Alexander, Michaela und Marie Skrein, Skrein Schmuckwerkstatt
Die Familie Skrein hat sich der Fairness verschrieben: Sie produziert ihren Schmuck ausschließlich aus fair produziertem oder recyceltem Gold und Diamanten, deren konfliktfreie Herkunft garantiert wird. Seit 2014 macht Skrein Workshops für die Gold-verarbeitende Branche, um andere Unternehmen zum Umstieg auf faires Gold zu motivieren. Damit hat das Unternehmen große Vorbildwirkung.
BUSINESSART: In Ihrer Familie waren die Männer seit fünf Generationen Rechtsanwälte. Wie hat es Sie ins Schmuckgeschäft verschlagen?
Alexander Skrein: Das waren familiäre Umstände. Mein Vater wurde plötzlich schwer krank und ich musste mit 25 Jahren mein Studium abbrechen und arbeiten gehen. Im Gespräch mit Freunden und der Familie habe ich die Idee entwickelt, Goldschmuck nach Gewicht über Filialen zu verkaufen. Ich habe den Helmut Niedermeyer angerufen und war innerhalb weniger Monate in all seinen Filialen gelistet. Kurz darauf konnten wir auch in Deutschland Fuß fassen und haben 2.300 Outlets mit Schmuck beliefert. Das war eine typische Unternehmergeschichte aus den 1970er und 1980er-Jahren.
Sie meinen, so etwas würde heute nicht mehr funktionieren?
Nein, weil die Menschen mit irgendjemandem ohne Hintergrund über ein Geschäft in dieser Größenordnung nicht einmal mehr reden würden. Die Entscheidungswege sind zu lange geworden, selbst in familiengeführten Unternehmen. Auch finanziell gäbe es Probleme. Unsere Bank hat sich das damals angesehen und gesagt, dem Skrein, dem vertrauen wir. Heute müssen sich die Banken ganz anders absichern. So etwas ist heute undenkbar.
Wie konnten Sie so rasch die Beschaffung des Schmucks sicherstellen?
Das war einfach, weil das Schmuckzentrum damals in Italien lag. Heute kommt alles aus Asien. Und wir haben sehr früh – im Mai – für Weihnachten bestellt. So konnten wir 75 Prozent einer Fabrik auslasten.
Sie haben Ihr Engagement dann trotz des Erfolges wieder beendet.
Der deutsche Vertriebspartner ist damals von einer Schweizer Gruppe übernommen worden und diese wollte noch einmal massiv wachsen: 3.000 Geschäfte in der Schweiz und Frankreich. Das war für mich eine Wende. Das frühe und viele Fliegen, das beinharte Verhandeln um jeden Cent, das wollte ich nicht mehr. Und der Schmuck hat mir auch nicht gefallen. Eines Nachts, als ich um zwei Uhr in der Früh wieder einmal grübelte, hat mich meine Frau gefragt, wo ich in zehn Jahren sein will. In meiner Wunschvorstellung wollte ich ein kleines Geschäft führen, mit guter Musik, Zeit zum Lesen haben und einen Goldschmied, mit dem ich philosophieren kann. Daher habe ich Wachstum und die Schweiz abgesagt.
Von 2.300 Geschäften auf eines?
Ja – von einem Umsatz damals von vierzig Millionen auf 300.000,- Schilling. Alle haben mich für verrückt erklärt und es als Midlifecrisis abgetan – es war ja auch kurz vor meinem 40. Geburtstag. Es war nicht einfach, aber es hat geklappt. Wir sind auch nicht ganz klein geblieben – wir haben heute acht Mitarbeiter*innen.
Wollten Sie nicht mehr wachsen?
Ich habe sicher zwischen 10 und 20 Angebote von ausländischen Kunden erhalten, Geschäfte im Ausland zu machen, von New York bis Moskau. Aber ich habe immer abgelehnt, weil ich zufrieden bin und daher im Wachstum keinen Sinn sehe.
Sie arbeiten heute nur mit fairen Rohstoffen? Wie kam es dazu?
