Rosa Bergmann
Vienna Hobby Lobby
Zuhause ist niemand, und Geld für eine Nachmittagsbetreuung ist auch keines vorhanden. Was machen Kinder in so einem Fall nach der Schule? Sie sind allein zu Hause oder hängen draußen herum. Für sie hat Rosa Bergmann die Vienna Hobby Lobby gegründet – ein kostenloses Freizeitprogramm.
Von Basketball, über Kickboxen bis hin zu kreativen Kursen wie Street Art ist alles dabei. Eine extrem wichtige Unterstützung für Kinder, die sonst vielleicht verloren gingen.
BUSINESSART: Wir haben uns ja bereits einmal darüber unterhalten, wieso du die Vienna Hobby Lobby gegründet hast – es war die persönliche Betroffenheit eines Mädchens, das lieber bei dir in der Schule bleiben als nach Hause gehen wollte. Was ist seither passiert?
Rosa Bergmann: Seither ist erfreulicherweise so einiges passiert: Wir haben mittlerweile die 4. Kursphase gestartet, über 60 Freizeitkurse angeboten und somit mehr als 800 Kinder erreicht und begleitet. Außerdem gab es in diesem Sommer zum ersten Mal Vienna-Hobby-Lobby-Sommercamps. Besonders freut mich, dass wir noch diesen Herbst eine Pilotphase an einem zweiten Standort im 20. Bezirk starten werden.
Mitten in den Aufbau des Unternehmens ist Corona geplatzt. Was bedeutet das für die Hobby Lobby?
Für uns ist Corona weniger herausfordernd als für die Kinder und Jugendlichen, die an unseren Angeboten teilnehmen. Sie leben oftmals auf engem Raum mit ihrer Familie, waren in der Zeit des Lock-downs wenig an der frischen Luft und sind immer noch sehr verunsichert, sie spüren die Angst in der Luft. Im mache mir große Sorgen, wenn ich mit ihnen über ihre Zukunft spreche.
Die größte Schwierigkeit für unsere Organisation ist, dass die Unternehmens-Kooperationen nun schwieriger umzusetzen sind, weil für Sponsoring weniger Geld ausgegeben wird. Die unklaren Vorgaben für die Freizeitpädagogik und die fehlenden Maßnahmen erschweren uns die Arbeit ebenfalls.
Was hilft Kindern in Zeiten wie diesen?
Es tut gut, die Kinder ausgelassen und fröhlich zu sehen, wenn sie einen Kurs bei uns machen. In den Schulen bekommen wir mit, wie verängstigt und angespannt die Kinder sonst sind. Wenn sie mit ihren Freund*innen neuen Hobbies nachgehen können, vergessen sie die Angst ein wenig, die sie sonst so prägt. Trotzdem setzen wir strenge Maßnahmen um, achten auf Masken, Mindestabstand und begrenzte Teilnehmer*innenzahlen. Für die Eltern ist es sehr wichtig, dass ihre Kinder und Jugendlichen bei uns sein können, denn sie haben im letzten Halbjahr besonders viel Betreuungsleistung übernommen und man merkt auch ihnen die Erschöpfung an.
Was sind eure nächsten Schritte?
Zurzeit arbeiten wir an einem Transfer-Konzept, um in Zukunft möglichst viele Kinder und Jugendliche zu erreichen. Der zweite Standort im 20. Bezirk ist ein erster Schritt in diese Richtung. Durch das Begleitprogramm von Bildünger, an dem wir gerade teilnehmen, arbeiten wir intensiv an Veränderungen und neuen Ideen für die Vienna Hobby Lobby.
Wie verbessert eure Arbeit die Welt?
Durch unser Angebot lernen die Jugendlichen ihre Stärken und Interessen kennen, was ihnen wiederum mehr Selbstvertrauen gibt. Durch das Vernetzen mit Gleichgesinnten sowie das Aufbauen von Beziehung in ihrem Umfeld, werden sie besser in die Gesellschaft eingebunden. Wir wünschen uns, dass sie sich durch unsere Unterstützung nachhaltig besser (und auch glücklicher) am Arbeitsmarkt zurechtfinden und in der Zukunft selbstbestimmter handeln können.
Wie sieht die Zukunft aus, wenn ihr erfolgreich seid?
