Peter Vandor, WU Wien / Social Entrepreneurship Center
Der Social Impact Award (SIA) wurde 2009 von Peter Vandor und dem Institut für Entrepreneurship und Innovation (E&I) an der WU Wien mit dem Ziel gegründet, studentische Sozialunternehmer*innen in Österreich nicht nur auszuzeichnen, sondern auch in ihren ersten Schritten zu unterstützen.
Das Format war so erfolgreich, dass es mittlerweile in 20 Ländern durchgeführt wird und potente Partner wie die Erste Stiftung und den Impact Hub Vienna gefunden hat. 2018 wurde für den Award eine eigene gemeinnützige GmbH gegründet, um das inzwischen global ausgerollte Programm nachhaltig managen und finanzieren zu können.
BUSINESSART: Du engagierst dich seit mehr als 10 Jahren für Social Entrepreneure. Wie kam es dazu?
Peter Vandor: Das Interesse am Sozialen gab es schon lange. Ich habe unter anderem als Zivildiener in einer basalen Förderklasse gearbeitet, Fundraising-Events gemacht und dergleichen. Zugleich habe ich mich dann gerade im Zivildienst oft gefragt, ob man Dinge nicht anders, vielleicht besser organisieren könnte. Als ich später im Studium vom sozialem Unternehmertum gehört habe, hat mich das dann angesprochen. Letztlich geht es genau darum: Es ist eine Einladung, auch im sozialen und ökologischen Bereich Dinge neu zu denken, mal etwas neu auszuprobieren.
Ich habe dann später am Institut für Entrepreneurship und Innovation an der WU promoviert und hatte dort das große Glück, dass Offenheit für das Thema da war. Ich habe so zuerst eine Lehrveranstaltung zu Social Entrepreneurship starten können und überlegt, was man tun könnte, um das Thema sichtbarer zu machen, auch über die WU hinaus. Die Idee war, einen Wettbewerb zu schaffen, der angehende Social Entrepreneurs auszeichnet und einer breiteren Öffentlichkeit zeigt, was eigentlich alles möglich ist. Andererseits waren von Anfang an auch Unterstützungsleistungen bei der Gründung mitgedacht, weil sozial gründen nun wirklich nicht so einfach ist. Jede und jeder soll teilnehmen können, auch ohne jedes Vorwissen zum Thema. Das ist bis heute so.
Welche Hindernisse musstest du aus dem Weg räumen?
Ein großes Hindernis ist natürlich immer wieder die Finanzierung, für unsere Ventures genauso wie für uns selbst. Unsere erste Finanzierung war dabei recht ungewöhnlich. Das Institut erhielt eine Spende von einigen Tausend Euro mit der Auflage, damit „etwas Sinnvolles für die Studierenden“zu machen. Die Spende war selbst aus einem Preisgeld dotiert, dem Schumpeter-Preis der Wirtschaftskammer, den der damalige AirBerlin-CEO Joachim Hunold erhalten hatte und uns spontan geschenkt hat. So viel Glück hatten wir nicht immer. Fundraising bedeutet letztlich, viele Klinken zu putzen und Überzeugungsarbeit zu leisten für ein Konzept, unter dem sich gerade in den ersten Jahren nicht viele etwas vorstellen konnten.
Aber auch sonst gab es viel für mich zu lernen, von Buchhaltung und Teamführung bis hin zu Wissensmanagement und Internationalisierung. Wir waren von Anfang an selbst ein Start-up, da läuft man schon viele leere Kilometer.
Was waren für dich die wichtigsten Meilensteine am Weg?
Der vielleicht wichtigste Meilenstein für mich war die Einreichdeadline im ersten Jahr, 2009. Wir wussten bis zum Schluss nicht, wie viele Leute sich melden werden, haben gehofft, dass es zumindest für drei passable Preisträger*innen reicht. Als wir dann, trotz kaum vorhandener Kommunikation im Vorfeld, 59 Einreichungen aus ganz Österreich bekommen haben – großartige Projekte von Berufsschulen für äthiopische Waisenmädchen bis hin zu Ausstellungskonzepten für Sehbehinderte – war mir klar: Das macht nicht nur in meinem Kopf Sinn, das braucht es tatsächlich!
