Katharina Rogenhofer
Klimavolksbegehren
380.590 Unterschriften erhielt das österreichische Klimavolksbegehren – und das trotz schwieriger Rahmenbedingungen wie Corona und diverser technischer Gebrechen. Rogenhofer holte im Dezember 2018 mit weiteren Aktivist*innen die „Fridays For Future“-Bewegung nach Wien und war maßgeblich an der Organisation der wöchentlichen Klimastreiks beteiligt.
Im April 2019 übernahm sie die Leitung des österreichischen Klimavolksbegehrens und führte es zu diesem beachtlichen Erfolg. Teile der Forderungen wurden wortwörtlich ins Regierungsprogramm übernommen, der Nationalrat wird im Herbst darüber debattieren.
BUSINESSART: Du engagierst dich seit vielen Jahren für Nachhaltigkeit. Was stand am Beginn deines Engagements?
Katharina Rogenhofer: Ich habe mich wissenschaftlich schon länger mit dem Thema Nachhaltigkeit und vor allem mit dem Artensterben beschäftigt – als direkte Konsequenz einer verfehlten Klimapolitik. Ich wollte immer Wissenschaftlerin werden, doch sah bald, dass unser über Jahrzehnte gesammeltes Wissen zur Klimakrise nicht in der Politik ankam.
Während meiner Arbeit für die UN am Klimagipfel in Katowice 2018 lernte ich dann Greta Thunberg und andere mutige Aktivist*innen kennen. Sie hielten Reden am Gang des Konferenzzentrums und berichteten von Fluten, die ganze Stadtteile wegschwemmten, Dürre in ihrer Heimat, Taifunen, die ihre Dörfer vernichteten. Das änderte meine Sicht auf die Dinge. Auf einmal waren es nicht nur Zahlen und Fakten, über die ich las. Es waren Menschen, die betroffen waren – und ihre Geschichten brachten mich dazu, gemeinsam mit zwei Freunden den ersten Fridays-for-Future- Streik in Wien anzumelden. Das war ein neuer Schritt für mich – von der Wissenschaft in den Aktivismus. Aber es ist der Schritt, den es brauchte.
Was waren für dich die wichtigsten Meilensteine? Wo konntest du am meisten bewirken?
Die Klimabewegung hat in den vergangenen Jahren Unglaubliches bewirkt. Ohne die vielen Menschen, die auf verschiedenste Arten aktiv geworden sind, wäre ein Regierungsprogramm mit einem klaren Klimaschwerpunkt, eine Klima-Milliarde, aber auch ein Green Deal auf EU-Ebene nicht möglich gewesen. Für mich war der Schritt ins politische Engagement einer der wichtigsten Meilensteine – beim weltweiten Klimastreik am 15.3.2019 standen dann 25.000 Menschen mit uns gemeinsam am Heldenplatz. Das verändert viel! Mit dem Klimavolksbegehren ist es gelungen, eine sehr breite Allianz für Klimaschutz zu formieren.
Was wird das Klimaschutzvolksbegehren bewirken? Gibt es konkrete Ergebnisse?
Das Klimavolksbegehren hat schon vieles bewirkt: Wir sind mittlerweile über 1.000 Freiwillige in ganz Österreich und haben es geschafft, die verschiedensten Gruppen für Klimaschutz zu begeistern: die sechs großen Religionsgemeinschaften Österreichs, 130 prominente Persönlichkeiten, 200 Unternehmen und 60 verschiedene Organisationen von Gewerkschaften über die Landjugend bis hin zum Roten Kreuz. Und nicht zuletzt haben 380.590 Menschen unterschrieben und so ein Zeichen gesetzt. Jetzt arbeiten wir gerade konkrete Gesetzestexte als Lösungsvorschläge an die Politik aus – diese ist jetzt am Zug. Im November wird das Klimavolksbegehren im Parlament behandelt.
Wenn man sich für Nachhaltigkeit engagiert: Gibt es so etwas wie Gesetzmäßigkeiten für Erfolg oder Misserfolg? Was muss man machen, dass es garantiert schief geht? Was, um höchstwahrscheinlich erfolgreich zu sein?
Nein, ich glaube nicht, dass es Gesetzmäßigkeiten gibt. Greta Thunberg hat gezeigt, dass niemand zu klein ist, um etwas bewegen zu können. Wenn wir aus Überzeugung und mit vollem Engagement hinter einer Sache stehen, dann werden wir etwas verändern. Gerade bei Themen wie Klimagerechtigkeit kann man jedoch schnell ausbrennen, wenn man sieht, wie es um unseren Planeten bestellt ist und wie langsam die Politik handelt. Deshalb ist auch private Nachhaltigkeit wichtig. Sich mit Menschen zu umgeben, die für etwas Ähnliches brennen und sich so ein soziales Netz aufzubauen, ist wohl einer der wichtigsten Schritte, damit man sich langfristig engagieren kann.
