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Sophie Rendl und Hannah Zach, Frauendomäne

Durch die Expert*innendatenbank Frauendomäne machen Sophie Rendl und Hannah Zach seit dem Jahr 2018 weibliche Kompetenz kollektiv sichtbar.

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Foto: samesamestudio-frauendomaene

In die Datenbank können sich Expert*innen aus allen Fachbereichen kostenlos eintragen; der Zugriff ist für alle Menschen und Organisationen kostenlos und uneingeschränkt möglich. Sie setzen sich darüber hinaus durch gezielte Projekte und Lobbying für die Anpassung der Rahmenbedingungen an die Bedürfnisse von Frauen im beruflichen Umfeld ein.

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BUSINESSART: Seit drei Jahren macht ihr die Kompetenz von Frauen sichtbar? Wie entstand die Idee der Frauendomäne?

Sophie Rendl: Hanna Zach und ich haben das Projekt vor drei Jahren gestartet. Wir haben uns auf dem Europäischen Forum Alpbach kennengelernt, einer großen österreichischen Konferenz, wo wir beide in verschiedenen Positionen ehrenamtlich tätig waren. Wir haben uns beide stets mit der Frage beschäftigt, wie man die Panels und Diskussionsrunden jünger und diverser gestalten kann. Dabei war nicht unbedingt Geschlecht das vorherrschende Thema, sondern wie man die Diskussionen interessanter gestalten kann.

Im Rahmen dieser Tätigkeit wurde uns oft gesagt, dass es schwierig ist, ein Panel divers zu besetzen. Das konnten wir uns fast nicht vorstellen, denn wir kennen so viele kompetente und hochqualifizierte Frauen. Wir wollten dieser Ausrede „Wir haben einfach keine qualifizierte Frau gefunden“ etwas entgegensetzen und ganz gezielt Barrieren abbauen. Eine von uns identifizierte Barriere war das gezielte Suchen und Finden von Expertinnen aus allen Fachgebieten. Im Rahmen unserer Recherche haben wir bemerkt, dass es zwar branchenspezifische Datenbanken oder Datenbanken für bestimmte Berufsgruppen gibt. Eine Datenbank, in die sich Expertinnen aus allen Fachbereichen kostenlos eintragen können und auf die die gesamte Öffentlichkeit kostenlos zugreifen kann, gab es zu diesem Zeitpunkt in Österreich noch nicht. Und wir haben uns gedacht: Machen wir das doch!

Was unterscheidet euch von anderen Plattformen?

Bevor wir die Datenbank programmieren ließen, haben wir fast ein Jahr lang Fokusgruppenarbeit betrieben. Wir sind zu öffentlichen Stellen, zu Unternehmen, zu Expert*innen, zu bestehenden Datenbanken, zu Politiker*innen und zu anderen Frauenvereinen gegangen und haben von vornherein versucht, die Schnittstellen, die es gibt, so gut wie möglich zu nutzen, aber auch herauszufinden, was uns abheben könnte.

Das, was uns einerseits anders macht, ist, dass wir für alle Fachbereiche offenstehen – in unserer Datenbank ist eine Schornsteinfegerin genauso vertreten wie Ökonominnen, Juristinnen, Medizinerinnen oder Technikerinnen. Was uns von der Expertinnendatenbank, die Medienhäuser oft intern anlegen, unterscheidet, ist, dass bei uns jede*r auf die Datenbank zugreifen kann. Ganz egal, ob ich eine Expertin für ein Interview, für einen Job, für ein Panel, für einen Vortrag oder für einen Workshop suche – in der Frauendomäne kann gezielt danach gesucht werden.

Uns unterscheidet auch, dass wir jene, die auf unserer Datenbank suchen, auch aktiv bei der Suche unterstützen. Wir machen sehr oft gezielte Expertise Searches im Rahmen von Medienkooperationen oder für Veranstalter*innen.

