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Andreas Lechner, Joseph Kap-herr und Matthias Lovrek, Gründer Sindbad

„Ein Drittel ihrer Absolventen lande direkt nach der Schule beim AMS und sei damit eine verlorene Generation ohne Chance im Leben“, erzählte die Neue Mittelschuldirektorin Andrea Walach im März 2016. Ein Befund, den Andreas Lechner nicht so stehen lassen wollte.

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Foto: sindbad sindbad

Gemeinsam mit Joseph Kap-herr und Matthias Lovrek gründete er das Social Start Up Sindbad. Wie der abenteuerlustige Seefahrer machten sich die drei auf den Weg und bauten ein Mentorensystem auf. Lechner: Viele 20 bis 30-Jährige sind bereit, sich persönlich und ehrenamtlich für Jugendliche zu engagieren.“ 150 Coaches kümmern sich mittlerweile um 14-jährige SchülerInnen aus bildungsbenachteiligten Lebenswelten, um sie für eine Lehre oder eine weiterführende Schule fit zu machen. „Vielfach fehlt das gesamte Basiswissen, z.B. dass man in die Betreffzeile eines Mails etwas hineinschreibt. Auf der anderen Seite ist das digitale Knowhow der Jugendlichen beeindruckend. Ein Video zu machen ist für sie überhaupt kein Problem.“

In einem Zeitungsinterview erzählte die Neue Mittelschuldirektorin Andrea Walach im März 2016, ein Drittel der Absolventen lande direkt nach der Schule beim AMS. Und damit eine verlorene Generation, weil sie ohne Lehre oder weiterführende Ausbildung kaum eine Chance im Leben haben werde.

Das war der Zündungsfunke für Andreas Lechner, der sich bereits während des Studiums interessierte, wie gesellschaftliche Themen unternehmerisch gelöst werden können. In Kursen berechnete Lechner u.a. den sogenannte Social Return On Investment (SROI), also wieviel sozialer und monetärer Rückfluss entsteht, wenn man in soziale Projekt investiert. Gemeinsam mit seinem ehemaligen Arbeitskollegen Joseph Kap-herr wollte er nun versuchen, bessere Chancen für die verlorene Generation mit einem unternehmerischen Ansatz zu schaffen.

In ihren Gesprächen mit LehrerInnen, PersonalistInnen, BildungsforscherInnen und SozialarbeiterInnen kristallisierte sich rasch heraus, dass die jungen Menschen eine individuelle eins zu eins Betreuung brauchen. Ein sehr personalintensives Konzept also. Gleichzeitig erkannten Lechner und Kap-herr, dass viele 20-30-Jährige bereit sind, sich persönlich und ehrenamtlich zu engagieren. Im Sommer 2016 stand das Konzept fest – Sindbad war geboren. Benannt nach dem abenteuerlustigen Seefahrer, der – wie die jungen Menschen – in einen neuen Lebensabschnitt aufbricht. Im Herbst 2016 starteten die ersten 25 Teams, im Frühjahr 2017 die nächsten und im Herbst 2017 weitere 110 Teams. Die jungen Menschen werden 18 Monate lang begleitet. Mentor und Mentee treffen sich alle zwei Wochen. Darüber hinaus finden auch gemeinsame Freizeitaktivitäten wie Kino und Ausflüge statt.

Einigen TeilnehmerInnen konnten Lehrstellen vermittelt werden, andere besuchen weiterführende Schulen. Klar ist auch, dass jene SchülerInnen, die bei Sindbad mitmachen, diese Chance aktiv ergriffen haben. Sie gehören in ihrer Klasse zu den Engagierteren und Motivierteren, bekommen jedoch von Elternhaus oftmals zu wenig Unterstützung, um den erfolgreichen Übergang in eine weiterführende Ausbildung zu schaffen.

