Barrierefrei-Preis in Niederösterreich verliehen
104 Einreichungen, fünf Kategorien, 10 GewinnerInnen und 2 Sonderpreise. Das war der erste Barrierefrei-Preis in Niederösterreicht.
Die BhW Niederösterreich GmbH ist eine Erwachsenenbildungseinrichtung, die gemäß ihrem Slogan „Bildung hat Wert“ aktuelle, gesellschaftsrelevante Themen aufgreift und Bildungsangebote in den Gemeinden unterstützt. Neben Basisbildungsangeboten, Jugendcoaching, Bildungsberatung, Zeitpunkt Lesen und Bildungsehrenamt ist „Barrierefreiheit“ seit Jahren ein wesentliches Aufgabengebiet der BhW Bildungsarbeit.
Nun wurde zum ersten Mal der Preis „Vorbild Barrierefreiheit 2018“ vergeben. „Meine große Hochachtung, Respekt und Bewunderung gilt den Menschen, die ihr Leben trotz mancher Beschwerlichkeit meistern. Barrierefreiheit heißt selbstbestimmt, dient der Vermeidung von Diskriminierung und hilft der Gesellschaft“, so Martin Lammerhuber, Holdinggeschäftsführer Kultur.Region.Niederösterreich. Auch die beiden Mitglieder der Landesregierung, Christiane Teschl-Hofmeister und Ludwig Schleritzko betonten bei der Preisverleihung den Stellenwert des Themas Barrierefreiheit für die Gesellschaft und hatten einen Wunsch für die Zukunft: „Inklusion darf keine Illusion sein. Barrierefreiheit soll nicht nur als Gefälligkeit betrachtet werden, sondern muss eine Selbstverständlichkeit sein, um Menschen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.“
Eine gleichberechtigte und selbstständige Teilhabe am öffentlichen Leben muss für alle Menschen gegeben sein. „BhW barrierefrei“ leistet in diesem Sinne in ganz Niederösterreich Informations- und Sensibilisierungsarbeit zu den Themen „Inklusion“, „Behinderung“, „Barrierefreiheit“ und „altersgerechte Gesellschaft“.
Vorbilder vor den Vorhang
Mit der BhW Auszeichnung „Vorbild Barrierefreiheit 2018“ sollen Betriebe, Gemeinden, Organisationen, Veranstaltungen, Institutionen oder Projekte in Niederösterreich geehrt werden, die erfolgreich Maßnahmen zur Erhöhung der Barrierefreiheit umgesetzt haben. Barrierefreiheit kann nicht immer zu 100 Prozent verwirklicht werden, aber es ist wichtig, dass viele Initiativen gesetzt werden, um sich dem Ziel einer barrierefreien Umwelt für alle zu nähern.
Als Vorbilder sollen die Ausgezeichneten weitere Verantwortliche und Akteurinnen und Akteure in den Regionen motivieren, sich des Themas Barrierefreiheit künftig verstärkt anzunehmen. In den folgenden Kategorien wurde die Auszeichnung verliehen: Gemeinden, Wirtschaft/Tourismus, Kultur/Veranstaltungen, Personen/Institutionen und Bildung/Kommunikation.
Preisträger „Vorbild Barrierefreiheit 2018“
Kategorie Personen/Institutionen:
1. Platz: Spielerpass, Obmann Niklas Karner, Krems an der Donau
Der Verein bietet Menschen mit Behinderungen materielle und soziale Unterstützung im Bereich Sport und Bewegung. Mit dem Ziel, Spielfreude zu vermitteln und das gesellschaftliche Bewusstsein für Inklusion und Nachhaltigkeit zu stärken, setzt sich die gemeinnützige Organisation ehrenamtlich für Special Needs Teams und inklusive Mannschaften in Niederösterreich ein.
Neben großen Fußballturnieren, mit Unterstützung vom berühmten Fußballern, organisiert der Verein ehrenamtlich Trainingscamps, Diskussionssymposien, Inklusionsquizze und das abgeschlossene Projekt „Balltonnen“. Ein vergleichbares Projekt mit diesem ehrenamtlichen Aufwand gibt es in Niederösterreich nicht.
2. Platz: Club 81, Obmann Josef Schoisengeyer, St. Pölten
Der Club 81 in St. Pölten, der das Ziel der Integration behinderter Menschen verfolgt, bietet
gesellige Zusammenkünfte mit der Möglichkeit zur Kontaktfindung, Rehabilitationshilfen, Information und Beratung, den Besuch kultureller Veranstaltungen, den 1. NÖ Behindertenfahrtendienst St. Pölten (Partner ist Funk-Taxi Rittner), Reisen und Ausflüge mit einem rollstuhlgerechten Luxusreisebus. Bei Reisen und Ausflügen begleiten ehrenamtliche HelferInnen des Roten Kreuzes Prinzersdorf. Weiters wird die Vermittlung von behindertengerechten Urlaubsquartieren und die Führerscheinausbildung in Zusammenarbeit mit den Fahrschulen angeboten.