Andererseits machen wir auch sehr viele Projekte, die das Problem von einer breiteren und theoretischen Seite bearbeiten. Wir stellen uns oft die Frage, warum Frauen so viel weniger sichtbar sind. Warum Menschen mit Migrationshintergrund oder Menschen mit Behinderung weniger sichtbar sind. Wir fragen uns, woran das liegt und wie man Begriffe, wie Expert*in oder Unternehmer*in, so abändern könnte, dass sie für alle Menschen zugänglich sind. Wir coachen unsere Expertinnen nicht und wollen ihnen nicht beibringen, wie sie lauter reden oderselbstbewusster auftreten können, sondern sehen die mangelnde Sichtbarkeit von sehr vielen Personen als gesamtgesellschaftliches Problem, das es von mehreren Seiten zu bearbeiten gilt.

Wir sind keine klassische Karriereplattform und wollen auch kein Karrierenetzwerk sein, sondern uns mit der kollektiven Sichtbarkeit und den Gründen für diese (fehlende) Sichtbarkeit auseinandersetzen.

Das ist ein laufender Prozess. Ein großes Problem im beruflichen Kontext ist, dass wir, der Großteil der Gesellschaft, in den letzten Jahrhunderten ein bestimmtes Bild von „dem Experten“ gewohnt sind. Das ist nicht nur auf das Geschlecht bezogen. Ein Experte ist für uns ein älterer Mann, mit weißer Hautfarbe, der körperlich gesund ist, der Akademiker ist. Da gibt es ganz viele Charakteristika, die ein Experte in unseren Köpfen mitbringen muss. Sich von diesen Bildern, die man doch ein Leben lang gewohnt ist, zu lösen, ist sehr schwierig.

Das führt dazu, das haben wir in den letzten Jahren immer wieder bemerkt, dass jene Menschen, die diesem Bild nicht entsprechen (können) vom Publikum strenger bewertet werden und sich mehr beweisen müssen. Ein weiteres Thema ist besonders beim Geschlecht eine gewisse Objektifizierung. Mein Lieblingsbeispiel ist Brigitte Bierlein als erste Bundeskanzlerin einer Expert*innenregierung: Expertin ist hier schon im Wort. Und dann wird extrem viel über ihr Outfit gesprochen, über ihre Ketten, über ihre Schönheits-OPs. Man wird erstmal äußerlich beurteilt – wie hoch ist meine Stimme, wie schaue ich aus, wie trete ich auf - und dann wird das Können beurteilt. Und das dann auch noch ein bisschen strenger als bei Männern.

Wie war die Rückmeldung zum Launch?

Wir feiern bald zweijähriges Bestehen der Datenbank und waren von der Rückmeldung ganz am Anfang wahnsinnig überwältigt. Wir haben zu Beginn einen Facebook- und Instagram-Post gemacht, um auf die Frauendomäne aufmerksam zu machen: „Wir haben keine qualifizierte Frau gefunden - Expertinnen tragt euch ein.“ Der ist 550 Mal geteilt worden und hat 190.000 Views gehabt. Innerhalb der ersten Woche hatten wir 400 registrierte Profile. Wir hatten wahnsinnig viele Zeitungsartikel und Interviews, in allen großen Zeitungen in Österreich, und haben viel positive Rückmeldung bekommen, auch von Seiten der Expertinnen und der Veranstalter*innen oder der Medien. Wir haben auch heute noch ausgezeichnete Google Analytics Ergebnisse. Unsere Seite wird 60 bis 70 Mal pro Tag aufgerufen – teilweise auch bis zu 200 Mal. Wir sind sehr glücklich über die Rückläufe, die tollen Kooperationspartner*innen und die vielen Einladungen zu Podiumsdiskussionen, um über diese Themen zu sprechen. Wir haben in der Zwischenzeit fünf Auszeichnungen bekommen – das ist eine wahnsinnige Ehre. Da wir vieles ehrenamtlich machen und viel Arbeitszeit nicht bezahlt ist, sind das die besonders schönen Momente.

Apropos Ehrenamt: Ihr seid ja ein gemeinnütziger Verein. Was war der Grund diese Form zu wählen?

