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Georg Bursik, Manfred Tisch, Baumit GmbH

Baumit hat mit „Go2morrow“ einen Trockenbeton aus Recyclingmaterial entwickelt. Die bisher verwendete Kalksteinkörnung wird zu 100 Prozent durch gewaschene, sortenrein recycelte und qualitätsgesichert zur Verfügung gestellte Betonbruchkörnung ersetzt.

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Foto: Jana Madzigon

Zum Kurzvideo mit Georg Bursik.

BUSINESSART: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen Trockenbeton aus Recyclingmaterial zu entwickeln?

Georg Bursik: Wir produzieren Trockenmörtel, Fassadenputze und Estriche, die per se keine großartigen Schadstoffe enthalten. 80 Prozent des Inhaltes ist Kalkstein und damit ein reines Naturprodukt. Die Überlegung war, ob man einen Trockenbeton, den man nur mit Wasser anmischen muss, auch aus Recyclingbeton herstellen kann. Das ist zwar keine großartige Wissenschaft, bei Transportbetonen wird das bereits eingesetzt, doch hier ist die Körnung gröber. Wir haben uns auf die Suche nach einem feinkörnigen Recyclingbeton gemacht, die Rezepturen angepasst und nach etwa einem halben Jahr Entwicklung hatten wir ein Produkt, das dem normalen Trockenbeton entspricht und dessen Körnung zu 100 Prozent aus Recyclingmaterial besteht.

Als Einsatzgebiet geben Sie kleinere Betonarbeiten im Haus- und Gartenbereich an. Das klingt nach einer überschaubaren Marge.

Danke, für diese Frage. Alle sind zwar begeistert von der Idee, doch leider ist der Recyclingbeton etwas teurer. Er kostet ca. 20 bis 25 Prozent mehr als normaler Trockenbeton, da die Energie- und Transportkosten aufgrund der notwendigen Aufbereitung höher sind. Die Bereitschaft, dafür mehr Geld auszugeben ist allerdings nicht sehr groß. Wir haben uns erwartet, dass wir im ersten Jahr ca. 2.000 Tonnen verkaufen. Von dieser Verkaufsmenge sind wir weit entfernt. Wir werden das Produkt aber nicht vom Markt nehmen. So schnell werfen wir die Flinte nicht ins Korn. Ich glaube daran, dass sich die Situation mittelfristig ändern wird.

Wieweit stärkt Ihnen die neue Recyclingverordnung der EU dabei den Rücken?

Der Großteil der Baurestmasse wird über den Transportbeton in großen Bauwerken mit großen Fundamenten eingesetzt. Das ist vom Gedanken der Kreislaufwirtschaft positiv, weil es mittel- und langfristig Ressourcen schont. Genau in diese Strategie zahlt auch unser Recyclingbeton ein, auch im Wissen, dass die Aufbereitung einen höheren Aufwand erfordert.

Solange es Menschen auf der Erde gibt wird ein gewisser Ressourcenverbrauch stattfinden. Daher macht es Sinn, das verbrauchte Material einer möglichst langen Lebensdauer zuzuführen. Und mineralische Produkte, wie wir sie herstellen, haben eine sehr lange Lebensdauer. Das gilt aber generell für Baustoffe, auch für EPS-Dämmplatten, die zum einen viele Jahrzehnte eingesetzt große Mengen an Heizenergie sparen und auch nach 70 Jahren wieder recycelt und zu neuen Dämmplatten verarbeitet werden können.

Sie beschäftigen sich in der Forschung auch mit dem Thema Raumluft. Was haben Sie herausgefunden?

In unserem Viva-Forschungspark haben wir 13 gleich große Häuser gebaut und erhoben, wie sich verschiedene Wandaufbauten – Beton, Putze und Farben – auf die Qualität der Raumluft auswirken. Eine Betonwand mit Dispersionsspachtel – im mehrgeschossigen Wohnbau in Wien Standard – nimmt keine Feuchtigkeit auf und gibt auch keine ab. Optimal ist ein Putz, der die Feuchtigkeit im Raum reguliert und eine offene, mineralische Wandfarbe – keine Dispersionsfarbe –, dann haben Sie den optimalen Wandaufbau. Man verbringt bis zu 90 Prozent seiner Zeit in Innenräumen, das macht absolut Sinn, hier die richtigen Materialien zu verwenden.