Auch dem Umfeld der SchülerInnen kommt große Bedeutung zu. Die LehrerInnen haben eine Dreh- und Angelfunktion und müssen mit im Boot sein. Sie wissen, wo die SchülerInnen stehen. Lechner: „Wir arbeiten auch mit der Initiative ‚Teach for Austria‘ zusammen. Sie haben viel Knowhow wie die SchülerInnen ticken.“ Ebenso wichtig ist die Kommunikation mit den Eltern – zwei Drittel wollen die MentorInnen kennenlernen. Da braucht es oft viel Fingerspitzengefühl.

BUSINESSART: Was sind Ihre Erkenntnisse aus den ersten eineinhalb Jahren?

Lechner: „Die Jugendlichen wissen um ihre Situation – dass sie ohne Unterstützung kaum Chance auf einen Lehrplatz oder eine Höhere Schule haben – sehr gut Bescheid. Das ist zum einen bedenklich, weil der Glaube an sich selbst schwindet, zum anderen interessant, weil sie realistische Einschätzung haben.

Beeindruckend ist das digitale Knowhow der Jugendlichen. Ein Video zu machen ist für sie überhaupt kein Problem. Viele wollen Youtuber werden und davon leben. Gemeinsam mit MentorInnen arbeiten Sie daran, Berufswünsche und Anforderungen von Unternehmen in konkrete Jobchancen umzumünzen.

Die digitale Kommunikation mit den jungen Menschen läuft fast ausschließlich über Whatsapp, Snapchat oder Instagramm. Facebook ist out, ein Mail verwendet fast keiner.

Wie können sich die jungen Menschen dann bei Unternehmen bewerben?

Lechner: Es beginnt damit, dass sie nicht gewohnt sind ganze Sätze zu formulieren. Ihre Sätze bestehen aus einzelnen Wörtern. Wir helfen ihnen beim Schreiben eines Lebenslaufes und eines Motivationsschreibens. Vielfach fehlt das gesamte Basiswissen, z.B. dass man in die Betreffzeile eines Mails etwas hineinschreibt.

Welche Entwicklung haben junge Menschen in einem Jahr machen?

Sie kommen von unterdurchschnittlich auf durchschnittlich. Was wir machen können ist, dass die Jugendlichen realistisch einschätzen, was sie erwartet. Und dass wir mit ihnen herausarbeiten wo ihre Stärken und Interessen liegen. Ein schönes Beispiel ist ein junges Mädchen aus Afghanistan, das fünf Sprachen spricht und nach Schnuppertagen in einem Steigenberger Hotel eine Lehre begonnen hat.

Wie finanziert sich Sindbad?

Die Finanzierung basiert auf drei Säulen: Erstens Spenden aus dem Freundes-, Bekannten- und Unterstützerkreis. Zweitens haben wir eine AWS Social Business Förderung für den Aufbau von Euro 100.000,- bekommen und drittens jetzt zunehmend Unternehmenspartner, die dafür zahlen, dass sie Zugang zu motivierten Lehrlingen bekommen. Darüber hinaus bieten wir für junge Führungskräfte nun eine MentorInnenausbildung an.

Was sind Ihre nächsten Schritte?

Als nächstes wollen wir daran arbeiten, wie wir die Qualität sichern können wenn das Projekt größer wird, damit wir den weiteren Ausbau im Frühjahr und Herbst 2018 meistern können.

Was wünschen Sie sich von der neuen Bundesregierung?

Dass sie im Bereich der Schule der 10 bis 15-jährigen innovativere Ansätze zulässt. 10-Jährige sollen sich nicht entscheiden müssen, was sie weiter machen, das soll erst mit 15 Jahren sein. Die Chancen der jungen Leute müssen besser werden. Der Bildungsbereich soll nicht nur in Sonntagsreden vorkommen. Er braucht viel mehr Aufmerksamkeit, Anerkennung und Reformen.

Und eine Ausweitung der Spendenabsetzbarkeit für Bildungsinitiativen.

Sindbad e.V., Wien