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Nunu Kaller, Aktivistin

Sie hat, als Unterstützung für die vielen kleinen Händler*innen Österreichs, im Corona-Lock-down eine digitale Plattform eröffnet und ihnen so die Chance geboten, Produkte und Dienstleistungen auch in dieser schwierigen Zeit zu verkaufen.

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BUSINESSART: Du engagierst dich – seit ich dich kenne – für Nachhaltigkeit. Was stand am Beginn deines Engagements?

Nunu Kaller: Das ist eine sehr gute Frage. Ich weiß noch, dass ich nach zwei Jahren im Tagesjournalismus nach einem Job suchte, der mir mehr Sinn schenkt als „nur“ das möglichst schnelle Berichten über politische Ereignisse – auch wenn ich es sehr mochte, es war mir zu wenig. Ich wechselte in die NGO-Branche, zu Beginn noch im Kommunikationsbereich, erst später sollte ich auch inhaltlich an Kampagnen mitarbeiten. Ich war sehr glücklich dort, gerade weil es für mich so viel Sinn ergab, sich umweltpolitisch, aber auch gesellschaftlich einzusetzen. 2012 beschloss ich, ein Jahr lang keine neue Kleidung zu kaufen und darüber zu bloggen. Das war der Startschuss für die Erkenntnis: Wow, ich kann ja auch durch die Art, wie ich berichte, Dinge bewegen. Seither lebe ich nach dem Grundsatz „Tu Gutes und rede drüber“, denn es freut mich, wenn ich Menschen zu einer Verhaltensänderung inspirieren kann.

Was waren für dich die wichtigsten Meilensteine am Weg? Wo konntest du am meisten bewirken?

Sehr große Kapitel in meinem Leben sind meine beiden Bücher, „Ich kauf nix“ und „Fuck Beauty“. Einmal geht’s um die Art, wie unsere Kleidung produziert wird, und welche Auswirkungen das auf Mensch und Umwelt hat, das andere Mal darum, wie wir Frauen uns von Schönheitsidealen und Konsumvorgaben vom Glücklichsein abhalten lassen. Beide Themen sind unglaubliche Herzensthemen von mir, und beide Male war es eine spontane Idee, die ich beschloss, umzusetzen.

Genauso war es auch bei der Ladenliste: Zwischen erster Idee und erstem Posting auf Facebook lagen knapp drei Minuten, zwei Tage später hatte ich eine fertig programmierte Datenbank und 3000 Einträge (inzwischen sind es 7000). Die Wucht, mit der die Liste viral ging, war sicherlich die größte Story, die ich je produziert habe.

Ich stehe jetzt am Beginn der Selbstständigkeit und möchte meine ganze Erfahrung rund um Nachhaltigkeit, Konsum, CSR und Kommunikation sinnvoll per Unternehmensberatung einsetzen. Das wird sicherlich der größte Meilenstein. Aber mal schauen, was mir noch für spontane Ideen dazwischenkommen.

Wenn man sich für Nachhaltigkeit engagiert: Gibt es so etwas wie Gesetzmäßigkeiten für Erfolg oder Misserfolg? Was muss man machen, dass es garantiert schief geht? Was, um höchstwahrscheinlich erfolgreich zu sein?

Da halte ich es mit einem der unnachhaltigsten Unternehmen der Welt und sage: „Just do it!“ Ich bin absolut überzeugt davon, dass das, was man gerne tut, und wofür man brennt, immer einen Sinn hat. Natürlich sind Kampagne und Kommunikation auch ein Handwerk, das man lernen muss, aber das Wichtigste ist fix, dafür zu brennen und mit Haut und Haaren überzeugt davon zu sein. Dinge, die bei mir im Vorfeld bereits ein bisschen Bauchweh erzeugen, gehen oft nicht auf, weder beruflich noch privat.

Was sind deine nächsten Schritte?

Ich möchte mich im beratenden Bereich selbstständig machen. Mein großes Anliegen ist es, dass Unternehmen nicht nur die richtigen, weil wesentlichen Bereiche ihrer Wertschöpfung identifizieren und bearbeiten, sondern auch die richtigen Geschichten erzählen. Ehrlichkeit und Redlichkeit in der Kommunikation erzeugen weitaus mehr Vertrauen bei Konsument*innen als Greenwashing und Übertreibung. Dafür möchte ich gerne meine jahrelange Expertise einsetzen.
Außerdem kommt im Frühjahr 2021 mein neues Buch raus, in dem ich mich auf die Suche nach gutem Konsum mache.

