Arch+More ZT GmbH
Weiterarbeiten am Bestand
Gerhard Kopeinig, Ingrid Domenig-Meisinger, Patricie Taftová, Arch+More ZT GmbH
Arch+More ist ein Architekturbüro, das sich seit vielen Jahren konsequent und in höchster Qualität auf die nachhaltige Sanierung (Weiterarbeiten am Bestand) und energieeffiziente Errichtung von Gebäuden konzentriert. Darunter finden sich mehrere Mustersanierungen im Förderprogramm des Klima- und Energiefonds, viele Gebäude sowohl im Wohnbau als auch im Nichtwohnbau (Bildungsbau) mit klimaaktiv-Zertifizierungen – die meisten davon in Gold – in ganz Österreich und darüber hinaus. „Wir arbeiten bereits seit 20 Jahren mit vorgefertigten Elementen, die nachhaltig und trennbar sind. Heute nennt man das kreislauffähig.“
Der Einstieg ins ressourceneffiziente Bauen war eine Glückssache, sagt Gerhard Kopeinig. Ein Linzer Bauträger sanierte 2003 eine Wohnanlage und hatte große Probleme mit den Mieter*innen und der Ausführung im Detail. ARCH+MORE wusste Rat: Ein Verantwortlicher vor Ort wurde eingebunden, mittels vorgefertigter Fassadenelemente konnte die Sanierung in kürzester Zeit durchgeführt werden, ohne dass die Mieter*innnen ausziehen mussten. Zudem erhielten die kleinen Wohnungen eine Loggia, einen Sonnenschutz für die Fenster und eine Komfortlüftung mit Wärmerückgewinnung. Auch die Stadt half mit und ermöglichte durch einen Radweg einen größeren Abstand des Gebäudes zur viel befahrenen Straße. Eine Win-win-Situation für alle.
Obwohl in der Wohnbausanierung erstmal nicht viel weiterging, tat sich für Kopeinig und sein Netzwerk ein neues, großes Fenster auf – im Bildungsbau: „Die Bildungskonzepte haben sich geändert. Es ging nun darum, offene Lernzonen und Gruppenräume zu schaffen, um Kinder fordern und fördern zu können. Wir haben es mit dem systematischen Ansatz geschafft, die Baustellen in der Ferienzeit abzuwickeln. Das war uns wichtig. Es ist nicht gut, wenn Kinder zum Lernen in Container ausgesiedelt werden müssen.“ Das etwas später aufgelegte Mustersanierungsprogramm des Klima- und Energie-Fonds war ein klarer Pusher für öffentliche Sanierungen: „Die Gemeinden haben verstanden, dass sie mehr Geld bekommen, wenn sie ein bisschen mehr machen.“ Das habe sich positiv hochgeschaukelt.
BUSINESSART: Auf ein Projekt sind Sie ganz besonders stolz: auf die Sanierung eines denkmalgeschützten Feuerwehrhauses in Velden, das heute als Musikschule genützt wird. Trotz vieler Auflagen und der dadurch bedingten Einschränkungen beträgt die Energieeinsparung 80 Prozent. Wie ist das gelungen?
Gerhard Kopeinig: Es ist eine super Zusammenarbeit mit dem Denkmalamt gelungen. Wir haben die inneren Fenster der Kastenfenster mit Isolierglas bestückt, innen mit 8 cm Calciumsilikat-Platten gedämmt, ins Dach 40 cm Zellulosedämmung eingeblasen und eine Komfortlüftung mit waschbaren Leinensäcken entwickelt, die man wie einen Vorhang aufhängt. Das macht das Unterrichten auch in kleinen Räumen möglich.
Sind Informationen zu diesen Projekten auch öffentlich zugänglich?
Ja, sie sind alle auf der Website „Mustersanierung“ nachzulesen. Zum Projekt in Velden geht es hier.
Wie die Bewohner*innen die Gebäude nutzen, beeinflusst wesentlich den laufenden Energieverbrauch. Wie gelingt es, die Nutzer*innen mitzunehmen?
Das laufende Monitoring ist wichtig – da kannst du jede*n mitnehmen: vom Bauträger über die Lehrer*innen bis hin zum Schulwart. Es wird sofort ersichtlich, wieviel Energie eingespart bzw. produziert werden kann.
So rasch wie möglich raus aus Gas ist das aktuelle große Thema. Kann das in besonders von Gas abhängigen Bundesländern wie Wien oder Niederösterreich gelingen?
Die Sozialbau AG in Wien zB. hat dazu ein tolles System entwickelt: Die Gasthermen kommen raus und werden durch einen kleinen Boiler ersetzt, mit Leitungen, die über die Kamine ins Dachgeschoss führen. Dort werden sie an die Fernwärme oder eine Wärmepumpe angeschlossen. Das geht schnell und einfach.
Viele dieser Wohnungen haben keine Niedrigtemperaturheizungen – ist das ein Problem?
Nein. Einerseits sind mittlerweile Vorlauftemperaturen bis 65 Grad auch mit Wärmepumpen erzielbar. Wenn im Zuge eines Fenstertausches eine Komfortlüftung eingebaut wird, wird auch Wärme rückgewonnen. Darüber hinaus habe ich die Erfahrung gemacht, dass Heizkörper bisher fast immer überdimensioniert waren. Wir lassen meist vorhandene Heizkörper bestehen und beobachten, ob es funktioniert. Und tauschen erst auf größere, wenn einzelne sich als zu klein erweisen. Klar ist aber auch, dass all diese Projekte an die Grenzen der Normung gehen. Aber man muss den Spielraum ausnutzen und schauen, was geht – und nicht, was nicht geht.
Was sind die wichtigsten Kriterien für eine nachhaltige Sanierung?