Ein großer Meilenstein war auch der erste Social Impact Award außerhalb Österreichs 2012 in Prag. Wir konnten erstmals sehen, dass die Lernprozesse, die wir in Österreich ausgearbeitet haben, auch in anderen Kontexten gut funktionieren und sinnstiftend sind, später auch am Balkan, in Zentralasien und sogar in Ostafrika. Unsere Partner in Uganda, SINA, haben letztes Jahr Social-Impact-Award-Workshops in den größten Flüchtlingslagern Afrikas gehalten und so viele Gründungen von Geflüchteten auf den Weg gebracht. Das ist natürlich der Hammer und für uns unglaublich motivierend.
Dahinter stecken auch viele wichtige Meilensteine in der Art und Weise, wie wir arbeiten. Die Zusammenarbeit mit dem Impact Hub Wien, der 2013 operativ in den Lead gegangen ist, war zum Beispiel ganz wesentlich, die Umwandlung unserer Partnerschaften in ein Lizenzsystem, die Stärkungen unserer Inkubation, zuletzt auch die Ausgründung 2018 in eine gemeinnützige Gmbh ... Und viele, viele operative Details, die einen großen Unterschied gemacht haben.
Wo konntest du am meisten bewirken?
Unsere Erfahrung ist, dass der Social Impact Award besonders viel für angehende Gründer*innen in der Frühphase bewirkt, wenn die Idee noch nicht ausgereift, die Intentionen noch nicht ganz klar ist. Viele Ventures, die später erfolgreich waren – zum Beispiel Whatchado, Collective Energy, das „Projekt Schule für Alle“ oder die Plasticpreneurs–, haben ihre ersten Meter bei uns gemacht. Das gilt auch in Gründungs-Ökosystemen außerhalb Österreichs. Mit Sozialunternehmen, die bereits erfolgreich sind, wollen viele arbeiten, bei der Grundlagenarbeit ducken sich aber viele weg – wir nicht. Dazu macht die Frühphase zu viel Sinn und Spaß.
Du hast aus dem Projekt eine erfolgreiche, sogar internationale Bewegung gemacht. War das von Anfang an dein Ziel?
Nein, gar nicht, das war eher ein Hineinstolpern. Ich habe erstmal versucht, ein Problem zu lösen, das mich hier vor Ort beschäftigt hat. Die Internationalisierung hat sich erst ergeben als klar war, dass es diese Lücke, die wir in Österreich schließen, auch in anderen Ländern gibt, und dass das Konzept womöglich auch woanders tragfähig ist. Mit wenigen Ausnahmen sind die Ökosysteme für soziale und ökologische Entrepreneurs in ganz Europa und Zentralasien ja sehr bescheiden ausgebaut, da kann man mit einem einzelnen Programm wie dem Social Impact Award oft einen echten Unterschied machen.
Die ERSTE-Stiftung war da auch nicht ganz unwesentlich. Sie hat uns, damals wie heute, stark unterstützt, sie hatte viele Kontakte in die Region, die uns weitergeholfen haben. Wir haben allerdings einige Anläufe gebraucht bis wir ein Internationalisierungsmodell gefunden haben, das auch in der Größe trägt.
Wie ist dir das gelungen? Wie hast du deine Rolle gefunden?
Mir ist das nicht gelungen, da waren wirklich viele Leute beteiligt: Nicole Traxler, Cezar Neaga, Jakob Detering und viele, viele andere, die das Projekt über die Jahre operativ gestaltet haben!
Eine wichtige Entscheidung war für mich dabei, mich nach einigen Jahren operativ etwas zurückzunehmen. Ich wollte ja auch promovieren, irgendwann war klar, dass sich beides nebeneinander nicht ausgeht.
Welche Rolle spielst du heute?
Ich leite gemeinsam mit Reinhard Millner das Social Entrepreneurship Center an der WU und bin von dort aus natürlich immer noch eng mit dem Social Impact Award verknüpft. Wir führen die Wirkungsmessung durch, halten Workshops in Österreich und international, helfen bei der Auswahl und Betreuung der Finalist*innen mit. Darüber hinaus bin ich einer der drei Eigentümer der nicht-ausschüttenden Social Impact Award gGmbH und kann dort an der Strategie und Weiterentwicklung des Social Impact Award mitwirken.
Was sind deine nächsten Schritte?
