Harald Rieder, Gerhard Wotawa & Team, CCCA
Wissenschaftlich fundierter Dialog für den Weg in eine nachhaltige Zukunft.
Univ. Prof. Harald Rieder, Dr. Gerhard Wotawa, Obmänner & Team, Climate Change Centre Austria
Das Climate Change Centre Austria – CCCA wurde 2011 in Wien gegründet. Es stellt verlässliche Informationen rund um alle Fragen der Klimawandel- sowie Transformationsforschung für Forschung, Politik, Medien und Öffentlichkeit über seine Geschäftsstelle (CCCA Head Office), ein Servicezentrum (CCCA Service Centre) und ein Datenzentrum (CCCA Data Centre) zur Verfügung. Es ist ein wichtiger Baustein im wissenschaftlich fundierten Dialog rund um den Klimawandel und für den Weg in eine nachhaltige Zukunft.
Im Jahr 2002 war Österreich von außergewöhnlichen Hochwasserereignissen betroffen. Erstmals wurde die Frage, ob Extremereignisse auf den Klimawandel zurückzuführen seien, in der breiten Öffentlichkeit diskutiert. Österreichische Klimawissenschaftler*innen schlossen sich in der Klimaforschungsinitiative AustroClim zusammen, um sich interdisziplinär den wissenschaftlichen Herausforderungen des Klimawandels zu stellen. AustroClim sollte das Thema Klimawandel in der Öffentlichkeit stärker verankern, die erforderlichen Entscheidungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft durch die Bereitstellung wissenschaftlicher Grundlagen unterstützen und – ganz wesentlich – auf die fehlende Forschungsfinanzierung in diesem Bereich aufmerksam machen. Auf Initiative von AustroClim wurde das Forschungsprogramm StartClim ins Leben gerufen, das seit 2002 jährlich mit ungefähr 150.000 Euro fünf bis acht Projekte der Klima- und Klimafolgenforschung fördert.
2007 konnten die Forscher*innen einen weiteren Erfolg verbuchen: die Gründung des Klima- und Energiefonds durch die österreichische Bundesregierung. Ein Jahr später stand dem Klima- und Energiefonds ein Fördervolumen von 145 Millionen Euro zur Verfügung, davon rund vier Millionen Euro für das Austrian Climate Research Program (ACRP). Nach zwei Jahren Vernetzungs- und Koordinationsarbeit sowie intensiver Diskussion über Ausrichtung und Aufgaben wurde das CCCA am 18. Juli 2011 mit dem Ziel gegründet, die österreichische Klimaforschung zu stärken, international zu profilieren und gesellschaftlich zu verankern.
„Der Hintergrund für die CCCA-Gründung war ein doppelter: einerseits der Netzwerk-Charakter, andererseits das Lobbying, sodass sich die Wissenschaft in der Politik und Öffentlichkeit stärker zu Wort meldet.“ Angela Köppl, WIFO (aus CCCA-Broschüre)
Das CCCA übernahm die zentralen AustroClim-Agenden, wie z.B. die Organisation des Klimatags, der größten Vernetzungsveranstaltung der Community. Seit 2019 ist das CCCA finanziell neu organisiert und auf die Unterstützung seiner Mitglieder sowie Projektgelder angewiesen. Die langfristige Finanzierung ist durch diese neuen Voraussetzungen zwar noch nicht gesichert, dennoch betreibt das CCCA weiterhin erfolgreiche und wichtige Arbeit für die österreichische Klima(folgen)forschung.
Die größten Meilensteine am Weg waren der österreichische Sachstandsbericht Klimawandel 2014, Spezialberichte, Klimatage, K-3-Konferenzen und die 11-Jahresfeier mit CCCA-Wissenschaftler*innen und Vertreter*innen aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Medien.
Als Netzwerkagent unterstützt das CCCA die österreichischen Klima(folgen)forscher*innen u.a. das APCC, die Disseminierung von Forschungsergebnissen, Stakeholder Workshops, Vernetzung diverser Akteur*innen aus Wissenschaft, Forschung, Verwaltung, Öffentlichkeit. Gefördert wird der inter- und transdisziplinäre Austausch (bspw. durch Veranstaltungen wie den Klimatag oder ACRP Dialog) und damit auch die „Third Mission“ der Hochschulen, also die aktive und bewusste Übernahme von Verantwortung und Gestaltung von gesellschaftlichen Prozessen gefördert.
