Christof Kastner, Kastner Gruppe
Christof Kastner ist eine außergewöhnliche Unternehmerpersönlichkeit, die versucht, den wirtschaftlichen Erfolg mit ökologischer Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung (für die Mitarbeiterinnen und die Region Waldviertel) zu verbinden.
Er ist dabei selbst Treiber und Impulsgeber - gleichzeitig aber immer neugierig und offen für Ideen, Entwicklungen und Verbesserungen Richtung Nachhaltigkeit. Stichworte: Bio in der Gastronomie, stärkt handwerkliche Produzent*innen über MyProduct, Biodiversität und alte Sorten.
BUSINESSART: Sie sind im Unternehmen aufgewachsen und haben dann Verantwortung übernommen. Was haben Ihre Eltern richtig gemacht, dass Sie sich für den Einstieg ins Unternehmen entschieden haben?
Christof Kastner: Mein Vater immer gesagt, das ist wie bei einer Monarchie – du kannst dir nicht sicher sein, ob die nächste Generation die notwendigen zwei Voraussetzungen mitbringen: wollen und können. Das muss zusammenpassen. Die Nachfolge zu gestalten ist für ein Familienunternehmen der schwierigste Prozess überhaupt. Mein Vater war 55 Jahre alt als wir den Prozess begonnen haben. Ich bin vor 25 Jahren ins Unternehmen eingetreten und nach vier Jahren Gesellschafter geworden. Für die Nachfolge haben wir ein umfangreiches Coachingverfahren installiert. Und bei mir sind das Wollen und das Können zusammengekommen.
Wie haben Sie sich das Können erarbeitet?
Ich habe bereits während der Schulzeit mitgearbeitet und im Unternehmen alle operativen Stationen durchgemacht, bin mit dem Lkw ausliefern gefahren und habe die Waren ins Lager geschlichtet. Das hat sich viele Jahre später ausgezahlt: die Mitarbeiter*innen und Kund*innen haben gemerkt, dass ich weiß, wovon ich rede und dass ich mich auskenne. Respekt und Anerkennung kannst du dir nur erarbeiten. Die bekommst du nicht geschenkt
In den 1990er-Jahren ist das Unternehmen durch eine Fusion um 60 Prozent gewachsen. Da hatten wir schon Wachstumsschmerzen und wir mussten neue Strukturen schaffen, darunter vier EDV-Systeme zusammenführen, die Marke neu positionieren und vieles andere mehr. So bin ich ins Unternehmen hineingeglitten und habe mein Studium knapp vor dem Abschluss abgebrochen. Die Arbeit hat mich einfach viel mehr interessiert.
Hat die Übergabe gut funktioniert?
Ja, zwischen uns hat das gut funktioniert: der eine muss geben und loslassen, der andere muss nehmen. Wir haben 13 Jahre Tür an Tür gearbeitet und ich habe einfach immer mehr übernommen. Obwohl es schon eine Herausforderung war, die richtige Position im Unternehmen zu finden und sich durchsetzen zu lernen.
Meine Kinder sind noch so jung, dass es vermutlich ein Zwischenmanagement geben wird. Man merkt schon jetzt einige Fähigkeiten, aber ob sie wollen und können wird sich erst herausstellen. Meine Aufgabe ist es, das Umfeld aufzubereiten. Das ist ein permanenter Prozess, Strukturen aufzubauen, die richtigen Leute an den richtigen Platz zu setzen, interne Produktionsläufe weiterentwickeln, die High Potentials finden etc.
Was braucht es, um ein guter Unternehmer zu werden?
Voraussetzung ist das Handwerkszeug der Manager*innen wie betriebswirtschaftliches Knowhow, Management, Organisations-Knowhow, Marketing. Man muss Generalist sein, von der Kundenpsychologie über Marketingtrends, Social Media, Logistik-Entwicklungen bis zu den Fragen: Wie ernähren sich Menschen? Wohin gehen die Trends?
Ganz wichtig sind Ehrlichkeit und Geradlinigkeit auf allen Ebenen. Kundenversprechen müssen eingehalten werden, da gibt’s kein links und kein rechts. Das gilt auch im gesellschaftlichen Umgang. Unternehmer haben eine Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft und sie haben auch größere Hebel als Einzelpersonen und können und müssen entsprechend mehr bewegen.
Es gibt in jeder Branche Menschen, die das anders sehen. Aber das sind sicher nicht unsere Kunden. Bei uns ist Handschlagqualität wichtig. Sicher, das wird manchmal belächelt. Aber für mich ist ein Handschlag wichtiger als ein fixes Vertragswerk, egal ob es sich jetzt um Geschäftspartner*innen, Kund*innen, Mitarbeiter*innen oder Behörden handelt.
Offenheit ist für mich ein weiterer wichtiger Punkt. Man muss natürlich nicht alle strategischen Überlegungen nach außen kommunizieren, aber trotzdem den wichtigsten Partner*innen erzählen, was im Hintergrund passiert.
Als Manager*in musst du stressresistent sein. Das hat man, oder man hat es nicht. Auch ich bin manchmal im Stress, vor allem, wenn viele Sachen gleichzeitig kommen. Und zu mir kommen ja nur die Dinge, die nicht funktionieren, und wo die anderen nicht mehr weiterwissen.
Und man muss schnell im Denken sein. Das ist für den einen oder die andere manchmal nicht so einfach. Früher war ich da ungeduldig, Heute, mit zunehmender Erfahrung mache ich das anders.