Ein Thema, das mich gerade stark beschäftigt, ist die psychische Gesundheit von sozialen Gründer*innen. Unsere Forschung zeigt, dass leider sehr viele Gründer*innen im Laufe der Zeit unter chronischem Stress, viele auch unter Burnout leiden. Bei einer Erhebung unter Alumni des Social Impact Award waren zum Beispiel über 40 Prozent der Gründer*innen zumindest zeitweise von Burnout-Symptomen betroffen. Selbst wenn sich die Mehrheit davon gut erholen und im Job bleiben konnte, ist das wirklich problematisch. Gerade weil die Leidenschaft für das Thema, für die Betroffenen groß ist, überfordern sich viele und gehen über ihre Grenzen. Das hat dann drastische Folgen für die Gründer*innen selbst, aber natürlich auch für die Menschen, mit denen sie arbeiten, ihre Teams, die Betroffenen.
Hier wollen wir einerseits durch Forschung besser verstehen, was Burnout bei Sozialunternehmer*innen begünstigt und wie es sich verhindern lässt. Andererseits arbeiten wir im Social Impact Award seit letztem Jahr an verschiedenen Maßnahmen, die die Resilienz unserer Gründer*innen von vornherein erhöhen.
Wie verbessert deine Arbeit die Welt?
Wir erreichen derzeit jedes Jahr mehr als 8.000 junge Menschen in über 200 Workshops und Events, über 200 Ventures durchlaufen jedes Jahr die Inkubation. Über 77 Prozent dieser Ventures sind auch nach 3,5 Jahren noch aktiv und wirken positiv in die Gesellschaft entlang der 17 SDG und spielen Innovation in ihre jeweiligen Branchen ein. Manche sind dabei besonders erfolgreich, die Plasticpreneurs haben zum Beispiel mittlerweile hunderte von Jobs in der zirkulären Ökonomie geschaffen.
Einige dieser Ventures gäbe es wohl ohne uns nicht und sehr viele haben uns zurück-gemeldet, dass sie dank des SIA ihre Ventures signifikant in Bezug auf Wirkung, Stabilität, Team oder Geschäftsmodell weiterentwickeln konnten. Das macht uns schon stolz. Näheres dazu findet sich auch hier.
Wie sieht die Zukunft aus, wenn du erfolgreich bist?
Unser Ziel ist es, bis 2025 dauerhaft in über 20 Ländern tätig zu sein und die Zahl der Menschen, die wir erreichen, nochmal substanziell zu erhöhen. Gerade mit der Pandemie und ihren enormen sozialen und ökologischen Folgekosten ist das wirklich ein wichtiges Ziel. Es braucht jetzt und in den nächsten Jahren neue Energien und Ideen, um den vielen, gerade entstehenden Schieflagen entgegenzuarbeiten. Wo sollen die herkommen, wenn nicht von jungen Sozialunternehmer*innen?
Wie gelingt es, ein ausreichendes Momentum zu erzielen?
Das Momentum ist zum Glück schon vorhanden. In der jetzigen Generation unter 30 ist Unternehmertum viel attraktiver als noch vor wenigen Jahren. Zugleich wird soziales und ökologisches Unternehmertum zunehmend Mainstream, rund 40 Prozent der jetzigen Studierenden die etwas gründen wollen, tun das mit sozialem oder ökologischem Motiv.
Zugleich mangelt es nicht gerade an gesellschaftliche Problemlagen, in denen man tätig werden kann. Unsere Aufgabe ist es, die Leute, die sich auf diesen Weg machen, zu unterstützen, denn bei aller Attraktivität von Social Entrepreneurship: Einfach ist es nicht.
Wenn du einen Wunsch frei hättest – was würdest du dir wünschen?
Mehr Wünsche!
Wenn ich mich auf einen beschränken müsste dann wohl, dass wir im Kampf gegen den Klimawandel ordentlich Meter machen. Der Klimawandel ist die größte Katastrophe unserer Zeit und potenziert alle anderen Problemlagen nur. Letztlich gibt es auch keine soziale und ökologische Entrepreneurs auf einem toten Planeten. Wenn wir sie vernünftig unterstützen, kann soziales und ökologisches Unternehmertum aber mithelfen, uns diesen Wunsch zu erfüllen.
Peter Vandor, Gründer
Social Entrepreneurship Center (WU Wien) und Social Impact Award gGmbH
Anzahl der Mitarbeiter*innen: 10 bzw. 7 (sowie 100+ Partner, Voluntär*innen, Unterstützer*innen)