Kategorie Kultur/Veranstaltungen:
1. Platz: Wachau Kultur Melk GmbH, Maga. Elisabeth Weigand, MBA, Melk
Die Wachau Kultur Melk GmbH bietet qualitativ hochwertige Kulturveranstaltungen für alle Zielgruppen an. Auf den Homepages und Drucksorten wird regelmäßig aktuell über die jeweiligen Spezifika der Barrierefreiheit informiert. Besucherrelevante Räumlichkeiten sind umfassend, auch für Sehbeeinträchtigte barrierefrei erreichbar. Die Verkaufsplätze im Kartenbüro sind unterfahrbar und mit einer induktiven Höranlage ausgestattet. Die Tischlerei Melk Kulturwerkstatt und die Wachauarena Melk sind barrierefrei, mit Behindertenparkplätzen ausgestattet, haben unterfahrbare Kassapulte und fixe Sitzplätze für Menschen mit Behinderung. Der Zuschauerraum ist ebenfalls mit einer induktiven Höranlage ausgestattet. Hier wurde vorbildlich auf die unterschiedlichen Arten der Behinderungen eingegangen. Sollte die Barrierefreiheit nicht 100prozentig gegeben sein, wird dieses offen kommuniziert.
2. Platz: Dr. Karl Renner Museum für Zeitgeschichte, Dir. Mag. Wolfgang Luftensteiner, Gloggnitz
Durch die Schwierigkeit, das Dr. Karl Renner Gebäude barrierefrei gestalten zu können, da es unter Denkmalschutz steht und es keine Möglichkeit gab, bauliche Barrierefreiheit zu ermöglichen, wurde unter Verwendung einer speziellen Computer Software eine Führung mit Bild und Ton durch die beiden Dauerausstellungen erarbeitet. Die Vorführung des "virtuellen Museums" erfolgt auf mehreren Bildschirmen im Foyer, welches barrierefrei erreichbar ist. Dieser virtuelle Rundgang wurde mittels ehrenamtlicher Stunden, das Ausmaß beträgt ca. 1000 Stunden, erarbeitet. Vorbildich an diesem Projekt ist, dass aufgrund der baulichen Schwierigkeiten eine Alternative gefunden wurde, um den Zugang für alle Menschen erlebbar zu machen.
Kategorie Bildung/Kommunikation:
1. Platz: Gugler GmbH, Ing. Martin Weber, St. Pölten
Gugler*brand & digital ist die führende Agentur für Barrierefreiheit in Niederösterreich.
Sie sind Mitbegründer und ständiges Beiratsmitglied des "Web Accessibility Certificate Austria", Österreichs erstes Qualitätssiegel für Barrierefreiheit im Web nach internationalen Richtlinien. Als Botschafter für mehr Barrierefreiheit waren sie Speaker bei diversen fachspezifischen Veranstaltungen. Die Agentur vertritt nicht nur die Barrierefreiheit, sie setzt sie auch um. Keine Webseite verlässt die Agentur, die nicht barrierefrei ist. Durch einen Certified Web Accessibiliy Expert (Qualifizierung durch WKO) im Team sind sie eine von wenigen Agenturen, die barrierefreie PDF's umsetzen können.
2. Platz: Kindercampus Hainburg, Ing. Hannes Wimmer, Hainburg an der Donau
Hier wurde der Sonderschulbereich barrierefrei umgestaltet. Die Benutzung des Gebäudes und seiner Einrichtungen ist somit für Kinder so benutzungsfreundlich und bedienungsfreundlich als möglich gestaltet. Gesetzliche und normative Vorgaben wurden bei der Planung, der Errichtung und der Ausführung erfüllt. Das Bundesdenkmalamt musste hier ebenfalls involviert werden, da die historische Stadtmauer eine räumliche Verknüpfung darstellte.
Kategorie Wirtschaft/Tourismus:
1. Platz: Archäologischer Kulturpark NÖ BetriebsGmbH, Dr. Markus Wachter, Petronell-Carnuntum
Das Museum Carnuntum konnte mithilfe einer Begehung des BhW Niederösterreich GmbH ein vorbildliches, umfassendes barrierefreies Konzept umsetzen. Es gibt taktile Bodenleitsysteme vom Parkplatz bis ins Gelände, eine Kennzeichnung der Glastüren, unterfahrbare Kassenpulte, induktive Höranlagen im Kassabereich und in der Ausstellung, sowie mobile Geräte für Führungen im Gelände. Die Handläufe sind mit Brailleschrift versehen und taktile Infotafeln sind vorhanden.
