Bettina Leidl, KUNST HAUS WIEN
Das Kunsthaus Wien wurde als erstes Museum in Österreich mit dem Österreichischen Umweltzeichen ausgezeichnet. Darüber hinaus wurde - ganz in der Tradition von Friedensreich Hundertwasser - ein Ort geschaffen, wo sich Künstler*innen und Kreative mit Themen wie Nachhaltigkeit, Klimawandel, Recycling, Urbanistik oder generationenübergreifender Verantwortung kritisch und visionär auseinandersetzen.
BUSINESSART: Warum ist Nachhaltigkeit im KUNST HAUS WIEN ein so großes Thema?
Bettina Leidl: Unser Gründer Friedensreich Hundertwasser war mit seiner Kunst ein Vorreiter des ökologischen Denkens. So wirken zum Beispiel die Bäume auf dem Dach und an der Fassade der sommerlichen Hitze der Stadt entgegen. Da war es – als ich das Haus 2014 übernommen habe - nicht mehr weit zur Frage, wo heute die Künstler*innen sind, die sich mit dieser Thematik beschäftigen. Mit dem Projektraum im Innenhof haben wir eine Ausstellungsmöglichkeit für sie geschaffen. Darüber hinaus gibt es auch immer wieder große Ausstellungen zum Schwerpunkt Ökologie in den Haupträumen.
Was können Künstler*innen zum Thema Nachhaltigkeit beitragen?
Ein Museum ist ein Werteproduzent, ein öffentlich gefördertes Unternehmen, das auch gesellschaftspolitische Haltungen zu vermitteln hat. Das Thema Nachhaltigkeit ist im Grunde sehr komplex. Man kann darüber tausende wissenschaftliche Berichte lesen. Künstler*innen schaffen mit ihrer Arbeit eine direkte Wirkung auf die Menschen, einen emotionalen Zugang zu den Problemstellungen unserer Zeit. Wir laden ganz gezielt jene Künstler*innen ein, die sich mit gesellschaftspolitischen Themen beschäftigen.
Kann die Kunst das Klima retten?
Kunst kann die Wahrnehmung schärfen, die Perspektiven ändern, die Menschen aus ihrer Komfortzone herausholen und damit einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.
Und wie nachhaltig arbeitet das Museum selbst?
Nach etwa einem Jahr habe ich mir gedacht, wir sind inhaltlich total engagiert, aber man wird uns bald fragen, was wir als Museum zum Umweltschutz beitragen. Ich kannte das Umweltzeichen, das noch dazu Friedensreich Hundertwasser gestaltet hat. Daher habe ich im Ministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus nachgefragt, was es braucht, um dieses Gütesiegel zu bekommen. Das gehe leider nicht, weil es keine Richtlinien für Museen gibt, war die ernüchternde Antwort. Das war mein „go“‘: ich habe die beiden Museumsverbände, ICOM und Museumsbund sowie das Ökologieinstitut zusammengebracht und zwei Jahre lang einen Kriterienkatalog für Museen und Ausstellungshäuser erarbeitet. Einiges konnten wir von anderen Bereichen übernehmen, vieles mussten wir jedoch neu erarbeiten, unter anderem auch heikle Punkte wie der Einsatz von Chemikalien bei der Restaurierung oder die Verwendung von Farben beim Aufbau von Ausstellungen.
Welche Maßnahmen haben Sie in Ihrem Haus umgesetzt?
Wir haben alle Abläufe, sowohl im Museum, als auch in der Verwaltung auf Umweltverträglichkeit hin geprüft und dahingehend optimiert. Vom Shopsortiment über den gesamten Einkauf bis zu den Ausstellungstransporten. Wir haben Anreize für eine umweltfreundliche Anreise geschaffen und den barrierefreien Zugang zu den Ausstellungen ermöglicht. Vor allem war es ein spannender Managementprozess: sich gemeinsam mit den Mitarbeiter*innen über alles Gedanken zu machen, was im Haus so passiert und gemeinsam nach umweltfreundlichen Lösungen zu suchen. Mittlerweile haben wir das Umweltzeichen bekommen und das Hundertwasser-Logo quasi nach Hause geholt. Aktuell wird sogar diskutiert, ob die Fördervergabe an eine Zertifizierung mit dem Umweltzeichen gekoppelt werden sollte.