Der Hauptgrund war, dass wir die Datenbank von Anfang bis Ende kostenlos gestalten wollten – um Barrieren aus dem Weg zu räumen. Wir haben wie jeder gemeinnützige frauenpolitische Verein immer Probleme mit Finanzierungen. Wir hätten den Weg wählen können, ein Unternehmen draus zu machen – für die Abfrage oder die Registrierung in dieser Datenbank etwas zu verlangen. Wir finden aber, dass dadurch dann nur noch eine zusätzliche Barriere entstehen würde. Die zentrale Idee ist eine gemeinnützige Idee. Wir wollten mit der Datenbank selbst kein Geld verdienen, sondern auf eine fast aktionistische Art und Weise Barrieren aus dem Weg räumen.

Die unternehmerische Tätigkeit, die wir ab und zu machen, sind Workshops und alles, was mit dem Thema Safer Spaces zu tun hat. Wir machen Sexismus-Vermeidungs-Workshops, wir erstellen Codes of Conduct für Veranstaltungen, um den ganzen Bereich rund um ein Panel für alle Menschen so sicher wie möglich zu gestalten. Da ist der Charakter der unternehmerischen Tätigkeit aber auch eher jener eines Social Businesses, wo die Begünstigten selbst nie dafür zahlen müssen. Das war uns wichtig, denn es gibt sehr viele Organisationen, die Frauen coachen und von Expertinnen Geld verlangen, damit sie sich selbst weiterentwickeln oder empowern. Das mag seine Berechtigung haben, aber das ist nicht unser Ansatz.

Eines meiner Lieblingsbücher zu dem Thema heißt „Stop fixing women“, das greift das sehr gut auf: Wir überwälzen gerne die Verantwortung auf die einzelne Frau als Individuum – „Du musst dich nur ein bisschen anders verhalten.“ – obwohl das ein gesellschaftliches Problem ist.

Wie finanziert ihr euch?

Wir haben zu Beginn eine einmalige Basisförderung der Frau in der Wirtschaft bekommen. Wir haben sehr lange gesucht, weil es im gemeinnützigen Bereich wahnsinnig schwierig ist mit einer Idee um Geld anzusuchen. Viele Förderungen gelten nicht für Vereine oder stehen nicht für Websites bzw. Datenbanken offen. In der Zwischenzeit haben wir eine zweite Förderung erhalten, um die Datenbank zu aktualisieren und zweimal eine Projektförderung vom Frauenservice der Stadt Wien. Der Rest wird zum einen Teil durch Mitgliedsbeiträge gedeckt – wir haben Fördermitglieder, wir haben einen Beirat und ordentliche Vereinsmitglieder. Die Beiratsmitglieder unterstützen uns zum Teil finanziell, zum Teil mit Wissen, Tat und Rat. Der andere Teil ist, dass wir manchmal auch unternehmerisch tätig sind – bezahlte Expertise Search durchführen, Veranstaltungskonzeptionen und Codes of Coduct erstellen.

Was waren in den letzten Jahren die größten Herausforderungen?

Es gibt natürlich in frauenpolitischer Vereinsarbeit sehr viele Herausforderungen. Gerade zu Beginn und nach wie vor wird uns oft eine Art umgekehrte Diskriminierung vorgeworfen. Bei dieser Frage muss man natürlich einen Schritt zurück gehen und erst einmal klären, was Diskriminierung ist und wer jemanden diskriminieren kann. Grundsätzlich braucht es ein gewisses Machtverhältnis und eine Hierarchie, um zum Beispiel sexistisch oder rassistisch handeln zu können. Es stellt sich dann die Frage, ob man gegenüber einer Gruppe, die überhaupt nicht marginalisiert ist und die eigentlich so gut wie nie benachteiligt ist, sexistisch agieren kann. Es geschieht oft, dass wir über die Basisarbeit, die wir machen, in theoretische Aufklärungsarbeit hineinrutschen.

Die zweite große Herausforderung ist das Thema Finanzierung. Wir arbeiten hauptsächlich mit Frauen zusammen. Es ist uns wichtig, dass diese Frauen auch fair zu bezahlen.

