Nastassja Cernko, OeKB
Gemeinsam mit einem abteilungs- und bankübergreifenden Team hat sie das Sustainable Financing Framework für die OeKB entwickelt, das Grundlage für den ersten Sustainability Bond war.
Die zweite Emission ist in Vorbereitung. Die erste nachhaltige Anleihe, die sie gemeinsam mit Kolleg*innen aus Treasury und der Umwelt- und Sozialprüfung in einer internationalen Investoren-Roadshow vorgestellt hat, war mehrfach überzeichnet. Die OeKB ist durch ihren Einsatz mittlerweile beim ESG-Risk-Rating von Sustainalytics, einem der größten Consulting-Unternehmen für nachhaltige Finanzierungen, auf Platz 1 (!) des gesamten Sustainalytics Universums.
BUSINESSART: Die OeKB arbeitet ja schon viele Jahre am Thema Nachhaltigkeit. Mit dir ist aber ein großer Meilenstein im Kerngeschäft gelungen: ein Nachhaltigkeitsframework für die OeKB zu entwickeln. Was sind die Voraussetzungen für diesen Erfolg?
Nastassja Cernko: Eine wesentliche Voraussetzung hast du bereits selbst genannt: die lange Beschäftigung mit dem Thema der Nachhaltigkeit. Die OeKB ist seit mittlerweile 20 Jahren ein EMAS-Betrieb und verbessert seither kontinuierlich die eigene Umweltleistung. Im Bereich der Export Services und der Entwicklungsfinanzierung führen wir neben der wirtschaftlichen Prüfung von Projekten schon seit Jahrzehnten eine Umwelt- und Sozialprüfung durch und messen die entwicklungspolitischen Effekte. Wir haben daher in der Bank sehr viel Know-how zu diesem Thema.
Was braucht es, um in einem großen Unternehmen so einen Meilenstein setzen zu können?
Es braucht immer die gleichen Aspekte: Es muss klar aufgezeigt werden, welche Wirkungen mit einer Maßnahme erreicht werden können – Stichwort „Business Case“. Es braucht Gespräche mit den relevanten Kolleg*innen sowie mit externen Stakeholdern, um die verschiedenen Perspektiven einbeziehen zu können, und um herauszufinden, wie eine Umsetzung effektiv funktionieren könnte. Und es braucht unbedingt das klare Commitment des Top-Managements. Eine gewisse Beharrlichkeit der Nachhaltigkeitsmanagerin ist auf jeden Fall entscheidend. Ein weiterer wichtiger Aspekt: Die äußeren Rahmenbedingungen können sich rasch ändern. Am Ende sind die Expertise, die Ausdauer und die Leidenschaft des gesamten Teams das Um und Auf für die erfolgreiche Umsetzung des Projekts.
Was waren die größten Hindernisse am Weg? Wie ist es gelungen, sie zu bewältigen?
Als Nachhaltigkeitsmanagerin habe ich in den ersten Gesprächen gemerkt, dass ich mit „meiner Sprache“ im Bereich Sustainable Finance nicht weiterkomme. Ich habe also begonnen, die Sprache der damals für mich neuen Finanzbranche zu sprechen und die Wirkungsbereiche aufgezeigt. Weiters war die Ressourcenfrage herausfordernd. Wir sind ja alle durch das tägliche Geschäft und verschiedene Projekte und Aktivitäten stark ausgelastet. Ich musste daher klären, welche Ressourcen verfügbar sind. Essenziell ist auch, dass die Bedeutung des Projekts für alle klar kommuniziert wird. Das gelingt am besten, wenn das Top-Management involviert ist. Dass dann die Projektarbeit auch mit einer Freude und in einer positiven und konstruktiven Stimmung vorangeht, dafür ist die Projektleiterin verantwortlich. Und aus dem Feedback meiner Kolleg*innen zu schließen, scheint mir das gut gelungen zu sein.
Welche Tipps kannst du, aus dieser Erfahrung heraus, Führungskräften und CSR-Verantwortlichen geben?