- Zukunftsorientiert planen. Wir dürfen nichts hinterlassen, was schwer zu sanieren ist. Die übernächste Generation – die Enkel*innen – müssen die Chancen und Freude haben, die Bauten wieder anzugreifen.
- Flexible Strukturen und Bauelemente, die trennbar sind.
- Eine gute thermische Hülle.
- Klimafreundliche Heizung und Kühlung sind heute kein so ein großes Problem mehr. Mit Erdwärmepumpen, abgehängten Decken, Deckensegeln, Wasser-Wasser-Wärmepumpen (z.B. Brunnen), Plattenwärmetauschern etc. sind auch ökologische Kühlsysteme verfügbar. Vor allem für große Häuser wie Krankenanstalten oder Hotels macht das jedenfalls Sinn. Die Wien Energie entnimmt beispielsweise Wasser aus dem Wien-Fluss, um das AKH zu kühlen.
Ist Sanierung nicht zu teuer?
Auch da braucht es Kreativität, gute Planung und gute Zusammenarbeit aller Beteiligten – dann komme ich auf zwei Drittel der Kosten eines Neubaus. Wenn ich doppelt mopple, kostet die Sanierung genau soviel wie ein Neubau. Aber mehr kostet sie nicht. Wenn ich den Fußabdruck und die volkswirtschaftliche Verantwortung berücksichtige, zahlt sich eine Sanierung immer aus. Es macht nur dann keinen Sinn, wenn ich keine Nachnutzung finde oder keine möglich ist. Meiner Erfahrung nach lassen sich 90 Prozent der Gebäude gut nachnutzen. Österreich ist gebaut. Eine Sanierung kann wunderschöne Lösungen bringen.
Wo steht die Baubranche auf dem Weg zur Nachhaltigkeit auf einer Skala von 0 (kein einziger Schritt gesetzt) bis 10 (alles geschafft)?
Je nach Bundesland, Bauaufgabe und Größe irgendwo in der Mitte. Die Bauwirtschaft geht mit einer Veränderung relativ langsam um, sie ist ein stabilisierendes und träges System. Trotzdem ist aktuell viel in Bewegung – der Change-Prozess ist in vollem Gang und in drei bis fünf Jahren wird die Welt ganz anders ausschauen. Wir schaffen den Wandel, wenn wir die Menschen emotional mitnehmen. Die Bauwirtschaft war bisher vor allem auf den Neubau ausgerichtet, denn mit gleich viel Geld hat man weniger Aufwand, weniger Haftung, weniger Probleme. Das bedeutet, dass die Bauwirtschaft solange wie möglich im Neubau verharrt.
Auch die Ausbildung ist noch nicht auf Sanierung ausgerichtet. Das beginnt schon in der HTL und zieht sich durch bis auf die Uni. Es braucht im Hochbau Bauphysik, Gebäudetechnik, kombiniert mit guter Gestaltung und professionsübergreifendes Arbeiten. Das ist noch lange nicht gegessen.
Was könnte dem Wandel einen Schub verleihen?
- Das gesellschaftliche Klima hat sich seit Corona gewandelt – in Richtung Bestand. Bestehendes wird heute viel mehr wertgeschätzt.
- Fördern und fordern: Wir dürfen niemand zurücklassen, es braucht Lösungen für die Stadt und für das Land. Am Land sind Quartierentwicklungen mitunter schwerer umsetzbar – da muss es Projektförderungen geben.
- Nachhaltigkeit: Wir brauchen nachhaltige Strukturen und Materialien – nur sie führen in die Zukunft – damit müssen wir nicht mehr mit Brückentechnologien weiter arbeiten.
Was sind No-Gos aus Ihrer Sicht?
Der bisherige Projektgeschäft mit seinen PVC-Fenstern, der Innendispersion auf der Wand, dem Laminatboden, dem Styropor an der Fassade – das geht nicht mehr.
Im Gegensatz dazu hat der Betonbau seine Berechtigung: Die Skelettbauten aus den 1970er-Jahren sind gut sanierbar und an neue Nutzungsanforderungen anpassbar. Natürlich muss man sich die Produktionsenergie anschauen und Chemikalien, die als Stützungen notwendig sind, reduzieren und Trennbarkeit sicherstellen (Dämmstoff, Spachtelmasse).
Je nach Bauvorhaben wird es andere richtige Antworten geben. Es braucht den planerischen Willen, Bauträger, die mitgehen und die Mieter*innen mitnehmen wollen.
Was ist der Leitsatz Ihres Lebens?
Miteinander geht’s leichter. Aus diesem Miteinander heraus ist vieles schaffbar, was sonst nicht möglich ist. Miteinander wird es auch schnell konkret, man redet über das, was wirklich möglich ist. Ich will was am Boden sehen, sonst kommen wir mit dem Gebäudebestand nicht weiter.
Was bedeutet „gestalten“ für Sie?
Gestalten ist vielfältig. Klassisch, wie wir das als Architekt*innen kennen, kreativ mit Normen und technischen Details umgehen. Ich erlebe oft Menschen, die keinen Gestaltungswillen haben. Im Prinzip braucht es diesen aber in jedem Beruf, z.B. auch als Finanzwissenschaftler*in oder als Bürgermeister*in. Wir brauchen ihn für eine gute Gesellschaft – genauso wie das Denken in längeren Zeiträumen. Die heute oft gestellte Frage „Für wie lange baust du denn?“ hat keine Berechtigung mehr. Wir müssen bauen wie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: langlebig. Man hat geschaut, dass das, was man macht, möglichst lange hält und gut wandelbar bleibt.
Arch+More ZT GmbH, Velden, Linz, Wien
Branche: Architektur
Anzahl der Mitarbeiter*innen: 10
Website: www.archmore.cc