Da gibt es zwei Ebenen. Erstens die private. Anlässlich der Regierungsbildung 2000 habe ich begonnen mich politisch zu engagieren um die Demokratie zu stützen. Die Geisteshaltung, die sich aus dem Populismus ergibt, ist nicht meine Sache. Ich stamme aus einer assimilierten, ehemals jüdischen Familie, mein Vater war in Ausschwitz. Ich kann bei bestimmten Dingen nicht zuschauen, wenn sie passieren. Bei einem Rechtsruck muss ich aufstehen. Eine Gruppe von Freunden hat damals respekt.net gegründet, die u.a. die Transparenzplattform „Meine Abgeordneten.at“ betreibt. Da habe ich in der Öffentlichkeitsarbeit mitgeholfen und hatte viel mit NGOs und kritischem Denken zu tun. Zeitgleich habe ich Karoline Kerschbaumer kennengelernt. Sie war Goldschmiedin, heute ist sie die Geschäftsführerin der NGO Zara. Sie zeigte uns die menschlichen und Umweltprobleme der Goldförderung auf. Da mussten wir einfach umsteigen – Unternehmer haben schließlich auch eine globale Verantwortung.
Was waren Ihre ersten Schritte?
Für uns war klar, dass wir Faires Gold nicht als Marketing- oder Wettbewerbsvorteil nutzen, sondern dass wir die Branche bewegen wollen und dass möglichst viele auf Faires Gold umsteigen sollen. Daher habe wir uns mit dem Innungsmeister Wolfgang Hufnagel und mit Marcus Fasching, dem CEO der ÖGUSSA, zusammengesetzt, die beide sehr engagiert sind. Wir haben gemeinsam mit NGOs wie Fairmined, Fairtrade und Klimabündnis Workshops organisiert und alle Konkurrenten an einen Tisch gebracht. Am Schluss haben wir definiert, was faires Gold ist.Für viele Kolleg*innen waren wir dieBösen, weil auch sichtbar wurde, wo Bedenkliches passiert.
Was ist faires Gold?
Zertifiziertes Gold, dessen Förder- und Produktionswege durch glaubwürdige NGOs kontrolliert werden. Wir haben uns entschieden, nur vom Responsible Jewellery Council (RJC) zertifiziertes Recyclinggold zu kaufen – denn da ist die Herkunft belegt und nachvollziehbar. Nur wenn der Kunde auf geschürftem Gold besteht beziehen wir Gold aus einer Mine, die aber selbstverständlich von Fairmined kontrolliert wird.
Wo lagen die Herausforderungen?
Vor allem mussten wir die Medien gewinnen, darüber zu berichten. Das war nicht einfach, weil die Redakteur*innen, die über Nachhaltigkeit schreiben, gewöhnt sind, dass sie von der Wirtschaft benützt werden und daher in die Tiefe gehen und unangenehmen Fragen stellen. Das finde ich gut so. Wir brauchen Journalistinnen, die sich mit Begeisterung einsetzen.
Wie haben Ihre Kund*innen reagiert? Haben Sie viele verloren?
Verloren haben wir Kunden durch unser zivilgesellschaftliches Engagement für respekt.net. Wir transportieren über unsere Schaufenster auch immer wieder Botschaften z.B. zu Flüchtlingen, Integration oder Klimaschutz. Auf der anderen Seite sind viele neu gekommen, genau wegen dieses Engagements. Ziffernmäßig war das ein Nullsummenspiel – es gab keine großen Sprünge nach oben oder nach unten. Meine Mitarbeiter*innen sagen, dass die Menschen, die zu uns ins Geschäft kommen, angenehmer geworden sind. Und das ist schön. Ich habe sensationelle Mitarbeiter*innen und unglaublich liebe Kund*innen.
Wie entwickelt sich die Branche? Zieht sie mit?
