Wie Stereotype unser Konsumverhalten beeinflussen
Kulturell verankerte Zuschreibungen und Annahmen beeinflussen tagtäglich unsere Kaufentscheidungen, auch unbewusst.
Sony kommt aus Japan, Mercedes aus Deutschland, Toblerone aus der Schweiz - und das wissen die meisten Leute auch, die Produkte dieser Marken kaufen. Aber wie würde sich deren Wahrnehmung verändern, wenn der Artikel exakt gleich bliebe, doch die Schokolade aus Japan käme, die Gaming-Konsole aus Deutschland und das Auto aus der Schweiz – oder gar aus Rumänien? Und was, wenn Apple-Fanboys nicht als kreative Hipster berüchtigt wären, sondern als biedere Buchhalter?
Solchen Fragen ist der Sozialpsychologe Arnd Florack von der Universität Wien mit Unterstützung des Wissenschaftsfonds FWF auf den Grund gegangen. Gemeinsam mit seinem Team und seinem Forschungspartner, dem Wirtschaftswissenschaftler Adamantios Diamantopoulos, hat er untersucht, wie Stereotype das Verhalten von Konsument*innen beeinflussen.
Markennutzer*innen prägen Stereotype
Firmen legen viel Wert auf die Entwicklung einer Markenidentität, und wir nehmen bekannte Marken oft als vermenschlichte Akteure mit bestimmten Eigenschaften wahr. Weniger Beachtung hingegen finden Stereotype über die Nutzer*innen von Markenprodukten. Dabei haben Identität und Gruppenzugehörigkeit einen großen Einfluss auf das Konsumverhalten der Menschen. Dennoch heißt das nicht, dass wir nur auf Ideale ansprechen, die wir gerne erreichen würden, und die die Marken gerne darstellen. Besonders attraktive Menschen, wie sie oft in der Werbung zu sehen sind, werden nicht automatisch als positiv wahrgenommen. Wie Psychologe Florack herausfand, stereotypisieren viele etwa eher schlanke Menschen als weniger warm und nahbar. „Normalere“ Menschen seien oft bessere Markenbotschafter*innen, ob im Alltag oder in der Werbung, weiß der Forscher.
„Es geht aber nicht darum, mich selbst in einem Stereotyp zu erkennen, sondern jemanden, der für mich nahbar und kompetent wirkt“, erklärt Florack und ergänzt: „Man kann etwa mit verschiedenen Körperumfängen eine Gruppe ansprechen, eine andere damit wiederum auch abschrecken oder kaltlassen.“ Den derzeitigen Trend zu mehr Diversität in der Werbung findet Florack daher interessant und es aus Sicht der Verhaltensforschung wert, diese Entwicklung weiter zu verfolgen.
Stereotype als Entscheidungshilfe
Stereotype sind sozial weitergegebene Zuschreibungen von Eigenschaften: Auch falls man nicht zustimmt, weiß man, dass Deutsche als effizient gelten, Italiener*innen als herzlich oder aus Frankreich stammende Personen als romantisch. Ob man dann selbst nur extrem entspannte Deutsche kennt, ist egal – diese Annahmen sind in der Kultur verankert.
„Stereotype sind weder ausschließlich positiv noch negativ besetzt“, erklärt Florack. Vielmehr beschreibt die Sozialpsychologie sie in den Dimensionen Wärme und Kompetenz. Deutschland beispielsweise wirkt auf viele stereotypisch als sehr kompetent, aber auch kühl und distanziert. Ähnliches gilt für viele deutsche Marken, fanden die Forschenden heraus.
Für eine Marke kann so eine Wahrnehmung gut oder schlecht sein: „Stellen Sie sich vor, Sie wollen jemanden nach dem Weg fragen, und da stehen ein reich aussehender Mann im makellosen Anzug und ein freundlich wirkender in knittriger Jeans und T-Shirt – auf wen gehen Sie zu?“, so beschreibt Florack, wie sich Stereotype in schnellen Entscheidungen niederschlagen. Und das beeinflusst ähnlich auch Kaufentscheidungen.
Die große Bandbreite des Negativen
In ihren Studien verwendeten Florack und Diamantopoulos sowohl Befragungen als auch Methoden wie Eyetracking, um zudem unbewusste Effekte darüber zu erfassen, was die Aufmerksamkeit der Proband*innen auf sich zieht. Dabei variierten sie unter anderem Bilder von Nutzer*innen bestimmter Marken, die zum Beispiel dicker oder dünner dargestellt waren, oder tauschten das angegebene Herkunftsland eines Produkts aus, nannten also etwa Rumänien oder die Schweiz als Produktionsland. Und fanden einige bemerkenswerte Resultate: Einerseits stimmen die Zuschreibungen der Markenprodukte zu ihren Herkunftsländern meist stark überein, zum Beispiel werden (vermeintlich) deutsche Marken wie Deutsche oft als eher kompetent, aber kühl wahrgenommen.
Außerdem aber, so stellte sich heraus, sind positiv besetzte Stereotype viel weniger bedeutend für eine Kaufauswahl als negative, die ungleich mehr Aufmerksamkeit von Proband*innen bekommen. Eine positive Wahrnehmung ist in der Auswahl von Produkten eher so etwas wie eine Standarderwartung und hilft einem bei der Entscheidung, ob ein Produkt überhaupt infrage kommt. Negative Zuschreibungen hingegen können sofort ein Ausschlusskriterium sein. Besonders positive Zuschreibungen werden auch erst dann wichtig, wenn jemand lange über eine Kaufentscheidung nachdenkt, und Vor- und Nachteile abwägt.
Welche Schlüsse lassen sich aus den wissenschaftlichen Untersuchungen für Firmen ziehen? Man kann sich selten über positive Stereotype von Konkurrenten abheben, aber sollte tunlichst versuchen, negativen Stereotypen auszuweichen. Und man kann sehr viel damit gewinnen, wenn man die richtigen Nutzer*innen anzieht, die ein Markenbild alltäglich positiv prägen.
Arnd Florack studierte Psychologie in Münster und Trier. Er habilitierte an der Universität Basel und lehrte an der Zeppelin Universität am Bodensee. Seit mehr als zehn Jahren lehrt und forscht Florack an der Universität Wien mit besonderem Interesse an Methoden, die unbewusste Einstellungen, wie etwa bei Konsumverhalten oder kulturellen Unterschieden, messbar machen können. Das Forschungsprojekt „Markenpräferenzen durch Konsumentenstereotype“ (2018–2022) wurde vom Wissenschaftsfonds FWF mit 342.000 Euro gefördert.
Quelle: https://scilog.fwf.ac.at/