Darüber hinaus versuchen wir gegen die Bilder, die Geschlechterstereotype, die wir im Kopf haben, anzuarbeiten. Das ist manchmal wahnsinnig anstrengend, wenn man immer wieder dasselbe erklären muss und auch immer wieder merkt, wie weit verbreitet diese Geschlechterstereotype sind.

Wie schafft man, dabei den langen Atem zu behalten?

Ich glaube, das Wichtigste ist, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die ähnlich denken wie du selbst. Du musst nicht immer einer Meinung sein – ich glaube, dass das sogar ein Nachteil sein kann. Aber um langfristig nachhaltig etwas aufzubauen, um nachhaltig Erfolg zu haben, um nicht aufzugeben, braucht man ein Team, auf das man sich absolut verlassen kann und die eine intrinsische Motivation mitbringen, etwas verändern zu wollen. Wir haben leider keine Zeit, immer alle zu motivieren. Das müssen wir aber auch nicht. Wir sind ein Team von zehn Leuten, alles großartige feministische Frauen, wo die Motivation intrinsisch kommt.

Das andere ist, dass wir alles mit einem Ziel machen – wir arbeiten darauf hin, die Ungleichbehandlung der Geschlechter auszugleichen und uns gegen Diskriminierungen aller Art einzusetzen. Für eine gesellschaftliche Situation zu kämpfen, in der Qualifikation nicht nach äußerlichen, unveränderbaren Merkmalen zugeschrieben wird, sondern sich wirklich nach dem Können richten kann. Das ist ein großes Ziel und eine große Motivation und hält einen auf dem langen Weg fit.

Was war das schönste Erlebnis?

Ein sehr schönes Erlebnis, das uns immer in Erinnerung bleiben wird, war unsere Launchparty, die wir im Oktober 2019, im Festsaal des Bundeskanzler*innenamts bei der damaligen Frauenministerin Ines Stilling, abgehalten haben. Es waren 120 Leute anwesend, unsere Freunde und Freundinnen, unsere Familie, das Netzwerk, das wir uns bis dahin aufgebaut hatten, die sich einfach mit uns gefreut haben, dass es uns gibt. Das war sehr schön.

Schönen Momente sind auch, wenn man von verschiedenen Organisationen oder Zeitungen ausgezeichnet wird, weil das einem den Push gibt, den man bei ehrenamtlicher Arbeit braucht.

Im letzten Jahr, Stichwort Coronakrise, gab es einen weiteren Ruck zu klassischen und ungleichen Rollenmustern. Habt ihr das auch gespürt?

Wir führen ständig auch eine Feldforschung und Medienbeobachtung durch und schauen wie viele Expertinnen in der Öffentlichkeit vertreten sind, wie viele Frauen zu Wort kommen, wenn es um wichtige Themen geht. Da ist uns gleich zu Beginn stark aufgefallen, dass alles was mit Corona zu tun hatte sehr männlich dominiert war. Angefangen vom “männlichen Quartett”, dass uns jeden Tag in einer Pressekonferenz die politischen und rechtlichen Neuerungen bekannt gegeben hat, aber auch die Expertise aus der Naturwissenschaft, Virologie, von der ganzen medizinische Seite, aus der Zukunftsforschung – das alles war sehr stark männlich dominiert. Abgesehen davon ist die ganze Care-Arbeit, wie auch schon zuvor, aber durch die Coronakrise deutlich sichtbarer, hauptsächlich an Frauen hängen geblieben. Kindererziehung parallel zum Home-Schooling parallel zum Home-Office. Das ganze Thema Lebensmittel-Einzelhandel und Pflege in Krankenhäusern brauche ich gar nicht zu erwähnen. Das alles hat ein sehr rückschrittliches Bild gezeichnet.

Was wir in unserem Wirkungsbereich stark versucht haben ist, mit Zukunftsforscherinnen, und da gibt es in Österreich ein paar, ganz aktiv auf bestimmte Medien zuzugehen und sie weiterzuempfehlen. So versuchen wir mit sanftem Druck gegen diese Normalität zu wirken, dass, immer wenn es um wichtige Themen geht, Männer sichtbarer sind.