Ich denke, es braucht Durchhaltevermögen, Offenheit und Pragmatismus. Damit meine ich, Argumente, Unterstützer*innen sowie Synergien mit anderen Bereichen oder Projekten zu suchen, um zu überzeugen. Also beharrlich neue Wege entdecken. Das führt dann oft dazu, dass aus der ersten Projektidee eine noch viel bessere Maßnahme wird. Das meine ich auch mit „Offenheit“: Ich bin interessiert an den Meinungen und Ideen anderer und sehe auch Widerstand und Kritik als eine wichtige Ressource an, die sicherstellt, dass wir am Ende erfolgreich sind. „Pragmatismus“ klingt jetzt ein wenig uncool, aber ich habe wirklich die Erfahrung gemacht, dass wir einfach ins Tun kommen müssen, auch wenn nicht alles perfekt, einfach und vorhersehbar sein wird, denn wir lernen währenddessen so viel und wir können uns ständig verbessern. Perfektionismus ist lähmend.
Was sind eure nächsten Schritte?
Aus dem Projekt, ein „Sustainable Financing Framework“ zu erarbeiten und einen ersten „Sustainability Bond“ zu begeben, ist mittlerweile ein laufender Prozess geworden. Im „Sustainability Bond Team“ evaluieren wir kontinuierlich, welche Projekte für weitere Nachhaltigkeitsanleihen geeignet sind. Die nächsten Anleihen sind also in Vorbereitung.
Wie verbessert eure Arbeit die Welt?
Durch die vielfältigen Services der OeKB haben wir eine große Bedeutung für die österreichische Wirtschaft. Unser Gesamtziel ist, den Wirtschaftsstandort zu stärken. Mit unseren Produkten schaffen wir für heimische Unternehmen ein gutes Umfeld für ihre Geschäfte, damit Arbeitsplätze erhalten und neue geschaffen werden. So tragen wir zum Beispiel durch unsere Services dazu bei, dass die Kapitalmarktinfrastruktur verlässlich und sicher funktioniert. Ganz wichtig ist auch die Exportwirtschaft, denn jeder zweite Arbeitsplatz in Österreich hängt direkt oder indirekt davon ab. Wir unterstützen im Auftrag der Republik österreichische Exporteure mit günstigen Finanzierungen und helfen, das Zahlungsausfallsrisiko im Ausland abzusichern. In der COVID-Krise haben wir zudem im Auftrag des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) Unterstützungsmaßnahmen aufgesetzt. Darüber hinaus tragen unsere Projekte im Bereich Entwicklungsfinanzierung dazu bei, in Entwicklungs- und Schwellenländern Arbeitsplätze und bessere Lebensbedingungen zu schaffen.
Wie sieht die Zukunft aus, wenn ihr erfolgreich seid?
Wir verstehen uns als Partnerin für die österreichische Wirtschaft und als solche möchten wir diese in ihrem Transformationsprozess unterstützen. Und da ist einiges zu tun, denn die Ziele sind klar formuliert: 2040 will Österreich klimaneutral sein, 2050 soll Europa der erste klimaneutrale Kontinent sein, und China möchte dieses Ziel 2060 schaffen. Die Sustainable Development Goals (SDGs) und der Green Deal der EU bilden den internationalen Rahmen für eine nachhaltige Wirtschaftsweise. Durch unsere Arbeit unterstützen wir heimische Unternehmen bei der Umstellung ihrer Geschäftsmodelle, und wir unterstützen besonders auch jene Unternehmen, die mit ihren nachhaltigen Produkten wichtig für diese Zielerreichung sind. Ein attraktives Zukunftsbild ist für mich: Wir leben in einer globalisierten Welt, die die Vorzüge der regionalen wie der globalen Wertschöpfung kennt und nutzt, in der Menschen in Freiheit leben können, in der die Lebensbedingungen vor Ort gut sind und in der die Umweltauswirkungen unseres Handelns die natürliche Regenerationsfähigkeit nicht überschreitet. Eine Balance also zwischen wirtschaftlichem Erfolg, sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Zukunftsfähigkeit.
Wie gelingt es, ein ausreichendes Momentum zu erzielen?
Ich merke in den Gesprächen mit Vertreter*innen der verschiedenen Branchen national wie international, dass die Dringlichkeit verstanden wird. Wir erleben gerade eine Zeit der Unsicherheit, die wir bestimmt unterschiedlich, aber doch alle auch auf einer sehr persönlichen Ebene wahrnehmen. Damit rückt die „Sinn-Frage“ in den Mittelpunkt unseres täglichen Tuns. Zudem nehme ich wahr, dass angesichts der Größe der Herausforderungen der Wunsch nach Austausch gestiegen ist und es immer mehr Initiativen gibt, die gemeinsam nach Lösungen suchen. Was weiters von entscheidender Bedeutung für dieses Momentum ist: Es gibt strategische und regulatorische Entwicklungen auf europäischer und nationaler Ebene, die die Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt stellen. Neben den Sustainable Development Goals (SDGs) sind hier der Green Deal und der „Aktionsplan Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ der Europäischen Union zu nennen.
