Neue Wahrzeichen verbinden Kunst & Klimaschutz
Sie sind eine Art Wahrzeichen in Ostösterreich, die Silotürme, die ab den 1950er-Jahren bis in die 1970er-Jahre zur Getreidespeicherung in vielen Gemeinden errichtet wurden. Groß, und eigentlich ziemlich hässlich, überragen sie alles andere. Viele stehen heute leer, weil Getreide wieder vermehrt in Hallen oder Metallsilos gelagert wird. Aber abreißen wäre teuer, und wer weiß, vielleicht braucht man sie ja eines Tages wieder.
Da steht eine Ressource, die nicht genutzt wird. So etwas stört Armin Knöbl grundsätzlich, und ganz konkret, wenn es um Silotürme geht. Kurzerhand analysierte der studierte Humanökologe im Rahmen seiner Masterarbeit verschiedene Konzepte und Ideen, wie diese ganz spezifischen Gebäude neu genutzt werden könnten. Zum Beispiel indem die Sonnenseiten mit PV-Modulen bestückt werden. Die Idee klingt gut, aber die Ausführung war vor drei Jahren noch viel zu teuer. Erst heute, mit der Möglichkeit von Energiegemeinschaften, den öffentlichen Förderungen und den gestiegenen Energiekosten ist die Nutzung als Solarkraftwerk auch wirtschaftlich attraktiv. So weit so gut. „Aber erst die Verbindung mit der Kunst haut dich vom Hocker“, sagt Lucas Silhanek, der technische Experte, der über Vermittlung von Hubert Fechner, einer Ikone der PV-Industrie, dazu kam. Ein bis zwei Seiten der Türme sollen zu Kunstwerken werden, die von den Bewohner*innen vor Ort oder von Unternehmen gesponsert werden können.
Ein steiniger Weg
Die ersten Gespräche mit Turminhaber*innen verliefen ernüchternd: „Wir sind am Anfang überhaupt nicht ernst genommen worden. Obwohl wir alle Techniker*innen sind, die erfolgreiche Projekte vorweisen konnten, waren die Skepsis und der Widerstand enorm“, sagt Silhanek. „Damit hatten wir nicht gerechnet, weil es ja eine Win-win-Situation für alle ist.“ Er ist heute noch über manche Gesprächspartner*innen spürbar entsetzt: „Es gibt Menschen, die dir beim Thema Klimawandel ins Gesicht lächeln, während wir dem Untergang entgegenschreiten.“ Intensive Überzeugungsarbeit führte schließlich zur Zusage, in Engelhartstetten das erste Projekt durchführen zu dürfen.
Aber die nächsten Hürden warteten schon: Aufgrund der statischen Voraussetzungen mussten spezielle Module und die dazu passende Unterkonstruktion gefunden werden. Mitten im Projekt stieg der wichtigste Investment-Partner und Errichter trotz einer zugesagten Spezialförderung des Klima- und Energiefonds und einer AWS-Förderung aus. Silhanek: „Damit haben wir auf einen Schlag den Errichter und Financier verloren.“
Es gibt Menschen, die
dir beim Thema Klimawandel
ins Gesicht lächeln,
während wir dem Untergang
entgegenschreiten.
LUCAS SILHANEK
Wieder disponierte das Team um. Es fand einen neuen Financier (der nicht genannt werden will) und einen neuen Errichter, das Teammitglied Lucas Silhanek: „Ich habe kurzerhand die Elektrikkonzession gemacht und eine Firma gegründet. Damit können wir nun alles selbst machen.“
Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Die Kunstwerke kann man bereits am Turm bewundern. Die PV-Module sind bestellt und bezahlt. Aufgrund von Lieferengpässen werden sie aber erst im November 2022 montiert, sofern das Wetter mitspielt – ansonsten verschiebt sich die Montage auf das Frühjahr 2023.
Scheitern unvorstellbar
Gelungen sei das nur, weil „das Team von Anfang an sehr gut und sehr stark war“, wie Silhanek betont. „Wir haben immer gewusst, dass es schwierig wird, dass wir Fehler machen werden, aber wir wollten, dass das Projekt umgesetzt wird. Weil es so wichtig ist für den Klimaschutz. Auch weil es so sichtbar ist. Das hat uns anpacken und weitermachen lassen. Es gab keine Alternative. Wir konnten nicht einfach aufhören.“
Wir sind noch nicht satt
Der Silo 1 wurde zur Gänze ehrenamtlich umgesetzt. „Aber langfristig kann das nicht nachhaltig sein“, sagt Silhanek. Ehrenamt sei eine gute Sache, aber Projektarbeit müsse immer entschädigt werden. „Wir konzentrieren uns daher auf einige Bereiche, die finanziert werden können.“ So unterstützt Silosophie bei der Gründung von Energiegemeinschaften, langsam trudeln auch Anfragen nach weiteren Silogestaltungen ein, und auch Machbarkeitsstudien für leerstehende Siloanlagen sind in Planung. „Damit sind wir das nächste halbe Jahr ausgelastet.“ Ziel sei, projektbezogen Mitarbeiter*innen beschäftigen zu können. So versucht das Team den Kostendruck gering zu halten. „Wir wollen langsam weitermachen und organisch wachsen. Und sind guter Dinge, dass das gelingen wird.“
Roswitha M. Reisinger
Erfolgsfaktor Team & Kultur
- Die Teammitglieder bringen unterschiedliche Kompetenzen mit, die sich ergänzen: Armin Knöbl (Kunst & Kommunikation), Lucas Silhanek (Planung & Errichtung Photovoltaik), Carina Zabini (Architektur & Nutzungskonzepte), Maximilian Wittmann (F&E), Jacob Wöginger (Energiegemeinschaften), Elena Vojinovic (Grafik & Design), Arik Rokita (erneuerbare Energie – Neuzugang)
- Die Vision, zum Klimaschutz mit einem sichtbaren Projekt beizutragen, schweißt zusammen und lässt die Hürden überwinden. Trotz Berufstätigkeit gibt jedes Teammitglied sein Maximum. Das Ziel zählt, nicht die Selbstdarstellung: „Die Leute müssen sich nicht beweisen. Natürlich ist man dem Verein Rechenschaft schuldig. Aber jede*r ist auf einem gewissen Level der Reife.“
- Eine ausgesprochen konstruktive Fehler- und Lernkultur: „Fehler passieren“, sagt Silhanek.„Aber anstelle von Schuldzuweisungen fragen wir uns: Wie können wir es besser machen? Welche Learnings nehmen wir mit? Daraus kann eine gewisse Zauberei entstehen. Das wollen wir bewahren.“
- Reflexion ist Teil der Struktur: „Wir machen silosophische Runden. Das sind Workshops, in denen wir reden, wie es uns geht. Wir wissen, dass sich Sachen verändern, dass sich Lebenssituationen verändern. Das ist so. Ergebnisse müssen erzielt werden, das ist klar. Aber wenn man etwas erzwingen will – da kommt ein Blödsinn raus. Wir schauen der Wahrheit ins Gesicht.“
Mehr über Silosophie: https://silosophie.at/