Du hast verschieden Projekte und Lobbying erwähnt – was macht ihr da?

Wir haben ausgehend davon, wie Begriffe besetzt sind und welche Begriffe Menschen sich selbst zuschreiben können, mit Kooperationspartner*innen eine Workshopreihe gestartet: „Reclaiming ...“ Es geht immer darum, Begriffe zu reclaimen. Wir haben bei „Reclaiming Expertise“ mit der Stadt Wien begonnen: Wir haben reflektiert, was Expertise bedeutet, wann man eine Expert*in ist, was man mitbringen muss, ob das für alle so anwendbar ist und wie man Expertise neu denken kann.

Jetzt sprechen wir bei „Reclaiming Entrepreneurship“ mit der WU und dem Forum Alpbach darüber, wie man Unternehmer*innentum neu denken kann. Wir wissen, dass es eine Entrepreneureal Responsiblity gibt, wenn es um nachhaltige Themen geht. Das ist angekommen – aber gibt es auch eine Verantwortlichkeit, wenn es um Inklusion geht? Um die Förderung von Diversität, oder wenn es darum geht, meine Strukturen an die Lebenswelten der Mitarbeiter*innen anzupassen – nämlich aller meiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen?

Jetzt sind wir dabei, für „Reclaiming Sichtbarkeit“ mit der Stadt Wien ein Projekt an Schulen durchzuführen und mit einer Art Mediencoaching mit Schüler*innen gemeinsam darüber sprechen, wie Menschen sicher sichtbar sein können. Da geht es um das Thema Hass im Netz und um die andere Bewertung von Frauen in der Öffentlichkeit.

Abseits davon sind wir viel auf Podien vertreten und versuchen Aufklärungsarbeit zu betreiben.
Wir haben sehr viele kleine Nebenprojekte, wie zum Beispiel, dass wir jede Woche eine Expertin vorstellen und es uns hier ganz wichtig ist, da nicht eine sehr privilegierte Frau vorzustellen. Wir achten vor allem darauf, Fachbereiche vorzustellen, die wahnsinnig männerdominiert sind. Wir haben laufende Kooperationen mit anderen Organisationen, wie dem österreichischen Behindertenrat oder Organisationen, die sich damit beschäftigen, Frauen mit Migrationshintergrund zu pushen.

Ich persönlich bin Juristin, Hannah ist Kommunikationsberaterin, da haben wir auch einige parallellaufende Projekte mit unseren Stärken. Ich beschäftige mich viel mit dem Thema Gewaltschutz und sitze für die Frauendomäne bei der European Women`s Lobby in der Gewaltschutzarbeitsgruppe. Es gibt auch eine Kooperation mit ZARA – da gibt auch ganz tolle Frauendomäne-T-Shirts, wo ein Teil des Erlöses an Zara geht.

Wo geht es in Zukunft hin, was sind die nächsten Schritte?

Ein wichtiger Schritt, der leider auch mit Geld zusammenhängt, ist für uns das Thema Barrierefreiheit. Wir versuchen seit einem Jahr, Geld aufzustellen, um die Datenbank barrierefrei zu gestalten. Das kostet leider sehr viel. Es gibt Organisationen, die für Webseiten einen Barriere-Check machen und Maßnahmen vorschlagen. Je nach Art der Barriere braucht es unterschiedliche Tools bzw. Plug-Ins. Da geht es um das Thema einfache Sprache, darum, dass die Datenbank vorlesen kann, etc.

Wir haben im Oktober das zweijährige Bestehen der Frauendomäne und auch die 1000. eingetragene Expertin gefeiert. Das nehmen wir als Ausgangspunkt dafür, die Datenbank noch diverser aufzustellen, in noch mehr in Fachbereiche reinzugehen, die weniger vertreten sind.

Ihr habt einen Beitrat und ein Team, was sind das für Rollen?

