Martin Steininger, Windkraft Simonsfeld
Er ist einer der Pioniere der Windenergie und hat nun mit seinem Unternehmen als eine der ersten Aktiengesellschaften eine Gemeinwohlbilanz erstellt.
BUSINESSART: Sie haben das Unternehmen vor 25 Jahren gegründet – mit dem Windpark Simonsfeld mit 2 Windrädern. Was war damals Ihre Motivation?
Martin Steininger: Ich habe damals das Gefühl gehabt, dass wir auf eine Klimakatastrophe zusteuern, und niemand etwas dagegen tut. Das Klimathema war ja schon in den 1980-er Jahren relevant, es gab den Bericht des Club of Rome und es ist auf der Ebene der UNO diskutiert worden, inklusive berühmter Protagonisten wie etwa Al Gore. Motiviert hat mich damals auch, dass es angesichts von Ozonloch und Treibhausgasen möglich wurde, auf internationaler Ebene etwas zu bewirken.
Dass wir jetzt dort stehen, wo wir stehen, war schon damals die böse Befürchtung. Alles, was man damals schon hätte ändern können, ist durch die starken Lobbys aus der Industrie verzögert worden.
Das Verhindern ist heute vorbei. Die Klimakrise ist da und das ist der Unterschied. In Wirklichkeit geht es um ein Infragestellen der Art der Zivilisation, wie sie jetzt die zehn reichsten Prozent der Weltbevölkerung leben und praktizieren. Dass es da massiven Widerstand gibt, ist klar.
Wie sind Sie dann zu den ersten Windrädern gekommen?
Ich selbst habe mich nicht dazu berufen gefühlt, eine Firma zu gründen geschweige denn Geschäftsführer und Vorstand zu werden. Das war nicht meine Absicht. Als ich Mitte der 1990er Jahre Peter Haftner in der Umweltberatung in Hollabrunn besucht habe, war ich erstaunt, dass er schon eine Excel-Tabelle mit einem Vergleich der Produktionsdaten verschiedener Windenergieanlagen hatte. Damals hat die Umweltberatung auch Windmessgeräte gekauft, die aus heutiger Sicht eher Windschätzgeräte waren und es gab den Aufruf, sich an den Messungen zu beteiligen. Da habe ich mich gemeldet und so ist das konkret geworden.
Nachdem ich nicht über die Mittel zur Finanzierung verfügt habe, mussten wir alternative Wege suchen. So haben wir mit Peter Haftner, der damals schon des Computers mächtig war, ein Plakat fabriziert, das wir in Ernstbrunn und Umgebung aufgehängt haben. „Mutige gesucht, die ein Windrad bauen wollen“. Da haben sich gleich 20 Leute gefunden, die dann je 5.000 Schilling auf Risiko eingezahlt haben, mit der Verpflichtung, wenn es gebaut wird den Rest auf 40.000 Schilling nachzuschießen.
Da über ein Jahr lang nichts passiert ist haben alle schon geglaubt, dass das Geld weg ist. 1997 hat der damalige Landeshauptmann Erwin Pröll die ersten Windkraftanlagen in Niederösterreich möglich gemacht. Im November kam die Bedingung, dass die Anlagen im März vor der Landtagswahl in Betrieb sein müssen. Innerhalb kürzester Zeit haben 124 Kommanditisten das erforderliche Eigenkapital von sechs Millionen Schilling einbezahlt.
Als die Leute die ersten zwei Windkraftanlagen in Simonsfeld gesehen haben wollten plötzlich viele Leute mitmachen. Aber diese Anlagen war schon ausfinanziert. Aufgrund der großen Nachfrage derer, die etwas Sinnvolles machen wollten und nicht zum Zug gekommen sind, war ich bereit, weitere Standorte für Windräder zu suchen. So ist 2000 der Windpark Hipples entstanden und ich wurde hauptberuflich Geschäftsführer der Windkraft Simonsfeld GmbH & CoKG.
Das klingt nicht danach, als hätten Sie das so geplant.
Ganz und gar nicht. Unser Geschäftsmodell war so: Wir finanzieren und bauen eine Windkraftanlage und erwarten zwar keine großartigen Renditen, aber zumindest, dass nach 12 Jahren das eingesetzte Kapital mit einer moderaten Verzinsung erwirtschaftet wird. Und noch wichtiger: wir wollten, dass Windkraft im Weinviertel funktioniert. Dann bekommen unsere Anleger ihr eingezahltes Geld und eine moderate Prämie zurück, wir schließen die Firma und andere große EVUs bauen weiter.
Durch unseren Erfolg hat sich dann das Geschäftsmodell grundlegend geändert, Kapitalerhöhungen wurden geplant mit Ziel, weiterzumachen.
Wie viele Anlagen haben Sie heute in Betrieb?
Insgesamt 91, mit denen wir den Jahresbedarf an Strom für rund 160.000 Haushalte produzieren.
Wann haben Sie die Aktiengesellschaft gegründet?
Das war 2009 und aus der Zeit heraus eine Notwendigkeit. Vor der Finanzkrise haben wir nur Unternehmensanteile emittiert. Danach war Sicherheit ein großes Thema und viele wollten nicht mehr auf Risiko dabei sein. Darum haben wir dann Anleihen begeben. Wir haben immer versucht, unsere AG als nachhaltiges Unternehmen zu führen und immer auch einen Nutzen für Umwelt und Gesellschaft zu erzielen.
War das der Grund für die Gemeinwohlökonomie und die Erstellung der Gemeinwohlbilanz 2019?