Als Host der internationalen Vernetzungsplattform trägt das CCCA zur Sichtbarkeit österreichischer Forschung im Ausland bei und unterstützt österreichische Forscher*innen bei der Beteiligung an internationalen Forschungsvorhaben. Damit stärkt das CCCA zusätzlich den Wissenschaftsstandort Österreich bei.
Das CCCA hat sich zudem zu einem zentralen Ansprechpartner für zahlreiche Akteur*innen aus Verwaltung, Politik, Forschungsförderung, Medien aber auch der breiten Gesellschaft im Bereich Klimawandel, Klima(folgen)- und Transformationsforschung sowie zu einem Sprachrohr der Forschungsgemeinschaft entwickelt.
Evidenzbasierte Entscheidungen in wirtschaftlichen oder politischen Maßnahmen sind wichtig, weil sie nachhaltigere, kosteneffizientere und wirksamere Lösungen bringen als „Entscheidungen aus dem Bauch heraus“. Die Corona-Krise hat gezeigt, wie wesentlich es ist, evidenzbasierte Maßnahmen zeitgerecht zu setzen und, dass drastische Maßnahmen, wenn sie eindeutig kommuniziert und verstanden werden, bei der Bevölkerung auch auf breite Akzeptanz stoßen. Allerdings muss die Einbindung wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Politik damit umgehen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse fortlaufend aktualisiert und teilweise adaptiert werden. Die österreichische Bundesregierung hat sich darauf geeinigt, Wissenschaftskommunikation in Österreich zu stärken. Österreich hat hier besonderen Aufholbedarf, denn jüngsten Umfragen zufolge herrscht in der Bevölkerung eine höhere Skepsis gegenüber der Wissenschaft als in anderen europäischen Ländern. Es ist die spezielle Stärke des CCCA-Netzwerks wissenschaftliche Erkenntnisse aus verschiedenen, für die Überwindung der Klimakrise relevanten Disziplinen zusammenzuführen und in Form von konsolidierten und gut abgesicherten Ergebnissen Entscheidungsträger*innen zur Verfügung zu stellen.
BUSINESSART: Wie hat sich Ihre Kommunikations- und Vernetzungsarbeit über die Jahre verändert?
Harald Rieder: Das Thema „Klimawandel“ wird auch in der Öffentlichkeit immer präsenter. Es geht nicht mehr um die Frage, ob es nun den menschengemachten Klimawandel gibt, sondern viel mehr um Lösungen und diese nach außen zu Anwender*innen und Öffentlichkeit zu kommunizieren – vor allem über positive Narrative zu den Benefits dieser sozial-ökologischen Transformation.
Wen möchten Sie für einen wissenschaftlich fundierten Dialog um den Klimawandel in Zukunft noch gewinnen?
IV und Industrie, WKO, LWK, Blaulichtorganisationen, Gemeindebund – und zwar nicht nur die Nachhaltigkeits- und Klimabeauftragten.
Warum ist es wichtig, wissenschaftliche Daten langfristig und öffentlich zur Verfügung zu stellen, wie es das CCCA-Datenzentrum tut?
Daten sind für die Forschung zum Klimawandel notwendig. Über das CCCA-Datenportal stellt das CCCA-Datenzentrum den Zugang zu den verteilten Informationen der CCCA-Mitglieder und anderen Institutionen zur Klimaforschung in Österreich sicher. Ziel ist die Integration, das Auffinden und das Verfügbarmachen verschiedenster Daten an einer zentralen Stelle. Diese Daten umfassen nicht nur meteorologische Daten (Niederschlag, Temperatur), sondern – eine europaweite Innovation – auch sozialwissenschaftliche Daten, beispielsweise aus Interviews und Befragungen. Dafür wurde eine webbasierte Infrastruktur eingerichtet, die eine transparente Datenkatalogisierung, Datensuche und Archivierung ermöglicht.
Wie wird das Datenportal angenommen?
Klimaforscher*innen nutzen das Datenportal regelmäßig. Darüber hinaus gibt es aber noch Potenzial nach oben.
Die Wissenschafts-Skepsis in der Bevölkerung hat stark zugenommen – wie nehmen Sie die Entwicklung wahr? Wie können wir damit gut umgehen?