Welche Themen sind einfach anzusprechen? Wo tun sich die Menschen schwer?
Oft ist es für die Menschen schwierig, sich vorzustellen, wie eine gute Zukunft aussehen könnte. Das kommt vor allem von der visionslosen Politik der letzten Jahrzehnte. Deshalb macht vielen die Zukunft Angst. Wenn ich aber über die Möglichkeiten spreche, die mutige Klimapolitik mit sich bringt, dann machen Menschen auf und man kann über gemeinsame Lösungen reden: über eine Zukunft, in der sich alle klimafreundliches Verhalten leisten können, in der wir einfach bequem und umweltfreundlich von A nach B kommen und Energie beziehen, die nicht die Umwelt zerstört. Eine Zukunft mit Grünflächen statt Turboversiegelung, weniger Vermüllung der Natur und Hunderttausenden langfristigen Jobs.
Was ist das Wichtigste, das du den Menschen mitgeben kannst/willst?
Findet das, was ihr gut könnt und tut es für die Sache. Das kann beruflich sein oder in der Freizeit – jeder und jede kann etwas zur Nachhaltigkeit beitragen! In einer Führungsposition kann man das Unternehmen nachhaltig ausrichten, als Angestellte*r mit den Chefs reden, als Lehrer*in das Wissen über die Klimakrise vermitteln, als Politiker*in die richtigen Rahmenbedingungen setzen, als Bürger*in Volksbegehren unterschreiben und auf die Straße gehen oder Organisationen unterstützen, die für Nachhaltigkeit eintreten. Wir müssen uns nur alle trauen, Teil der Lösung zu werden!
Was sind deine nächsten Schritte?
Jetzt geht es einmal darum, unsere Forderungen auch in Gesetze zu gießen. Deshalb fokussiere ich mich gerade sehr auf die Parlamentssitzung. Danach ist alles offen.
Wo willst du hin?
Da bin ich mir selbst noch nicht sicher. Die vergangenen zwei Jahre waren überwältigend. Hätte man mir davor von einer globalen Klimabewegung erzählt, oder dass ich ein Volksbegehren koordinieren werde, ich hätte es nicht geglaubt. Ich werde aber auf jeden Fall weiterhin für die Umsetzung einer mutigen Klimapolitik kämpfen – leere Versprechen gab es schon genug.
Welche Rolle spielen Werte für dein Handeln?
Eine sehr große Rolle und ich denke, das sollten sie auch in der Politik wieder tun.
Was sind die wichtigsten Werte für dich?
- Ehrlichkeit: Weil wir jetzt offen über die Klimakrise sprechen sollten.
- Beharrlichkeit: Weil wir jetzt nicht nachlassen dürfen, Taten einzufordern.
- Verantwortung: Weil es an uns liegt, das Ruder herumzureißen.
- Gerechtigkeit: Weil es viele Menschen gibt, die heute schon massiv von der Klimakrise betroffen sind.
Was hat sich durch Corona verändert?
Vieles – im Positiven wie im Negativen. Wir haben sicherlich viel gelernt: dass Meetings auch online funktionieren und man nicht mehr fliegen muss. Oder dass sich manche Wege auch gut mit dem Rad bewältigen lassen. Auf der anderen Seite haben wir eine Rekordarbeitslosigkeit und sollten dieser mit der Schaffung zukunftsfähiger Jobs entgegenwirken. Auch den Moment der Wirtschaftskrise können wir nutzen, um die Wirtschaft auf neue – krisensichere und nachhaltige – Beine zu stellen.
Welche Werte kann man in Unternehmen leben, welche nicht?
Ich glaube, dass man alle gesellschaftlichen und sozialen Werte, die man vertritt, auch im Unternehmen leben kann und sollte. Wie kommen wir sonst in einer Wirtschaft an, die dem 21. Jahrhundert gerecht wird? Gerade ökologische und soziale Nachhaltigkeit müssen wir tief in der DNA aller Unternehmen verwurzeln.
Was ist dein Credo für dein Leben?
You are never too small to make a difference.
Katharina Rogenhofer, Sprecherin und Koordinatorin
Klimavolksbegehren, Wien
Anzahl der Mitarbeiter*innen: 1.000