Ich gehe in Pension. Da wollte ich das, was mich als Person in der Windkraft Simonsfeld angetrieben hat, in strukturierter Form an die nächste Generation weitergeben. In der Gemeinwohlökonomie werden auch andere Dinge als der Gewinn betrachtet, wir haben in diesem Sinne auch unsere Satzung adaptiert, dass nicht nur der monetäre Gewinn unser Unternehmenszweck ist.
Und das war immer schon so in der Windkraft Simonsfeld. 2003 haben wir eine Schulpatenschaft mit einer HTL in Nicaragua gemacht und eine gebrauchte Windanlage geliefert, installieren lassen und betreut. Damit war von Anfang an klar, dass wir auch Geld für sinnvolle Sachen – in der Satzung steht „soziale Projekte im Bereich der erneuerbaren Energie“ - ausgeben, die uns keinen wirtschaftlichen Gewinn bringen.
Natürlich haben wir unsere Aktionäre gefragt, wie sie dazu stehen. Der Großteil war einverstanden, aber ein harter Kern war der Meinung, eine Aktiengesellschaft soll Gewinn machen und Punkt.
Und wie sind Sie damit umgegangen? Sie hätten laut Aktienrecht ja auch geklagt werden können, wenn sie nicht auf die Gewinnmaximierung achten.
Unser Argument war immer, das eine schließt ja das andere nicht aus. Aber es war mir wichtig, das in Abstimmung mit meinen Nachfolgern Markus Winter und Alexander Hochauer, auch in die Satzung aufzunehmen. Damit ist es transparent und konkret. Und es ist für alle, die bei uns einsteigen, klar, dass es hier nicht um maximalen Gewinn, sondern auch um soziales Engagement, um die Energiewende und das große Ganze geht. Wir wollen weiterhin möglichst vielen Menschen die Möglichkeit geben, sich zu beteiligen. Daher ist der Aktienbesitz gedeckelt. Deshalb sind wir auch nicht an der Börse, sondern wir haben einen eigenen Handelsplatz.
Wie wirkt sich die Erstellung einer Gemeinwohlbilanz für die Mitarbeiter*innen aus?
Ich hoffe, dass die Leute für den Bereich, in dem sie tätig sind, ihre Handlungsmöglichkeiten sehen. Wir haben von Anfang an versucht, das Unternehmen nachhaltig aufzustellen und zu führen. Jetzt kann sich jede Abteilung konkret anhand von Richtlinien damit auseinandersetzten und schauen, was sie in unsere unternehmerische Gesamtidee einbringen kann.
Was sind die zentralen Herausforderungen für die Energiebranche und im Besonderen für die Windbranche?
Wir planen weiterhin Projekte zu machen. Die politischen Rahmenbedingungen sind derzeit die größte Herausforderung. Schon 1997, als das Land Niederösterreich den Startschuss gegeben hat, habe ich erkannt, dass es einigen in der Politik leider an einem Grundverständnis dafür fehlt, was für die Zukunft wirklich gebraucht wird. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Es wird für mich immer anstrengender, dieses Grundverständnis für eine Energiewende zu vermitteln und verständlich zu machen. Das war dann die Erkenntnis, aus der heraus ich beschlossen habe: Diese Überzeugungsarbeit soll jetzt die nächste Generation leisten.
Warum ist das Ihrer Meinung nach so?
In Niederösterreich ist man der Ansicht, dass man als Land schon genug Windkraftanlagen hat und hofft, dass den erforderlichen Zubau andere Bundesländer machen. Und dann gibt es auch den Widerstand aufgrund persönlicher Befindlichkeiten von Einzelpersonen aus Politik oder Kultur. Interessanterweise hat es bei den meisten Projekten, die gescheitert sind oder schon seit 10 Jahren nicht umgesetzt werden können, eine Bürgerbefragung gegeben, die positiv ausgegangen ist. Sie sehen, es gibt noch einige Herausforderungen.
Gibt es so etwas wie ein Schlüsselerlebnis für den Weg, den Sie eingeschlagen haben?
Ein Freund meines Vaters ist nach Brasilien ausgewandert und hat erzählt, was er da so macht. Wie dort die Arbeitskräfte ausgebeutet und die Indigenen behandelt werden. Da war ich noch ein Kind. Als Jugendlicher habe ich einen Entwicklungshelfer kennengelernt, der in Bolivien gearbeitet hat und genau das gleiche erzählt hat. Ich wollte dann auch als Entwicklungshelfer nach Nicaragua gehen, doch da hatte meine jetzige Frau etwas dagegen. Und so bin ich geblieben und haben mich hier engagiert. Dass es die Windkraft wurde, war Zufall.
Was können Sie anderen Menschen / Unternehmen aus Ihrer Erfahrung mitgeben?
Wenn einen etwas bewegt, sollte man auf jeden Fall versuchen, etwas zu tun und zu verändern, egal wie aussichtslos es erscheint. Nichts ist schlimmer, als im Nachhinein damit zu hadern, was man hätte tun können und den richtigen Zeitpunkt verpasst zu haben.
Was ist der Leitsatz Ihres Lebens?
Buen vivir – gutes Leben für alle, basierend auf der Lebensphilosophie der indigenen Völker Südamerikas.
Martin Steininger, Firmengründer und Vorstand
- Windkraft Simonsfeld AG, Simonsfeld
- Branche: Energie
- Mitarbeiter*innen: 77
- www.wksimonsfeld.at