Ja, eine wachsende Minderheit der Bevölkerung steht Wissenschaftler*innen und wissenschaftlichen Erkenntnissen sehr kritisch gegenüber. Zehn bis 15 Prozent der Bevölkerung neigen nach aktuellen Erhebungen zu Verschwörungstheorien.
Zunehmend komplexere Krisen machen den Menschen Angst, und wir müssen das sehr ernst nehmen. Auf der anderen Seite müssen wir in der Öffentlichkeit Verständnis dafür schaffen, dass es keine einfachen Lösungen für komplexe Probleme gibt. Der Stand des Wissens erweitert sich ständig, aber es gibt eben auch Gebiete, wo noch große Unsicherheiten bestehen und wo wir noch keine endgültigen Antworten liefern können.
Die zunehmende Verbreitung von Fake News befeuert die Verunsicherung und lässt Meinungen oder Positionen wie Fakten erscheinen. Dies steht im krassen Gegensatz zur wissenschaftlichen Methodik. Wissenschaftliche Erkenntnis basiert auf Evidenz und darauf, die Methodik und mit ihr verbundene Sicherheiten und Unsicherheiten gut zu kommunizieren. Ebenso ist es wichtig aufzuzeigen, wie wissenschaftlicher Fortschritt und wissenschaftliche Erkenntnisse unser Leben verbessert und bereichert haben. Wir müssen den Menschen vermitteln, dass die Wissenschaft unabhängige und kritische Expertise bereitstellt und damit die Basis für evidenzbasierte Entscheidungen legt. Gleichzeitig müssen wir damit umgehen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse laufend aktualisiert werden.
Über Wissenschaft und die wissenschaftliche Methodik zu lernen, muss auf allen Ebenen verbessert werden, von der Volksschule bis zur Erwachsenenbildung. Uns muss klar sein, dass die Ablehnung wissenschaftlicher Methodik und das systematische Leugnen der Realität mittelfristig sowohl unseren Wohlstand als auch unsere Demokratie ernsthaft gefährdet. Es geht nicht primär um uns Wissenschaftler*innen.
Wo steht Österreich auf dem Weg zur Nachhaltigkeit auf einer Skala von 0 (kein einziger Schritt gesetzt) bis 10 (alles geschafft)?
4 bis 5.
Was sind die drei wesentlichen Nachhaltigkeits-Herausforderungen aus heutiger Sicht?
- Ein gemeinsames Zukunftsbild zu entwickeln, zu teilen und voranzutreiben.
- Es ist viel Wissen vorhanden. Aber die Menschen wirklich zu überzeugen, auch entsprechend zu handeln, ist schwer, weil CO2 weder zu sehen noch zu spüren ist.
- Zu erreichen, dass jede*r es als ihre*seine persönliche Verantwortung sieht mitzuwirken – in ihrer Arbeit, aber auch als Privatperson.
- Dass Nachhaltigkeit nicht ohne Klimaschutz funktioniert, aber Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen nicht immer die gesamte Nachhaltigkeit – z.B. auch die soziale Nachhaltigkeit – im Blick haben.
Was sind die wichtigsten Maßnahmen, um diese zu meistern?
- Ein gemeinsames Zukunftsbild zu entwickeln, zu teilen und voranzutreiben.
- Bildung (durch alle Bevölkerungsschichten)
- Strukturen schaffen, um nachhaltiges Handeln möglich zu machen. Denn (ausschließlich) individuelles Handeln fordern ist Schein-Nachhaltigkeit/Klimaschutz.
Was bedeutet „gestalten“ für Sie?
Gerhard Wotawa: Für mich bedeutet gestalten, etwas nachhaltig und bleibend zu verändern. Am schönsten ist immer, wenn diese Beiträge die eigene Amtszeit bzw. die Zeit als Mitarbeiter dauerhaft überleben.
Harald Rieder: Gestalten bedeutet für mich aktiv und mit Umsicht Veränderung einzuleiten, sodass Potenziale gehoben und Ziele erreicht werden können.
Wie lautet der Leitsatz Ihres Lebens?
Gerhard Wotawa: Nichts ist unmöglich, wenn man es wirklich will.
Harald Rieder: Innen muss etwas brennen, damit außen etwas leuchten kann.
Climate Change Centre Austria – Klimaforschungsnetzwerk Österreich, Wien
Branche: Klimaforschungsnetzwerk
Anzahl der Mitarbeiter*innen: 14 (4 Personen Vollzeit)
Website: https://ccca.ac.at