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15 Jahre Nachhaltige Gestalter*innen

Mehr als 350 engagierte Persönlichkeiten wurden bisher ausgezeichnet. Was hinter dem Preis steckt, haben Florian Leregger und Michaela Reisinger die Initiatorin, Roswitha M. Reisinger, gefragt.

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Roswitha M. Reisinger, Initiatorin der Nachhaltigen Gestalter*innen. Foto: privat

Seit 2009 hat das Wirtschaftsmagazin BUSINESSART mehr als 350 engagierte Persönlichkeiten für ihre leidenschaftliche Innovationskraft und ihren unermüdlichen Einsatz für eine nachhaltige Wirtschaft in Österreich gewürdigt. Mittlerweile zählt die Auszeichnung „Nachhaltige Gestalter*innen“ zu den etablierten Nachhaltigkeitspreisen und ist ein fester Bestandteil der österreichischen ESG-Landschaft. Florian Leregger und Michaela Reisinger, die Geschäftsführer*innen des Lebensart-Verlags, haben die BUSINESSART-Chefredakteurin und Initiatorin des Preises, Roswitha M. Reisinger, zur Entstehung der „Nachhaltigen Gestalter*innen“, zu historischen Meilensteinen und den Veränderungen der letzten 15 Jahre befragt.

Florian Leregger: Damals ein Novum. Weshalb hast du vor 15 Jahren eine Auszeichnung ins Leben gerufen, die nachhaltiges Wirtschaften vor den Vorhang holt?

Roswitha M. Reisinger: Ich habe 2008/2009 eine sehr negative Stimmung in der Bevölkerung gegenüber „der Wirtschaft“ wahrgenommen. Sie war „schuld“ am Desaster der Wirtschaftskrise. Dem wollte ich – aus unserem Ansatz des lösungsorientierten Journalismus heraus – etwas entgegensetzen. Wir kannten und kennen so viele Unternehmer*innen und Manager*innen, die faire Arbeitsbedingungen bieten und intensiv an der Ökologisierung ihrer Produkte arbeiten: von umweltfreundlicheren Putzmitteln über Biolebensmittel bis hin zu den damals ersten Ansätzen, grüne Finanzprodukte auf den Markt zu bringen. Damit das auch wirtschaftlich funktioniert, braucht es Innovation, neue Geschäftskonzepte, Durchhaltevermögen und vor allem auch Kund*innen, die diese Produkte kaufen.

2009 waren diese innovativen und nachhaltig agierenden Manager*innen in Österreich kaum sichtbar. Oftmals wurden sie als Spinner oder Phantasten abgetan – sie hatten keine Bühne. Das wollten wir ändern – und mit der Auszeichnung der Nachhaltigen Gestalter*innen zeigen, dass nachhaltiges Wirtschaften erfolgreich sein kann. Denn das regt auch andere an, etwas zu ändern.

Leregger: Welchen Wert hat die Auszeichnung für Personen und Branchen?

Für viele Nachhaltige Gestalter*innen ist es die allererste Auszeichnung, die sie auf ihrem beruflichen Weg erhalten. Sie bestätigt und motiviert sie weiterzumachen. Und die Berichterstattung in unseren Medien bringt natürlich eine gute Sichtbarkeit. Was zu Beginn erstaunlich war: Die nachhaltigen Pionier*innen waren damals stark auf ihre eigene Branche konzentriert und kannten die engagierten Leute aus anderen Branchen kaum. Die Auszeichnung hat definitiv stark zur Vernetzung der Akteur*innen beigetragen und bei den Preisverleihungen sind regelmäßig Kooperationen und neue Ideen entstanden – eine sehr aktive und dynamische Community, die wir in den letzten Jahren aufbauen konnten.

Michaela Reisinger: Was hat sich in den letzten 15 Jahren noch verändert?

In der Rückschau fällt mir auf, dass sich der der Anteil von Männern und Frauen, die ausgezeichnet wurden, verändert hat. In den ersten Jahren musste man Frauen fast mit der Lupe suchen. Heute ist das Verhältnis von Männern zu Frauen etwa 60 zu 40.

Zu Beginn waren es auch eher die CEOs, die ausgezeichnet wurden. Heute sind es viele Management-Teams, die großen Wert darauf legen, gemeinsam ausgezeichnet zu werden.

Mittlerweile gibt es unzählige Awards für fast alle nachhaltigen Themen. Unsere Auszeichnung unterscheidet sich weiterhin dadurch von anderen Preisen, dass man von einer Jury nominiert werden muss und dass wir Personen auszeichnen, nicht Unternehmen.

Inhaltlich können wir jedes Jahr einen anderen Trend beobachten. Das ist spannend für mich, denn es zeigt, wo aktuelle Trends und Themen der Nachhaltigkeit liegen. Letztes Jahr waren nachhaltige Produktentwicklungen und die Stärkung von Frauen und Kindern große Themen. Dieses Jahr geht es vor allem um Kultur, Vernetzung und Wirtschaftssystem.

Michaela Reisinger: Bist du schon mal auf Greenwashing hereingefallen?