Welche Fähigkeiten braucht es, um ein bereits lange bestehendes Unternehmen weiterzuführen?
Aus meiner Sicht gibt es zwei Typen von Unternehmern: den Typus des Gründers, der eine Idee hat und sie mit extremen Engagement umsetzt und neue Produkte und Dienstleistungen in den Markt bringt, wie zum Beispiel Sonnentor.
Für unser Unternehmen in der fünften Generation braucht es einen ganz anderen Typus. Einen, der den guten Kern des Unternehmens bewahrt und es gleichzeitig zukunftsorientiert weiterentwickelt. Selbstverständlich nimmt man da einen Rucksack aus der Vergangenheit mit, der viele gute Sachen beinhaltet, aber auch den einen oder anderen Ballast. Da muss man aufpassen, dass der nicht zur Belastung wird, über die man stolpert.
Was treibt Sie an?
„Du machst es nicht nur für die anderen, sondern auch für dich“, hat meine Frau einmal zu mir gesagt. Jeder Mensch versucht Spuren zu hinterlassen. Ich will etwas zum Positiven ändern: Arbeitsplätze schaffen, unser Engagement für Umwelt- und Klimaschutz und viele andere wichtige Dinge. Vieles hängen wir gar nicht an die große Glocke, weil es eh klar ist, dass man das so macht. Zum Beispiel verpacken wir bei Nah und Frisch nur 20 Prozent des Obst und Gemüses. 80 Prozent kann man lose kaufen.
Haben Sie sich schon einmal für den wirtschaftlichen Erfolg und gegen Nachhaltigkeit entscheiden müssen?
Täglich! Wir sind in einer Branche mit extrem niedrigen Gewinnmargen von 1 bis 2 Prozent. Das ist ein permanentes Ringen. Daher haben wir uns klare Spielregeln gegeben. Beim Zubau haben wir uns für konventionelle Kühlraumpaneele entschieden. Sie kosten 30 Prozent weniger als solche aus Holzriegel und nachhaltigen Dämmstoffen. Was uns aber unterscheidet ist, dass wir Gebäude nicht nach 10 Jahren wegreißen sondern sie adaptieren und verwenden sie weiter.
Oder unsere CO2 Kompensation. Da haben wir einen Stufenplan entwickelt, bei dem jährlich tausende Euro dazukommen um Bäume zu pflanzen. Das machen wir, obwohl der Markt nicht einfacher wird und wir nur mehr internationale Konzerne als Mitbewerber haben.
Die Digitalisierung setzt gerade dem Handel stark zu. Wie gehen Sie damit um?
Wir gehören zu den Pionieren. Die Digitalisierung hat bei Kastner 1979 begonnen, als wir unsere händische Kartei auf ein Warenwirtschaftssystem umgestellt haben. Heute arbeiten wir bereits mit künstlicher Intelligenz im Hintergrund: im Online-Shop gibt es optimierte Bestellvorschläge, wir haben den Warenkorb optimiert. Bei uns braucht man nur die Hälfte bis zu einem Drittel der Klicks die man bei den Mitbewerbern braucht. Fast 50 Prozent aller Gastronomieumsätze gehen heute über unseren Online-Shop. Wir haben ein einzigartiges System mit Scanner und App entwickelt. Was am Regal gescannt wird landet automatisch am PC und kann sofort als Bestellung weitergegeben werden. Darauf bin ich sehr stolz. Mit myproduct machen wir Dinge, die andere noch nicht einmal denken.
Wie wird sich die Digitalisierung auf die Arbeitsplätze auswirken?
Manche sagen, dass die Hälfte der Jobs verschwinden wird. Ich halte das für einen Blödsinn. Bei uns im Unternehmen brauche mit jedem EDV-System mehr Leute, weil die Anforderungen steigen. Nur erfordert der Umgang mit der Digitalisierung ganz andere Strategien. Da kennen sich viele CEOs noch nicht aus.
Wie kann sich Österreich im globalen Wettbewerb behaupten?
Das muss man wie in einem Unternehmen sehen: Wo sind unsere Kernkompetenzen? Wo sind unsere Wurzeln? Da muss Österreich noch viel klarer nachdenken. Dem Silicon Valley oder den Chinesen nachlaufen kann nicht der Weg sein. Wir haben so viele Dinge wo Österreich gut ist: in der Umwelttechnologie, unsere kleinstrukturierte Landwirtschaft, unser Landschafts- und Naturraum, der so viel Potential in sich birgt, mit dem man noch mehr machen kann, vor allem im Tourismus und bei der Ernährung. Leider hinken wir beim Umweltschutz mittlerweile hinten nach. Österreich muss wettbewerbsfähiger werden.
Was sagen Sie zu den jungen Menschen von Friday for future?
Super, dass das so ein Selbstläufer geworden ist. Viele Politiker müssen noch was dazulernen. Wir alle müssen uns ändern und unser Gesellschaftssystem umbauen. Das braucht auch Verbote, Steuern und Infrastruktur. Die Politik muss sicher noch mutiger sein.
Gibt es einen Satz Ihres Lebens?
Man kann alt und weise werden. Das impliziert, dass du das Ziel erreichen kannst, alt zu werden, wenn du dein Leben in allen Aspekten vernünftig, also weise, gestaltest.
Christof Kastner
Kastner Gruppe
Gegründet: 1828
Sitz: Zwettl
Mitarbeiter*innen: ca. 900
Website: www.kastner.at
instagram @christofkastner