Imperiale Lebensweise. Zur Ausbeutung von Mensch und Natur im globalen Kapitalismus
Der Regierungsantritt des Klimaskeptikers Donald Trump lässt für die Umweltpolitik nichts Gutes erwarten.
Aber auch die vermeintlich umweltbewussten Regierungen in einigen europäischen Ländern, allen voran Deutschland und Österreich, treiben ein problematisches Entwicklungsmodell voran. Die Skandale bei der Abgasmessung von Autos und die Verteidigung dieser Praktiken durch die Politik sind nur die Spitze des Eisbergs. Wirtschaftspolitisch stehen vor allem drei Forderungen oben auf der Agenda: »Wachstum, Wachstum, Wachstum«. Geiz soll weiterhin angeblich geil sein und Kaufen glücklich machen.
Diese Phänomene lassen sich als Symptome einer imperialen Lebensweise begreifen, die Ulrich Brand und Markus Wissen in ihrem heute erschienen Buch »Imperiale Lebensweise. Zur Ausbeutung von Mensch und Natur im globalen Kapitalismus« zum Gegenstand machen. Gemeint sind damit Produktions- und Konsummuster, die hohe soziale und ökologische Kosten verursachen und auf Arbeitskraft und Natur andernorts verlagern: Der globale Norden eignet sich die mineralischen, metallischen und agrarischen Ressourcen des globalen Südens an und beutet die billige Arbeitskraft von TextilarbeiterInnen oder den ProduzentInnen landwirtschaftlicher Exportgüter aus. Dort, wo sich ihr Nutzen konzentriert, wirkt die imperiale Lebensweise sozial stabilisierend. In Zeiten, in denen die Welt aus den Fugen geraten zu sein scheint, ermöglicht sie (zumindest teilweise) Normalität.
Die imperiale Lebensweise erscheint vielen Menschen in den wirtschaftlich dynamischen Schwellenländern attraktiv und wird von ihnen angestrebt. Doch sie ist nicht global verallgemeinerbar, sondern beruht auf Exklusivität: Sie bedarf eines Außen, auf das ihre Kosten verlagert und von dem die benötigten Ressourcen bezogen werden können.
In jüngerer Zeit drohen eben diese Voraussetzungen zu erodieren:
Das Außen schrumpft im selben Maße, wie sich immer mehr Länder des globalen Südens industrialisieren und selbst davon abhängig werden, sozial-ökologische Kosten zu externalisieren.
Zudem sind immer weniger Menschen im globalen Süden bereit, sich ihr eigenes Leben von der imperialen Lebensweise des globalen Nordens kaputt machen zu lassen. Vielmehr streben sie danach, an deren Vorzügen teilzuhaben. Die aktuellen Flucht- und Migrationsbewegungen sind auch vor diesem Hintergrund zu sehen. Die kapitalistischen Zentren reagieren darauf mit einer autoritären Politik der Abschottung und Ausgrenzung, die rechten Kräften in die Hände spielt.
Daneben zeichnen sich jedoch auch heute schon solche Alternativen ab, die auf die Möglichkeit einer demokratischen, sozial und ökologisch gerechten Gesellschaft im globalen Maßstab verweisen. Dazu gehören die Solidarität mit Geflüchteten sowie die Kämpfe um Ernährungssouveränität, Klimagerechtigkeit und Energiedemokratie. In ihnen deutet sich eine der imperialen entgegengesetzte solidarische Lebensweise an, deren Konturen Ulrich Brand und Markus Wissen als Wegweiser für die Zukunft nachzeichnen.
Ulrich Brand, Markus Wissen: Imperiale Lebensweise. Zur Ausbeutung von Mensch und Natur im globalen Kapitalismus, 224 Seiten, Paperback, ISBN 978-3-86581-843-0, 14,95 Euro / 15,40 Euro (A). Auch als E-Book erhältlich.
Prof. Dr. Ulrich Brand und Prof. Dr. Markus Wissen lehren und forschen an der Universität Wien beziehungsweise an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Sie kooperieren wissenschaftlich und politisch seit den 1990er-Jahren, unter anderem im Rahmen der Bundeskoordination Internationalismus (BUKO) und der Assoziation für kritische Gesellschaftsforschung (AkG). Von 2008 bis 2012 arbeiteten sie gemeinsam am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien. Markus Wissen ist Redakteur der »PROKLA. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft«. Ulrich Brand war Mitglied der Enquete-Kommission »Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität« des Deutschen Bundestages (2011-2013) und ist Mitherausgeber der »Blätter für deutsche und internationale Politik«.