Wie verbessert deine Arbeit die Welt?

Das müssen andere mir sagen. J Glücklicherweise tun sie das auch. Jedes Mal, wenn ich eine Nachricht bekomme, dass jemand nach dem Lesen meines Buchs sein Einkaufsverhalten umgestellt hat oder sich anderweitig „empowered“ fühlt, ist das für mich unbezahlbar. Oder wenn mir Händler*innen schreiben, dass sie durch die Listung auf meiner Website gut durch den Lock-down gekommen sind und sogar mehr als vorher verkauft haben. Ich lese jede dieser Nachrichten mit großer Demut, da ich überzeugt bin, dass man zwar nie auf das große Ganze vergessen darf, aber auch bei sich selbst anfangen kann.

Wie sieht die Zukunft aus, wenn du erfolgreich bist?

H&M geht krachen ... Nein, ernsthaft, ich hoffe darauf, dass es zukünftig weniger Wegwerfkonsum gibt und viel mehr nachhaltiges Angebot in Form von Mehrweg-, Pfand- oder Tauschprodukten. Dafür braucht es die Nachfrage der Konsument*innen – und die möchte ich vergrößern. Außerdem hoffe ich stark darauf, dass weniger Unternehmen Greenwashing betreiben, sondern ihre Nachhaltigkeitsunternehmungen sinnvoll angehen und redlich kommunizieren.  

Wie gelingt es, ein ausreichendes Momentum zu erzielen?

Ich denke, dass es sehr wichtig ist, nicht nur authentisch zu arbeiten und kommunizieren, sondern auch, Menschen beim Sinn und bei ihrem persönlichen Mehrwert abzuholen. In dem Moment, in dem Leute verstehen, dass beispielsweise ein Pfandsystem auch ihnen ganz persönlich Vorteile bringt, in dem Moment entsteht mehr Drive für das Thema.

Wenn du einen Wunsch frei hättest – was würdest du dir wünschen?

Dass das Aufhalten des Klimawandels die konsequente Basis aller politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen wird, und zwar international und branchenübergreifend überall und streng wissenschaftsbasiert. Dann würde beispielsweise der unfassbar umweltzerstörerischen und menschenverachtenden Fast-Fashion-Industrie sofort ihre Geschäftsgrundlage entzogen werden, und das ist nur ein Beispiel von vielen.

Welche Rolle spielen Werte für dein Handeln?

Meine eigenen eine sehr große.

Was sind die wichtigsten Werte für dich?

Im beruflichen Kontext definitiv Gerechtigkeit, Ehrlichkeit, Redlichkeit.

Was hat sich durch Corona verändert?

Ich sehe einerseits, dass es in vielen Menschen ein Umdenken in ihrem Konsumverhalten ausgelöst hat, andererseits habe ich große Sorge, dass Nachhaltigkeitsagenden in Unternehmen jetzt hintan gereiht werden, weil kein Geld dafür da ist. Zeit fürs Umdenken ist jetzt, das war zwar schon vor Corona so, aber die Pandemie hat nochmal den Turbo-Booster dafür ausgelöst.

Welche Herausforderungen kommen 2021 auf uns zu?

Es erwartet uns eine Wirtschaftskrise, die sich gewaschen hat, und der Konkurs vieler kleinerer Unternehmen. Politik und Wirtschaft selbst müssen jetzt die Chance ergreifen, Nachhaltigkeit zu fördern und zu verhindern, dass durch die Krise nur die Großen noch größer werden. Ich bin überzeugt, dass die Kundschaft dafür groß ist – ich erlebe jetzt schon einen sehr großen Trend in Richtung „heimisches Handwerk bevorzugen“ beispielsweise.

Welche Rolle spielen sie für dich und dein unternehmerisches Handeln?

Ich möchte dazu beitragen, dass genau dieses Umdenken auch ein Publikum findet. Und zwar voll motiviert. J

Was ist dein Credo für dein Leben? 

Vielleicht etwas ungewöhnlich, aber: „Es ist so.“ Dieser Satz steht nicht nur in meiner Familie dafür, dass man schwierige Situationen, die man nicht verändern kann, annehmen muss, um nach vorne schauen zu können, sondern bedeutet für mich persönlich auch, dass man Menschen dort abholen muss, wo sie stehen. Wo es für sie „so ist“. Nur dann ist Veränderung möglich.

Nunu Kaller, Autorin und Aktivistin, Wien

www.nunukaller.com