Ja. Das Dorotheum hat eine eigene Linie mit fairem Gold gemacht und die größte Eheringfabrik in Österreich arbeitet mit FairTrade zusammen. Das finde ich gut. Wobei ich sagen möchte, dass es nicht primär um faires Gold geht, das ist so ein kleiner Bereich im Leben. Es geht darum, mit Selbstverständlichkeit zu zeigen, dass man auch mit Rücksichtnahme und Verantwortung schöne Dinge machen und erfolgreich sein kann;, dass es auch bei kleinen Dingen wichtig ist, darauf zu schauen, wo sie herkommen. In den letzten 60 Jahren ging es UnternehmerInnen um nahezu ausschließlich um Gewinnmaximierung. Gewinn war die einzige Messlatte für Erfolg. Das muss sich ändern. Es geht um Haltung, Einstellung und Ziele, die nichts mit Geld zu tun haben, sondern einfach mit unserem Umgang mit der Welt. Da gehört meine Nachbarin, mein Hund genauso dazu wie der Urwald. Jeder Mensch hat Verantwortung, jeder hat einen Bereich, wo er Vorbild für andere ist und sein kann. Gerade UnternehmerInnen und Menschen die Firmen leiten sind Vorbilder und haben es nicht nötig sich nur über ihr Bankkonto zu definieren. Sie haben die Aufgabe durch ihre Haltung die Gesellschaft zu prägen. Rücksichtslose Gewinn Maximierung ist hier der falsche Weg.
Was sagen Sie zu den jungen Menschen von Friday for future?
Junger Enthusiasmus verändert die Welt. Das ist wichtig. Die Radikalität ist groß. Aber ohne diese Radikalität würden viele Pragmatiker in der Wirtschaft nicht aufwachen. Ja, die jungen Menschen sollen Schule schwänzen, denn sie müssen polarisieren. Mir ist jemand, der versucht sich mit 16 gesellschaftskonform zu benehmen, seltsam. Wir haben als Studierende mit allen diskutiert, auch mit den Marxisten. Heute grenzt man sich ab und geht dem Diskurs aus dem Weg. Die andere Ansicht ist jedoch meistens nicht dumm. Sie ist oft logisch beweisbar. Faschistoide Parteien argumentieren letztendlich mit dem Recht des Stärkeren, belegen das historisch und leiten daraus den Führungsanspruch der Mehrheit über die Minderheit ab. Aber genau damit dieses Naturgesetz nicht gilt, haben gebildete Menschen, die heute vor Wahlen oft als Elite geschmäht werden, als soziale Errungenschaft die Menschenrechte geschaffen. Das waren Menschen, die das Wohl und Überleben der Menschheit im Auge hatten und den Naturgesetzen nicht blind vertrauten.
Was müssen wir lernen?
Dass wir uns immer wieder zur Ruhe bringen. Das ist einfacher, wenn man älter wird. Es geht um Dialog, Konsens, den richtigen Weg zu finden. Es geht nie darum, gegen den anderen zu gewinnen. Das alles kann man gut nachlesen im Buch vom Dalai Lama und Desmond Tutu: „Das Buch der Freude“. Das ist das schönste Buch, das ich kenne. Darin geht es darum, den anderen anzuerkennen, auch wenn er gegenteilige Meinungen und Ziele vertritt.
Der Satz Ihres Lebens
Ich meditiere jeden Morgen. Ich möchte jedem Menschen, den ich treffe, positiv entgegentreten und keine negative Energie ausstrahlen. Das ist nicht leicht, aber täglich mein Vorsatz. Leicht Ist es aber, durch die Stadt zu gehen und die Menschen, die einem begegnen, anzustrahlen, sich über einfache Dinge zu freuen und nicht immer alle und alles zu bewerten oder zu vergleichen. Wenn ich einen Satz meines Lebens formulieren soll klingt er wahrscheinlich pathetisch: Mit Haltung und offenen Augen dankbar leben und – im positiven aktiven Sinn – nichts erwarten und das gelassen akzeptieren, was geschieht. Jedoch aufstehen und handeln, wenn man glaubt, dass es nötig ist und es Chancen hat, zu gelingen.
Alexander, Michaela und Marie Skrein
Skrein Schmuckwerkstatt
Gegründet: 1990
Sitz: Wien
Mitarbeiter*innen: 8
Website: www.skrein.at