Des weiteren gibt es taktile Modelle vom römischen Stadtviertel, Amphitheater und der Gladiatorenschule und Kurzführer in Brailleschrift und leicht verständlicher Sprache. Genaue Informationen zur Barrierefreiheit werden auf der Homepage beschrieben. Mobile Rampen zur Besichtigung der Rekunstruktionen der römischen Gebäude sind ebenfalls vorhanden wie ein Treppenlift.
2. Platz: NÖ Museums BetriebsGmbH, Mag.a Monika Schaar-Willomitzer, St. Pölten
Das Museum Niederösterreich ist ein Haus für alle, da es ein inklusives Konzept umgesetzt hat. Das Museum ist rollstuhlgerecht befahrbar und im Foyer befindet sich ein taktiles Modell des Museum mit Hörstation um den Museumsrundgang mit allen Sinnen erfahren zu können. Eine Handy App wurde entwickelt, die neben Deutsch und English auch Gebärdensprache anbietet. Diese MuseumsApp macht es möglich, das Museum nicht nur im Gebäude selbst zu erleben, sondern auch an jedem beliebigen Ort. Hier werden einzelne Themenbereiche, Tiere oder Cluster herausgenommen und durch Bilder, Texte oder Videos ergänzt. Als spielerische Komponente gibt es außerdem ein Museumsquiz.
Kategorie Gemeinden:
1. Platz: Hollabrunn, Ing. Andreas Leeb, Hollabrunn
Die umgesetzten Maßnahmen wurden sowohl baulich durchgeführt, als auch mit Beratungen von Betrieben und Vorträgen zur Bewusstseinsbildung.
Herausragend in dieser Gemeinde ist, dass seit 2013 ein Leitplan für barrierefreie Wege erarbeitet wurde. Seitdem wird dieser jährlich überarbeitet und konsequent durchgeführt.
Es wurden viele Rampen für Geschäftseingänge errichtet und auch gut berollbare Verkehrsflächen innerhalb von strukturierten Gehwegen hergestellt. Besonders hervorgehoben muss der ÖBB Bahnhof Hollabrunn werden, wobei darauf hingewiesen wird, dass die ÖBB bereits sehr viele Haltestellen und Bahnhöfe in Niederösterreich barrierefrei ausgebaut hat. Neben der barrierefreien Benutzbarkeit aller Bahnsteige (Lifte) am Bahnhof Hollabrunn, gibt es auch ein sehr gutes zusammenhängendes taktiles Leitsystem und zusätzlich taktile Handlaufinformationen mit tastbarer Pyramiden- und Brailleschrift. Eine barrierefreie WC-Anlage, die mit einem handtastbaren Türschild gekennzeichnet ist und zu der ein taktiler Leitweg führt, ist ebenfalls vorhanden. Es gibt auch mit anderen Dienststellen gemeinsame Projekte, wie z.B. mit AMS, BIG, Austrian Real Estate, Kapelle Magersdorf, aber auch einen barrierefreien Wirtshauseingang durch Straßenanhebung.
2. Platz: Neulengbach, Bgm. Franz Wohlmuth, Neulengbach
Mit dem Um- und Zubau des Rathauses und der Neugestaltung des Kirchenplatzes konnte eine umfassende Barrierefreiheit geschaffen werden. Das Amtsgebäude wurde mit taktilen Bodenleitsystemen ausgestattet und das Bürgerservice ist mit einer mobilen induktiven Höranlage versehen. Das Behinderten WC ist vorbildlich umgesetzt worden und die Gehwegbreiten, der
Öffnungswiderstand der Eingangstüren, die Handläufe und Bedienelemente sind normgerecht ausgeführt worden. Auch auf die Raumakustik wurde Rücksicht genommen. Alle wichtigen Türschilder wurden taktil ertastbar beschrieben und mit Brailleschrift versehen. Der Kirchenplatz vor dem Gemeindeamt wurde rollstuhlgerecht umgebaut, sodass Niveauunterschiede nicht mehr vorhanden sind.
Sonderpreise: Firma Stauseefischer, Mag. Bernhard Berger aus Zwettl (barrierefreie Workshops und Führungen am Kampstausee) und Tec Innovation GmbH Tamara Engl aus Hautzendorf für ihre innovative Schuh-Entwicklung.
Fotos: ZVg, Lechner/BhW