Wenn die Vienna Hobby Lobby erfolgreich ist, dann haben wir ein ganzheitliches Verständnis von Bildung. Weiterbildung wird dann auch außerhalb des Klassenzimmers möglich und Bildung wird nicht mehr mit Schulwissen gleichgesetzt. Unsere Vision ist eine Welt, in der Bildung zu jeder Zeit und an jedem Ort stattfindet. Jedes Kind hat die gleichen Chancen, seine Potenziale zu entdecken und zu verwirklichen. Gemeinsam finden wir den richtigen Berufseinstieg, der eine nachhaltige und glückliche Erwerbsfähigkeit für diese Jugendlichen ermöglicht.
Wie gelingt es, ein ausreichendes Momentum zu erzielen?
Durch die Unterstützung, die wir zurzeit erhalten, sowohl emotionaler als auch finanzieller Art. Dank der Arbeit vieler freiwilliger, begeisterter Menschen können wir etwas bewegen. Das ist ein tolles Gefühl.
Wenn du einen Wunsch frei hättest – was würdest du dir wünschen?
Ich würde mir wünschen, dass alle Kinder die Möglichkeit haben, eine ganzheitliche Bildung zu erfahren und dass es für sie selbstverständlich ist, am Nachmittag Sinnvolles zu erleben. Es sollte selbstverständlich für die nächste Generation sein, die beste Aus- und Weiterbildung zu erhalten, in der Schule sowie außerhalb. Außerdem wünsche ich mir mehr Chancen und Bildungsgerechtigkeit für sozial benachteiligte Kinder und ein faires System.
Welche Rolle spielen Werte für dein Handeln?
Eine große Rolle, vor allem weil ich glaube, dass es wichtig ist, den Jugendlichen diese Werte auch vorzuleben. Durch mein Handeln beeinflusse ich sie viel mehr als man denken würde. Wenn ich herzlich, hilfsbereit und liebevoll mit ihnen umgehe und sie so akzeptiere wie sie sind, dann machen sie das Gleiche mit anderen und ihrer Umwelt.
Was sind die wichtigsten Werte für dich?
Herzlichkeit, Hilfsbereitschaft, Akzeptanz, Begeisterung, Liebenswürdigkeit, Verantwortung, Kreativität, Solidarität und Spaß.
Was hat sich durch Corona verändert?
Ich glaube, dass man sich in seinen Werten von äußeren Umständen nicht beeinflussen lassen sollte. Natürlich mussten wir durch Corona resilienter sein und mit Widerstand umgehen. Jedoch helfen mir die eigenen Werte dabei, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und mich auf das größere Ganze zu fokussieren.
Welche Werte kann man in Unternehmen leben, welche nicht?
Ich glaube, mit einer offenen Kommunikation und Einstellung kann man so ziemlich alles innerhalb eines Unternehmens möglich machen. Dafür braucht man einfach ein offenes, tolles Team und die gemeinsame Idee im Herzen.
Welche Herausforderungen kommen 2021 auf uns zu?
Wenn ich eines im letzten Jahr gelernt habe, dann das, dass man nichts vorhersehen kann und schon gar nichts planen. Deshalb stellen wir uns auf verschiedene Szenarien ein, hoffen auf das Beste und wappnen uns für schwierigere Zeiten. Ich glaube auch, dass es eigentlich viel wichtiger ist, wie man mit Situationen wie einer Corona-Krise umgeht und was man schlussendlich aus ihnen macht.
Welche Rolle spielen sie für euch und euer Unternehmen?
Wir versuchen, uns von den derzeitigen Herausforderungen nicht zu sehr einschüchtern zu lassen, sondern weiter an unserem Projekt zu arbeiten, es weiterzuentwickeln und uns ganz darauf zu fokussieren, wie wir die Kinder und Jugendlichen beim Bewältigen ihrer eigenen Herausforderungen durch die Corona-Krise begleiten und unterstützen können.
Wie begegnet ihr ihnen?
Mit viel Energie, Zielstrebigkeit, Flexibilität und Hoffnung.
Was ist dein Credo für dein Leben?
Ich glaube daran, dass alles aus einem gewissen Grund passiert und habe deswegen Vertrauen, sowohl in die Schwierigkeiten als auch in die Chancen, die sich mir bieten. Wenn man diesen mit einem Lächeln begegnet, scheint immer etwas Positives daraus zu entstehen.
Rosa Bergmann, Gründerin
Vienna Hobby Lobby, Wien
Anzahl der Mitarbeiter*innen: 3 im Kernteam, 4 im Team im 20. Bezirk, eine Praktikantin, knapp 30 Kursleiter*innen