Wir haben wie jeder Verein einen Vorstand – das müssen wir haben, aber das sind darüber hinaus auch ganz tolle Frauen, die sich gern und wunderbar einbringen. Der Vorstand wird vor allem strategisch tätig, wir überlegen uns laufend, wie es weitergeht, was es braucht und wie es finanziell ausschaut. Das zweite Gremium in unserem Verein, ist der Beirat.

Der besteht aus ganz vielen unterschiedlichen Expertinnen, die unterschiedliche Fachbereiche aber auch politische Richtungen abdecken, weil es für uns auch ganz wichtig war, uns überpolitisch zu präsentieren. Wir haben auch darauf geachtet, so viele Fachbereiche und so viele Lebensrealitäten wie möglich in diesem Beirat vertreten zu haben. Die Rolle dieses Beirats ist unterstützender Natur, sie geben uns Input, wir empfehlen uns gegenseitig weiter und machen gemeinsam Projekte. Wir überlegen uns gemeinsam, wie man in den jeweiligen Fachbereichen die Sichtbarkeit verbessern kann, was es dazu braucht und was die spezifischen Probleme sind.

Wie würdest du eure Teamkultur beschreiben?

Hannah und mir war es von Anfang an wichtig, das Team so gleichberechtigt wie möglich aufzustellen, obwohl wir die Gründerinnen sind und den Überblick über die laufenden Tätigkeiten haben. Natürlich, eine Programmiererin, die für uns programmiert, erledigt für uns ganz konkret diese Aufgabe – aber darüber hinaus kann jedes Teammitglied eigene Projekte einbringen und durchführen. Alle, die bei uns mitarbeiten, können etwas vorschlagen und eigene Themenschwerpunkte setzen. Es ist sehr selten, dass uns jemand zuarbeitet, und wenn, dann bezahlt. Wir haben eine Kollegin, die macht sehr viel Administration und übernimmt sehr viel E-Mail-Kommunikation, sie wird aber im jeweiligen Projekt immer auch dafür finanziell eingerechnet. Wir haben unsere Arbeit nicht nach Hierarchie, sondern nach Inhalt aufgeteilt. Wir sind alle untereinander befreundet, was im Ehrenamt wirklich sehr wichtig ist, weil man Motivation mit Geld nicht herstellen kann. Und wenn es überhaupt kein Geld gibt, musst du dir die Motivation ganz anders holen. Wir arbeiten sehr viel nach Können – wir haben Team-Mitglieder, die zwei Monate gar nicht dabei sind, weil sie eine Uniabgabe oder im Job viel zu tun haben.

Wie habt ihr euer Team gefunden?

Wir haben ganz zu Beginn gedacht, die Erstellung der Datenbank wird eine Sache von zwei Monaten. Wir haben den Verein gegründet, weil wir eine Rechtsperson gebraucht haben, um ein Konto zu eröffnen. Wir haben den Vorstand damals mit unseren Freundinnen und meiner Mutter besetzt – weil wir dachten, es wird eh nicht viel zu tun sein und wir werden das einmal so machen und dann schauen. Das hat sich in der Zwischenzeit verändert – wir haben neue Vorstandsmitglieder, ehrenamtliche Mitglieder und einige bezahlte Mitarbeiterinnen aufgenommen. Das ist natürlich gewachsen. Wir bekommen auch regelmäßig Anfragen, ob bei uns ein Praktikum gemacht werden kann. Das machen wir natürlich gerne, aber auch wieder nicht – wir sagen immer „Gern, aber nicht auf Dauer, sondern wirklich nur in einem abgegrenzten Bereich,“ weil wir gerne etwas zahlen würden, aber oft nicht können. Wir schreiben Stellen sehr selten aus. Leute kommen zu uns und sagen, ich finde die Arbeit die ihr macht super, und ich würde mich gerne einbringen und ich habe diese Idee, komme aus diesem Bereich, und da könnte man was machen.

Wenn neue zu euch dazu kommen, was ist euch besonders wichtig?

