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Sepp Eisenriegler, R.U.S.Z

International federführend zum Thema Kreislaufwirtschaft. Reparieren statt Wegwerfen – dies deckt mehrere Probleme gleichzeitig ab: Ressourcenschonung, Klimaschutz, Beschäftigung Langzeitarbeitsloser, Schaffung von Lehrstellen, Reparaturservice; Living Standards Award für die Europäisierung eines Österreichischen Standards und Lobbying für strenge EU-Standards im Rahmen von CEN-CLC/JTC 10, Mitarbeit an Testmethoden gegen frühzeitige Obsoleszenz.

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Foto: Damien Richard

BUSINESSART: Du engagierst dich seit mehr als 30 Jahren für Nachhaltigkeit. Was hat dich dazu gebracht?

Sepp Eisenriegler: Die frühe Erkenntnis im Rahmen meines Geographie-Unterrichts und -Studiums, dass auf einem fragilen Planeten nicht alles sein darf, was sein kann, ohne unsere Spezies zu gefährden.

Was waren für dich die wichtigsten Meilensteine am Weg?

Meine „Lieferkette“ entspricht den wichtigsten Meilensteinen:

  • Initiierung und Projektvorbereitung von DIE UMWELTBERATUNG (1986–1988)
  • Gründung meines R.U.S.Z und des ReparaturNetzWerk Wien (1998–1999)
  • Gründungsmitglied des EU-Dachverbandes für Sozialwirtschaft RREUSE und Mitinitiator von RepaNet (1999–2004)
  • Entwicklung der ONR 192102:2006 und deren Update 2014 „Gütezeichen für langlebige, reparaturfreundlich konstruierte elektrische und elektronische Geräte“
    gemeinsam mit dem Umweltministerium und dem Normungsinstitut ASI, durch die R.U.S.Z-Techniker*innen (2004 – 2014)
  • Nutzung derselben als eine Grundlage für die EN 45554:2020 und die EN 45552 im CEN-CLC JTC 10 (2016–2018)

Wo konntest du am meisten bewirken?

Zweifellos auf der EU-Ebene:

RREUSE-Präsidentschaft als Lobbyingschule, Mitgestaltung der Ordnungspolitik (Abfallrahmen-Richtlinie, WEEE-Richtlinie, Ökodesign-Richtlinie), strategische Kooperation mit RREUSE, EEB, ECOS und dem wissenschaftlichen Thinktank der EU-Kommission, dem Joint Research Centre JRC.

Und dann kam PROMPT (2019 – 2024) ein H2020-Projekt zur Entwicklung von Testmethoden gegen frühzeitige Obsoleszenz mit wirklich bedeutsamen Partnern. Ich werde es noch erleben, dass im EU-Wirtschaftsraum ausschließlich langlebige, reparaturfreundlich konstruierte, re-use-taugliche elektrische und elektronische Geräte angeboten werden dürfen. Produktdienstleistungen sind jetzt schon die Statussymbole einer wachsenden Minderheit.

Wenn man sich für Nachhaltigkeit engagiert: Gibt es so etwas wie Gesetzmäßigkeiten für Erfolg oder Misserfolg?

Erfolgsfaktoren sind die Zusammenarbeit mit Netzwerkpartner*innen, mit der (Ordnungs-) Politik, der Wissenschaft und den Medien.

Misserfolgsfaktoren können sein: missionsgetrieben und controlling-resistent hehre Ziele zu verfolgen. Das R.U.S.Z ist mehrmals an der Insolvenz vorbeigeschrammt, aber mit dem Glück des Tüchtigen …

Wo tun sich die Menschen schwer?

Es ist gemeinsam gelungen, einen Bewusstseinswandel im Hinblick auf Ressourcenschonung herbeizuführen. Aber auch nur deshalb, weil der Zusammenhang mit Klimaschutz (Greta Thunberg und Fridays for Future waren eine wesentliche Voraussetzung dafür) angekommen ist: Jede Reparatur zögert die Neuproduktion, die über 50 Prozent der Gesamtumweltbelastung ausmacht, hinaus und ist daher ein individueller Beitrag zum Klimaschutz!

Schwierig ist es, Produktdienstleistungen zu „verkaufen“.

Unser R.U.S.Z.-Sorglospaket „Saubere Wäsche“ (Anm. der Redaktion: die Waschmaschine ist gemietet) wird nur von wenigen verstanden. Nach der Werbebotschaft „Geiz ist geil“ wird reflexartig ausgerechnet, wie viele Monate Miete gezahlt werden muss, um den Einkaufspreis der Waschmaschine zu übertreffen. Warum? Weil wir als werbeverseuchte Konsumtrottel nicht in der Lage sind, die Vorteile der Kaufentscheidungen eines Homo Oeconomicus zu verstehen. Im B2B-Bereich werden Produktdienstleistungen bevorzugt. Welches Unternehmen kauft heute noch einen Kopierer? Die Produktdienstleistung Kopieren ist selbstverständlich und im B2B-Bereich zu 100 Prozent Realität. Sind Unternehmen oder Privathaushalte die vernünftigeren Konsument*innen?