Vom Raumklima zum Weltklima. Was sind die zentralen Herausforderungen für die Baubranche und speziell für Baumit in Sachen Klimaschutz?

Für uns als Produzent ist das natürlich das Thema CO2. Bei der Bindemittelerzeugung entweicht das CO2 aus dem Gestein, das ja vorher von Muscheln und Korallen aufgenommen worden ist. Zement und Kalk sind uralte Baustoffe und es wird auch weiterhin Baustoffe geben, bei denen man nicht CO2 neutral sein wird, außer man verzichtet komplett aufs Bauen.

Wir sind natürlich im Zertifikate-Handel und da ist der Preis für eine Tonne CO2 von 30 Euro im Jänner auf mittlerweile 60 Euro gestiegen. Das Geld nimmt der Staat ein und ich hoffe, dass die Politik das auch sinnvoll investiert. Dazu kommen aktuell die enorm gestiegenen Energiepreise. Für den Endkonsumenten wird das Bauen und Wohnen um einiges teurer und ich glaube nicht, dass die Preise wieder runtergehen.

Und wie sieht es mit Ihrem Fuhrpark aus?

Wir haben in der Firma SUV’s verboten, weil die schweren Autos ein Schwachsinn sind. Dort wo wir eine geringere Kilometerleistung haben macht es auch Sinn, auf Elektromobilität umzustellen. Da gibt es auch die entsprechende Nachfrage von den Mitarbeitern. Es macht meiner Meinung nach aber keinen Sinn, von heute auf morgen alles umzustellen. Wenn ein Auto einmal produziert ist, sollte man es möglichst lange fahren und nicht wieder Ressourcen für den Bau eines neuen Autos verbrauchen. Manche Ansätze sind mir zu radikal. Wenn die Politik vorgibt, dass ab 2035 kein Verbrennungsmotor mehr erzeugt wird, wird das nicht durchführbar sein, weil sich nicht jeder ein Elektroauto wird leisten können.

Welche Wünsche hätten Sie generell an die Politik?

Wenn die Politik sagt, bis 2040 sind wir CO2 neutral, dann soll sie bitte auch zeigen, wie das geht. In Bezug auf die Baubranche soll die Politik dafür sorgen, dass die Menschen einen Wohnraum bekommen, den sie sich auch leisten können. Ein wesentlicher Kostentreiber in den letzten Jahren waren die Grundstückspreise. Da wünsche ich mir, dass günstige Grundstücke für den mehrgeschoßigen Wohnbau zur Verfügung gestellt werden.

Wie wichtig ist ihnen persönlich das Thema Nachhaltigkeit?

Ich fahre im Jahr 3.000 Kilometer mit dem Rad ins Büro, 40 Kilometer von Mödling hierher und wieder 40 zurück. Ich mach‘ das aber nicht nur aus Umweltschutzgründen, sondern weil‘s mir taugt. Und natürlich versuchen wir daheim, möglichst wenig verpackte Lebensmittel zu kaufen und den Müll richtig zu trennen.

Was ist der Leitsatz Ihres Lebens?

Ich mag Herausforderungen und ich mag Erfolge. Nehmen wir als Beispiel den Go2morrow: Den Recycling-Trockenbeton gut zu platzieren – und wir haben ihn gut platziert, da haben wir nichts falsch gemacht – das taugt mir. Wenn wir dann was verkaufen würden, wäre es natürlich noch besser. Darüber hinaus bin ich der Meinung, das Leben soll auch Spaß machen. Auch im Job, wo man mehr Stunden verbringt als zuhause.

Eckdaten:

Baumit GmbH, Wopfing

Branche: Bauen

Anzahl der Mitarbeiter*innen: 680

Web: www.baumit.at