Biologisch abbaubares Plastik?
"Mit unserem biologisch abbaubaren PVC leisten wir einen wertvollen Beitrag zum Umweltschutz." Das wurde in einem Mail suggeriert, das ich diese Woche erhielt.
Das PVC sei vollkommen harmlos und durch einen bestimmten Zusatz sei es hundertprozentig biologisch abbaubar.
Immer häufiger findet man in Supermärkten Plastikverpackungen und Produkte, die angeben biologisch abbaubar zu sein. Auch uns in der Redaktion werden immer wieder (angeblich) biologisch abbaubare Materialien vorgestellt. Im Faktencheck mit Experten der TÜV AUSTRIA Gruppe, haben wir einem dieser Produkte (ein angeblich abbaubares und recycletes PVC) genauer auf den Zahn gefühlt.
Die Nachfrage bei Expert*innen des TÜV zeigt (gekürzt):
- Den Expert*innen ist kein biologisch abbaubares PVC bekannt.
- Es gibt Additive, die, wenn sie mit biologisch nicht abbaubaren Polymeren wie PE oder PVC gemischt werden, ihre Fragmentierung in kleine Partikel, aber niemals ihren biologischen Abbau bewirken. Diese Additive (oxo-fragmentierbar) werden 2021 in Europa verboten.
- Biologisch abbaubare Produkte erkennt man an der EN 13432 für industrielle Kompostierbarkeit und/oder Zertifizierungen wie OK compost INDUSTRIAL oder Seedling, die auf der EN 13432 aufbauen, sowie OK compost HOME, OK biodegradable SOIL, OK biodegradable WATER und OK biodegradable MARINE. Bei einem Produkt oder Material ohne international anerkanntes Gütesiegel ist daher zur Vorsicht geraten. Die Chance ist groß, dass der Hersteller nicht alle vier Kriterien der EN 13432 korrekt überprüft hat.
- Aspekte, die beim Recycling zu bewerten sind: Wie hoch ist der recyclte Content? Woher stammt dieser (interne Produktion wie Schnittreste? Externe Materialquellen?) Da recycelter Content aus externen Materialquellen in seiner Qualität sehr schwanken kann, müssen jedes Jahr Schwermetalltests durchgeführt werden, wenn man bspw. mit einem OK compost oder OK biodergadable Zertifikat zertifiziert ist.
- Sind die Druckertinten zertifiziert? Wenn nein, Konformität mit den Ökotoxizitäts – und Schwermetallstandards der EN 13432 muss nachgewiesen werden.
- Wird eine Masterbatch (zum Kolorieren des Materials) beigefügt? Wenn ja, Konformität mit der EN 13432 bzw. der jeweiligen OK compost oder OK biodegradable scheme muss nachgewiesen werden für diese Komponenten.
Selbst wenn ein Produkt sicher und umweltfreundlich ist, es bleibt die Sinnfrage. Für welche Produkte ist eine biologische Abbaubarkeit in einem industriellen Kompost, im Gartenkompost oder in der Natur anzuraten? TÜV AUSTRIA empfiehlt: Endprodukte wie Plastikgabeln oder Verpackungen sollten niemals auf biologische Abbaubarkeit in der Natur hinweisen, denn dies lädt zum Wegwerfen in der Natur ein, wo sich die Produkte durch niedrige Temperaturen nur sehr langsam zersetzen. Biologische Abbaubarkeit in der Natur ist nur für wenige Produkte und Materialien sinnvoll, die eine große Wahrscheinlichkeit haben in diesem Milieu zu enden (Beispiel: Fischernetze oder Mulchingplanen, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden).
Für Endprodukte ist die Zersetzung in einem industriellen Kompost oder Heimkompost besser geeignet, da diese eine kontrollierte Umgebung darstellen in denen durch höhere Temperaturen ein deutlich schnellere physische und chemische Zersetzung stattfinden kann.
Tatsächlich biologisch abbaubarer Kunststoff
Die Grafik der nova-Institut GmbH zeigt eine Übersicht der gängigen biologisch abbaubaren Polymere und wie sie unter unterschiedlichen Bedingungen tatsächlich verrotten. Die Grafik kann hier downgeloaded werden.
Kunststoff in der Kreislaufwirtschaft - PLA scheint dafür ein idealer Werkstoff zu sein.
Faktencheck: Roswitha M. Reisinger.
Weiterführende Information
Im Grunde ist biologisch abbaubares Plastik eine gute Idee, die zu der Reduzierung von Plastikmüll beitragen kann und die insgesamt einen besseren CO2-Fußabdruck aufweist als herkömmliches Plastik – insbesondere wenn das Plastik nicht nur biologisch abbaubar ist, sondern auch aus bio-basierten Rohstoffen wie beispielsweise Algen oder Kartoffelstärke besteht. Jedoch entsprechen nicht alle auf dem Markt angebotenen Materialien und Produkte der europäischen Norm EN 13432 für industrielle Kompostierbarkeit von Plastikverpackungen oder den gängigen technischen Standards für Heimkompostierung und Abbaubarkeit in Naturräumen wie Boden, Süßwasser oder Meerwasser.
Konsument*innen, die eine nachhaltige und umweltfreundliche Kaufentscheidungen treffen möchte, brauchen daher ein Basiswissen über biologisch abbaubare Produkte und deren Bewertungskriterien, um sich im Produktdschungel zurechtzufinden und falsche Behauptungen entlarven zu können.
- Zunächst einmal ist der Begriff „biologisch abbaubar“ trügerisch, denn die richtige Frage muss sein: In welchem Milieu ist es denn abbaubar? In einem industriellen Kompost oder dem Gartenkompost? Im Boden, im Süßwasser oder im Meer? Die verschiedenen Umweltmilieus sind nicht nur räumlich getrennt, sondern weisen auch andere Temperaturen und Bedingungen auf, an die ein Produkt angepasst sein und in dem es sich innerhalb eines bestimmten Zeitraumes abbauen muss. Ein Produkt sollte daher im besten Falle ein Gütesiegel tragen, das konkret auf das Umweltmilieu hinweist, für welches es entwickelt und geprüft worden ist.
- Zum Zweiten ist die biologische Abbaubarkeit nur eines von vielen technischen Kriterien, die ein Produkt erfüllen muss, um sicher und freundlich für die Umwelt zu sein. Haben Sie schon einmal über den womöglich toxischen Einfluss von Druckertinten und Klebstoffen nachgedacht, die Produkten oftmals beigefügt werden?
- Daher wurden in der Europäischen Norm für industrielle Kompostierbarkeit von Plastikverpackungen insgesamt vier Kriterien festgelegt, die ein Material oder Produkt erfüllen muss:
- Die biologische Abbaubarkeit (Verarbeitung zu Kohlenstoff durch Mikroorganismen),
- die Disintegration (physische Zersetzung in Kleinstteile),
- die Ökotoxizität (die Wirkung auf Pflanzen) und
- der Schwermetallgehalt.
TÜV AUSTRIA, das Zertifizierungsinstitut für kompostierbare und biologisch abbaubare Materialien, hat diese Kriterien weiterentwickelt und sie an die Bedingungen anderer Umweltmilieus angepasst, für die der Gesetzgeber noch keine europäischen Normen entwickelt hat.