Wenn du einen Wunsch frei hättest – was würdest du dir wünschen?
Ein gutes Leben für alle, das die Umwelt intakt lässt.
Welche Rolle spielen Werte für dein Handeln?
Eine sehr große Rolle. Die eigenen Werte zu kennen, ist für mich eine Grundvoraussetzung, um privat wie beruflich die richtigen Entscheidungen treffen zu können. Diese Werte sind für mich persönlich so wichtig, dass es unverzichtbar ist, dass ich sie auch in meinem Berufsalltag leben kann. Und das geht nur, wenn meine Werte mit den gelebten Werten im Unternehmen zusammenpassen. Und das ist der Fall.
Was sind die wichtigsten Werte für dich?
Leidenschaft, Integrität, Vertrauen und Freiheit.
Was hat sich durch Corona verändert?
Gewissheiten und Sichtbarkeit. Vieles, was wir für selbstverständlich gehalten haben, ist plötzlich nicht mehr so oder ist ganz anders geworden. Und sichtbar wurden die Errungenschaften sowie die Versäumnisse internationaler wie nationaler Entwicklungen, wie zum Beispiel die mangelnde Resilienz globaler Wertschöpfungsketten. Und darin sehe ich wirklich eine große Chance, die diese Krise für uns bedeuten könnte: Wir könnten resilienter und nachhaltiger aus dieser Zeit herausgehen, wenn wir uns anstrengen und nicht tatenlos auf bessere Zeiten warten.
Welche Werte kann man in Unternehmen leben?
Ich glaube, dass die Auseinandersetzung mit Werten in einem Unternehmen wirklich wichtig ist. Erst dadurch kommt man zu einem Wertekatalog, auf den man sich fokussieren und beziehen kann. In der OeKB haben wir in einem Prozess, in den Mitarbeitende aller Abteilungen involviert waren, fünf Kernwerte herausgearbeitet: Verantwortung, Vertrauen, Leidenschaft, Augenhöhe und Neugierde.
Welche Herausforderungen kommen 2021 auf uns zu?
Ich sehe die Herausforderung darin, dass wir einerseits Resilienz in unser Wirtschafts- und Gesellschaftssystem bringen müssen, und dass wir andererseits die aktuelle Krise als Chance nutzen müssen, um unsere Wirtschaft und Gesellschaft zu transformieren. Wir brauchen diese Transformation, um den globalen Herausforderungen wie Klimawandel oder Biodiversitätsverlust – es geht hier also um die Funktionsfähigkeit von Ökosystemen und somit um die Grundlage der menschlichen Existenz – erfolgreich begegnen zu können.
Welche Rolle spielen diese Herausforderungen für euch und euer Unternehmen?
Es ist gerade auch in diesen schwierigen Zeiten eine ganz wesentliche Aufgabe für uns, den Wirtschaftsstandort Österreich zu stabilisieren und Arbeitsplätze zu erhalten. Als privates Unternehmen mit staatlichem Auftrag sehen wir unsere Aufgabe aber auch darin, Unternehmen in ihren Transformationsanforderungen zu unterstützen, zum Beispiel im Bereich Nachhaltigkeit.
Wie begegnet ihr den genannten Herausforderungen?
Wir sehen, dass die Nachfrage nach Sustainable-Finance-Produkten seitens der Unternehmen immer mehr an Bedeutung gewinnt. Daher haben wir gemeinsam mit dem Bundesministerium für Finanzen (BMF) ein Finanzierungsprodukt für nachhaltige Inlandsinvestitionen heimischer Exporteure, die „Exportinvest Green“, entwickelt. Nach einer Umfrage, die vor Ausbruch der Corona-Pandemie durchgeführt wurde, stand Nachhaltigkeit bei der Investitionsplanung für die nächsten drei Jahre bei allen befragten Unternehmen im Fokus. In der aktuellen Krise können grüne Investitionen die Rolle eines bedeutenden Impulsgebers für die wirtschaftliche Erholung und den Übergang zu einem nachhaltigen und widerstandsfähigeren Wirtschaftssystem übernehmen.
Was ist dein Credo für dein Leben?
„Leben heißt aussuchen.“ (Kurt Tucholsky).
Nastassja Cernko, Nachhaltigkeitsmanagerin
OeKB, Wien
Anzahl der Mitarbeiter*innen: mehr als 500 in der OeKB Gruppe