Soweit ich weiß, nicht. Wir haben ein mehrstufiges Beurteilungssystem, das sich bewährt hat, Sicherheit gibt und Fehlbeurteilungen weitgehend ausschließt. Der erste Schritt ist die Nominierung durch mehr als 60 fachkundige Expert*innen aus Beratung, NGOs, öffentlicher Hand und Interessensvertretungen. Danach überprüfe ich, ob die Nominierung den Kriterien entspricht, ob sich das Unternehmen öffentlich zur Nachhaltigkeit bekennt und welche Ergebnisse auf Bewertungsplattformen zu finden sind. Im letzten Schritt stimmt die Jury ab und hat die Möglichkeit, ein Veto einzulegen. Das wird auch genutzt: Dieses Jahr wurden bei mehr als 100 Nominierungen insgesamt 12 Bedenken bzw. offene Fragen, darunter drei Vetos, geäußert. Dieser qualitativen Beurteilung gehe ich dann nach und überprüfe sie. „The wisdom of the crowd“ bewährt sich hier sehr gut.

Florian Leregger: Und wie läuft dann die Wahl ab?

Alle nominierten Personen, die den Check gemäß Nachhaltigkeits- und Unternehmensstandards bestehen, werden mit einer Beschreibung an die Jury übermittelt. Um die Vielfalt zu fördern, gibt es keine vorgegeben Kategorien – die Jurymitglieder vergeben stattdessen Punkte für ihre Favorit*innen, sodass schlussendlich ein kollektives Ergebnis vorliegt. Alle Nominierten, die mehr als 30 Prozent der Stimmen bekommen, werden ausgezeichnet.

Florian Leregger: Sind alle ausgezeichneten Personen bzw. ihre Unternehmen und Organisationen noch aktiv?

Nein. Mit den meisten sind wir noch in Kontakt, aber ich kenne einige, die bereits in Pension sind. Auch mussten andere aufgeben – ihr Geschäftsmodell hat nicht funktioniert und/oder den Gründer*innen fehlte die Energie oder der Ideenreichtum, das Konzept weiterzuentwickeln. Manchmal muss man Dinge eben auch beenden.

Michaela Reisinger: Warum konzentrierst du dich auf den Wirtschaftsbereich und zeichnest nicht auch private Initiativen aus?

Weil BUSINESSART ein Wirtschaftsmagazin ist. Unser Ziel ist, außergewöhnliche Leistungen punkto Nachhaltigkeit, Innovation und Transformation in Start-ups, größeren Betrieben, Organisationen, öffentlichen Einrichtungen oder im Wirtschaftssystem auszuzeichnen.

Als Lebensart Verlag bzw. mit LEBENSART, dem Magazin für nachhaltige Lebenskultur, könnten wir natürlich auch Initiativen mit anderen Schwerpunkten auszeichnen. Allerdings braucht es dazu erstens sehr viele Ressourcen und zweitens gibt es dafür bereits sehr viele tolle Auszeichnungen. Wir möchten nicht mehr vom Gleichen machen – „more of the same“ ist nicht unser Ding. Wenn, dann muss es schon etwas sein, das in Österreich tatsächlich fehlt, wirklich gebraucht wird und einen echten Meilenstein darstellt.

Michaela Reisinger: Was wäre denn so ein echter Meilenstein?

Sicher keine neue Auszeichnung (lacht).

Nein, im Ernst: Die Stimmung in der Bevölkerung ist im Vergleich zu den letzten Jahren heute deutlich negativer. Prognosen fallen pessimistischer aus. Die vielen großen Herausforderungen, die Unsicherheit, wie es weitergeht – das können viele Menschen kaum aushalten. Dazu kommt, dass die Lösungen komplex sind, Veränderungen erfordern und jene, die gute Wege aufzeigen, von vielen Fake News auf den digitalen Plattformen übertönt oder sogar gezielt desavouiert werden. Die Basis für Nachhaltigkeit schwindet. Unsere europäische Kultur scheint bröckelig zu werden. Werte, die Europa auszeichnen und uns Frieden und Wohlstand gebracht haben, wie Menschenwürde, Menschenrechte, Gleichstellung, Freiheit und Demokratie sind nicht mehr selbstverständlich. 

Persönlich erlebe ich viele Menschen, die jammern und alles schlechtreden – und immer sind die anderen schuld. Fragt man sie, wie sie sich eine gute Zukunft vorstellen, dann können sie keine Antwort geben. Und für mich noch bedrückender: Sie wollen gar keine Bilder einer positiven Zukunft zeichnen.

Ein echter Meilenstein wäre, wenn wir diese Menschen zum Träumen bewegen. Wir Menschen brauchen positive Perspektiven und Zukunftsbilder im Sinne eines guten Lebens. Dann sind wir motiviert, selbst aktiv einen Beitrag zu leisten. Wenn die vielen Bilder einer lebenswerten Zukunft stärker sind als Angst und Hass, und wenn in den Medien und auf den digitalen Plattformen Prinzipien wie Wertschätzung, Respekt, Lösungsorientierung und Hoffnung Oberhand gewinnen, dann wäre das ein echter Meilenstein.      

Florian Leregger: Wie blickst du in die Zukunft?

Das Schöne ist, dass die Nachhaltigen Gestalter*innen mit ihren Geschichten positive Bilder der Zukunft zeichnen. Sie lassen uns eintauchen in ihr Denken und Handeln. Sie machen Mut und stecken mit ihren „good vibrations“ an. Und sie zeigen mit ihrer unbändigen Energie auf, wie an Lösungen erfolgreich gearbeitet werden kann.

Klar ist für uns im Lebensart Verlag, dass wir mit unserer Bildungsarbeit und dem lösungsorientierten Journalismus für nachhaltige Entwicklung weiterhin Menschen inspirieren werden – getreu unserem Motto: Leben und Wirtschaften mit Weitblick.

Hier finden Sie alle Nachhaltigen Gestalter*innen seit 2009

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