Dass neue Team-Mitglieder erkennen, dass wir keine Karriereplattform sind und dass die Arbeit die wir machen auch sehr viel Grundlagenarbeit ist. Es ist wichtig, dass sie selbst eine feministische Richtung haben, sonst ist es auch für sie nicht lustig, mit uns zusammenzuarbeiten.

Wenn jemand neu dazukommt, woran merkt ihr, dass es passt?

Die Frage stellt sich ganz oft nicht, weil die Leute die zu uns kommen schon eine gewissen Idee mitbringen und dann schon ganz klar sichtbar ist, dass die da ganz gut hinpasst. Wenn wir die Idee gut finden, wenn wir das zum Beispiel schon länger machen wollten, dann gibt es diese Frage nicht.

Gibt es Fälle, wo sich jemand einarbeiten muss, oder sind alle ohnehin in ihrem Stamm-Bereich tätig?

Was wir gern machen ist, dass wir die Projektgestaltung am Anfang gemeinsam machen. Weil wir ein großes und gutes Netzwerk haben und man zusätzliche Arbeit oft frühzeitig abfangen kann. Zum Beispiel hat eine Kollegin „Reclaiming Sichtbarkeit“ mit mir gemeinsam konzipiert. Da war es sehr hilfreich, dass ich sagen konnte: „Wir haben da ein ähnliches Dokument.“ „Hier rufst du am besten diese Person an.“ oder „Reichen wir da die Förderung ein!“

Andere Sachen, Hannah macht den Großteil der Kommunikation, und hat jetzt Unterstützung in der Kommunikation gesucht, da geht es schon auch um eine klassische Einarbeitung in unsere Social Media Kanäle, in den Newsletter und in die Datenbank.

Was möchtest du anderen Menschen oder Unternehmen aus deiner Erfahrung weitergeben?

Ich würde anderen Unternehmer*innen gerne mitgeben, dass es sehr wichtig ist, sich zu Beginn der Tätigkeit zu überlegen, was für eine Unternehmerin ich sein will, was ich für ein Arbeitsumfeld schaffen möchte und was ich für meine Mitarbeiter*innen, für mein Team sein will – wie ich das gestalten möchte.

Und im zweiten Schritt, was als Unternehmerin meine Verantwortlichkeiten sind: Das Thema Entrepreneurial Responsibility – wie ich mein Wirtschaften, meine unternehmerische Tätigkeit so gestalten kann, dass sie möglichst ressourcenschonend ist. Nicht nur im Hinblick auf die natürlichen Ressourcen, die wir alle jeden Tag verschwenden, sondern auch im Hinblick auf die Stakeholder in meinem Umfeld, die Menschen mit denen ich zusammenarbeite. Wie kann ich ein Arbeitsumfeld so inklusiv wie möglich gestalten? Es kann den Horizont sehr erweitern, wenn ich Personen in mein Team aufnehme, die vielleicht nicht so sind oder denken wie ich. Das ist sehr wichtig ist, um die verschiedenen Fragestellungen zu lösen, mit denen wir konfrontiert sind. Gleichzeitig muss ich auch sehen, dass ich für diese Menschen ein Umfeld schaffen muss, dass ich nicht einfach eine Schablone auf alle Menschen anwenden kann.

Was ist dein persönlicher Leitsatz? Dein Leitmotiv?

Ich überlege mir, ob mich ein Thema persönlich betrifft. Wenn ja, kann ich mir gezielt überlegen, wie ich handeln will. Wenn nein, frage ich mich als zweites ganz oft, wen es betreffen und welche Auswirkungen es haben könnte. Ich versuche, die Situation in der ich bin und meine Privilegien zu hinterfragen, um gegebenenfalls für Menschen, die diese Privilegien nicht haben, Entscheidungen zu treffen, die diesen Menschen nicht schaden, sondern die bestehende Kluft mitdenken. Das ständige Hinterfragen der eigenen Position und auch das Nachfragen bei anderen Menschen ist eine sehr wichtige Sache.

Sophie Rendl, Hannah Zach, Gründerinnen und Vorstand