Trotz der engagierten Arbeit vieler Menschen wie dir steht die Menschheit näher am Abgrund als je zuvor. Neben der Klimakatastrophe wirft uns Corona nun auch in sozialen Belangen um viele Jahre zurück. Wie geht es dir persönlich damit? Wie gehst du damit um?

Pessimismus hilft niemandem. Wenn die Lage schon beschissen ist, sollte man/frau sich darüber lustig zu machen: Der Spruch „Gestern standen wir noch am Abgrund – heute sind wir schon einen Schritt weiter“ könnte da helfen ...

Angesichts unserer Umsatzzahlen erlebe ich die Corona- und die Klimakrise als „kommunizierende Gefäße“: Im vergangenen Jahr zitierte mich ein STANDARD-Redakteur in seiner Headline: „Fridays for Future hat mir die Firma gerettet.“ Und dann kam Corona: Ich fühlte mich im freien Fall. Aber siehe da: Reparaturdienstleistungen waren nach Ostern gefragter denn je.

Persönlich halte ich das Management der Corona-Krise als Probelauf für das Management der Klimakrise. Was bleibt, ist die Frage: Was kann Corona, was die Klimakrise nicht kann? Jetzt wäre der geeignete Zeitpunkt, um auch zur Lösung der Klimakrise die – kaufmännisch völlig logische – „Koste es, was es wolle“-Politik einzufordern. Also los!

Was ist das Wichtigste, das uns hier weiterhilft?

Um mitzugestalten braucht es beides: zivilgesellschaftliche Eigeninitiative und Ordnungspolitik. Das eine ohne dem anderen bringt uns nicht weiter.

Was sind deine nächsten Schritte?

Wir starten dieser Tage unser Social-Franchising-System, um R.U.S.Z-Filialen in den Ballungsräumen der DACH-Region zu eröffnen. Wenn es nur mehr langlebige, reparaturfreundlich konstruierte, re-use-taugliche elektrische und elektronische Geräte im EU-Wirtschaftsraum zu kaufen oder zu mieten gibt, braucht es eine seriöse Reparatur-Infrastruktur und das nötige Know-how.

Wo willst du hin?

Ich möchte zuerst die österreichische, dann die europäische Seele dazu bewegen, dass sie Dinge nutzen kann, ohne sie ins Eigentum übernehmen zu müssen. Dann werden die Hersteller aus Eigeninteresse vom Verkauf ihrer Produkte zu Produktdienstleistungen umschwenken und ein intrinsisches Interesse an der Produktion und der Vermietung von langlebigen, reparaturfreundlich konstruierten Produkten entwickeln.

Schneller würde es gehen, wenn der Werbeindustrie (und ihren Auftraggebern) Beschränkungen auferlegt werden würden. 5.000 Werbebotschaften pro Tag nach Edward Bernayses Credo „Express yourself!“ machen uns zu Konsumtrotteln. Dabei hätte die Werbeindustrie viel zu tun, die Informationsassymetrie, die heute zwischen Herstellern und Nutzern besteht, auszugleichen.

Welche Rolle spielen Werte für dein Handeln?

Eine sehr große!

Was sind die wichtigsten Werte für dich?

Als Pionier der Gemeinwohlökonomie und Schirmherr des Klimavolksbegehrens fühle ich mich deren Werten verpflichtet.

Was hat sich durch Corona verändert?

Die Auftragslage hat sich trotz einer Schließung von vier Wochen weiter verbessert. Neuerdings bringt uns der Wiener Reparaturbon an unsere Kapazitätsgrenzen.

Welche Werte kann man in Unternehmen leben, welche nicht?

Im Unternehmen muss sich alles „rechnen“. Zehn Jahre (2008 – 2018) R.U.S.Z als ökonomische Liebhaberei hat Nerven gekostet. Wo ich mich doch der Reparatur der Welt widmen sollte ... (lacht)

Was ist dein Credo für dein Leben? Der Satz deines Lebens?

Ressourcenschonung ist die Mutter des Umweltschutzes, darum: All you need is less! Ist doch ganz einfach – wir schaffen das!

Sepp Eisenriegler, Gründer, Eigentümer und Geschäftsführer

Reparatur- und Service-Zentrum R.U.S.Z, 1140 Wien

Anzahl der Mitarbeiter*innen: 25

www.rusz.at