Wo liegen ihre persönlichen Wurzeln für ihr nachhaltiges Engagement? Gibt es ein Schlüsselerlebnis dazu für Sie?
Ich bin in Salzburg aufgewachsen und habe immer wieder die Schaumkronen auf der Salzach gesehen und die toten Fische. Das war in den frühen 1970er Jahren. Seitens der Verursacherin, des Zellstoffwerks in Hallein, hieß es, dass man da wegen der Arbeitsplätze nichts machen könne. Anfang der 1980er Jahre begann ein Umdenken und die Menschen haben Verantwortung für die Umwelt übernommen. 2017 wurde das Unternehmen sogar mit dem Energy Globe Award Austria ausgezeichnet. Das ist sehr motivierend.
Sie haben sich auch in entwicklungspolitischen Fragen engagiert.
Ja, aber das war ein rein privates Engagement. Ich war zehn Jahre lang im Vorstand von Womens Cooperation International, einem entwicklungspolitischen Verein, der Frauenprojekte unterstützt hat. Bei einem der Projekte in Kamerun, das ich auch selbst besucht habe, ging es um die Finanzierung einer Frauenschule. Tatsache war, dass viele Mädchen nur bis zum Alter von zehn Jahren in die Schule gingen und danach keinen Zugang mehr zu Bildung hatten und vieles verlernt haben. In der Frauenschule haben dann erwachsene Frauen jeden Sonntag zwei Stunden lang wieder lesen, schreiben und rechnen gelernt. Ganz nebenbei haben die Teilnehmerinnen auch ihr Wissen um die Zusammenhänge in der Natur ausgetauscht, weil die gesamte Landwirtschaft nur mehr am Kunstdünger hing. In Kooperation mit Bauern aus Niederösterreich haben sie gelernt, wie man kompostiert und natürlichen Dünger erzeugt. So wurde aus einem Bildungsprojekt noch zusätzlich ein Biolandwirtschaftsprojekt.
Wie können wir den Klimawandel stoppen?
Ich kenne sehr viele Menschen, die sehr viel im persönlichen Bereich machen und den Umweltschutz in ihr tägliches Leben einbauen, sei es bei der Ernährung, beim Müll, beim Kauf regionaler Produkte und vieles mehr. Heute sind wir allerdings an einem Punkt angekommen, wo das nicht mehr reicht. Es geht jetzt um das Große und es braucht die politische Ebene, die klare Vorgaben machen muss. Wir brauchen den gesellschaftspolitischen Konsens, um diese Fragen zu lösen und einen gemeinsamen Weg, den alle gehen. Dazu gehören auch Sanktionen für Länder, die sich nicht daran halten. Das Abbrennen der Regenwälder ist einer der größten Skandale unserer Zeit. Paul Crutzen hat 2014 den Begriff des Anthropozäns, das Menschenzeitalter geprägt. Nun diskutieren wir nicht mehr nur die Endlichkeit des Menschen, sondern die der Menschheit. Das muss uns doch zum Nachdenken bringen und uns an unsere Verantwortung für die Generationen nach uns erinnern.
Wie stehen Sie zu Friday for Future?
Großartig! Super! Endlich! Ich war noch etwas zu jung für die 1968er, aber es war damals ja auch die Jugendbewegung, die sich eine neue Gesellschaft erkämpft hat. Ich hoffe, dass diese Bewegung in die Breite geht und die Regierungen weltweit zum Handeln bewegt.
Welche Werte braucht es für eine gute Zukunft?
Solidarität, Respekt, Wertschätzung, Gerechtigkeit, ökologische Verantwortung und Demokratie Die Gesellschaft wurde früher utopischer gedacht, heute geht es nur mehr um das Halten des Status quo. Wir dürfen die soziale und ökologische Frage nicht gegeneinander ausspielen und dabei das Gemeinwohl aus den Augen verlieren.
Der Satz Ihres Lebens:
Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünscht für diese Welt. (Mahatma Gandhi)
Mag. Bettina Leidl, Direktorin, KUNST HAUS WIEN
Ort: Wien
Gegründet: 1991
Anzahl der Mitarbeiter*innen: 35
Website: www.kunsthauswien.com