berichterstattung ist jedoch noch nicht sehr weit entwickelt. So hat sich weniger als ein Drittel der Unternehmen quantitative Klimaschutzziele gesetzt (31 %) oder indirekte Emissionen aus der Wertschöpfungskette, sogenannte Scope 3 Emissionen, berichtet (29 %). Einen noch geringeren Teil des Prime Market machen die Unternehmen aus, die sich mithilfe international gängiger Rahmenwerke mit den finanziellen Auswirkungen des Klimawandels auf ihr Geschäftsmodell auseinandergesetzt haben: Nur zwei Unternehmen haben nach TCFD (Task Force on Climate-related Financial Disclosures) berichtet und nur drei haben sich ein Science Based Target gesetzt. Innerhalb der drei beleuchteten Sektoren (Real Estate, Finanzdienstleistungen und Industrie) ist die aktuelle Qualität und Tiefe der Berichterstattung nicht ausreichend, um einen quantitativen Überblick über die wichtigsten klimarelevanten Auswirkungen der Geschäftstätigkeiten zu gewinnen. Insgesamt spiegelt die Berichterstattung also noch nicht die Rolle wider, die der Klimaschutz derzeit in der öffentlichen Diskussion spielt.
Integration der Sustainable Development Goals hat sich etabliert
Im Rahmen der EY-Analyse wurde auch untersucht, in welchem Ausmaß österreichische Unternehmen die Sustainable Development Goals (SDGs), welche von den vereinten Nationen im Rahmen der „2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung“ definiert wurden, in ihre Berichte einbeziehen. Der Anteil der Unternehmen, die zu den SDGs berichten, ist deutlich angestiegen. Zwei Drittel der Top-Unternehmen, -Banken und -Versicherungen haben die SDGs in ihre Berichterstattung qualitativ oder quantitativ aufgenommen. Im Vergleich zur Studie 2018 hat sich der Anteil mehr als verdoppelt.
„Bei den Berichterstattungen 2019 sind die SDGs ‚Maßnahmen zum Klimaschutz‘, ‚Hochwertige Bildung‘ und ‚Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum‘ stark in den Fokus gerückt. Bezüglich der Bekennung der Unternehmen zu den SDGs ist zu erwarten, dass sich die Berichterstattung darüber stetig weiterentwickeln wird. Wünschenswert wäre dabei eine vermehrte Verbindung der SDGs mit den unternehmenseigenen Zielen und eine klare Verknüpfung zur Unternehmensstrategie“, so Rogl.
Neue Impulse auf EU-Ebene kommen beispielsweise von der ESMA (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde) bezüglich der Änderung der Richtlinie über die nichtfinanzielle Berichterstattung, was auch sehr wahrscheinlich Auswirkungen auf die NaDiVeG-Anforderungen hätte.
„Getrieben durch gesetzliche Anforderungen, mediale Präsenz des Themas Klimawandel und weitere Initiativen wird die österreichische Nachhaltigkeitsberichterstattung auch in Zukunft mit zahlreichen Herausforderungen versehen sein. Man darf auch mit Spannung erwarten, ob und wie schnell in Österreich die 21 Maßnahmen im neuen Regierungsprogramm 2020-24 im Bereich Klimaschutz umgesetzt werden“, so Georg Rogl abschließend.
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