Tobias Judmaier, iss mich!
"Ich versuche jeden Tag so zu leben, dass ich das, was ich erlebe, als Lernerfahrung verstehen kann. Probleme nicht als Belastung und Bürde zu sehen, sondern als etwas, woraus ich lernen kann.
Das macht auch schwierige und stressvolle Situationen gut bewältigbar. Es gelingt nicht immer, aber immer besser."
Du wurdest 2014 von BUSINESSART als Nachhaltiger Gestalter ausgezeichnet. Wie war das damals für Dich?
Tobias Judmaier: Es war eine der ersten Auszeichnungen, die wir bekommen haben, überraschend und unerwartet. Die Nachhaltigkeitswelt war damals für mich neu – ich habe ein ganz neues Universum entdeckt, in dem ich mich sehr wohl fühle. Was mir mit der Zeit schon aufgefallen ist: es ist ein sehr anspruchsvolles und bisweilen mühevolles Universum. Importierte Handyhüllen zu verkaufen ist mit Sicherheit einfacher.
Aber ich habe den Anspruch etwas Richtiges zu tun. Mir ist ein nachhaltiges Geschäftsmodell wichtig. Denn gerade im Küchen- und Cateringbereich gibt es vieles, das nicht nachhaltig ist: die Verschwendung von Lebensmitteln, die Mitarbeiter*innen sind mit dem Kollektivvertrag nicht gut bezahlt. Wir brauchen viel Chemie – die Hygienevorschriften sind nicht umweltfreundlich. Beim Lieferservice fällt viel Verpackungsmüll an.
Wenn ich Zero Waste anstrebe und die Mitarbeiter*innen gut bezahle – diese hehren Ansprüche sind oft schwer zu erfüllen, denn es ist einfacher und billiger, den Salat in einen PET-Becher abzufüllen, den man wegwerfen kann, als mit Mehrweg-Glas zu arbeiten, das wieder abzuholen ist. Die Beschaffung der Lebensmittel ist komplizierter. Bioabbaubare Reinigungsmittel sind doppelt so teuer. Die Lohnkosten samt Nebenkosten machen 33 Prozent des Umsatzes aus. Wenn ich über Kollektiv bezahle bin ich nicht mehr so konkurrenzfähig, und das in einer Branche, die eh schon knapp kalkuliert ist. Trotzdem will ich keine Abstriche machen.
Trade off: Gab es Situationen, in denen wirtschaftlicher Erfolg nur mit nicht-nachhaltigem Handeln erzielbar gewesen wäre? Wo Du Dich gegen nachhaltiges Handeln entscheiden musstest?
Natürlich gab es Versuchungen aus der Start-Up-Welt und dem Handel, das Geschäft zu vergrößern. Da hätten wir dann Einweggläser nehmen müssen und diese nicht gekühlt liefern. Das hätte die Logistik und Handhabe viel einfacher gemacht. Ich habe Zeit und Energie mit dieser Idee verbracht – denn es war schon auch verführerisch, in einen großen Markt hineinzukommen.
Ich habe mich schließlich ganz dagegen entschieden, weil es mit dem Grundkonzept nichts mehr zu tun hat, und weil großes Wachstum für mich und mein Lebenskonzept auch nicht sein muss. Vielleicht gehe ich in Ostösterreich einfach in die Tiefe und nicht über die Grenzen hinaus. Ich bin damit zufrieden, ein lokaler Anbieter zu sein und mache lieber kleine und entspannte Schritte, die der Umwelt und somit uns allen gut tun.
Bist du zufrieden?
Mein Key-Learning war, dass es gut ist, bei der Kernpositionierung zu bleiben. Im Sinne der Nachhaltigkeit sind kleine Strukturen sinnvoller und wirksamer als große Strukturen. Lieber small und beautiful/sinnvoll als zu groß und umweltschädlich. Wir haben jetzt acht Mitarbeiter*innen, die alle über dem Kollektivvertrag bezahlt werden können, wir kommunizieren untereinander gut und sind zufrieden. Ich muss nicht ganz Europa beliefern.
Erfolgreiche Unternehmen, die größer sind, sind über Generationen gewachsen – das hat einen Grund. Man wächst nicht gut, wenn es zu schnell geht.
Wie nachhaltig entwickelt sich die Gastro- und Cateringbranche?
Das ist eine sehr zweischneidige Sache. Der Biotrend ist sehr stark. Dann gibt es den Fleischlos Trend, den ich für sehr wichtig halte, denn dort liegt der größte CO2 und Wasserverbrauch. Wir sollten einfach weniger Fleisch und dafür in Top-Qualität essen – da passiert viel. Und natürlich wird immer mehr Wert auf regionale Produkte gelegt.
Anderseits werden heute unzählige Lieferservices genutzt, der Markt wächst rasant. Das produziert viel Verpackungsmüll und kostet 30 Prozent des Umsatzes des Gastwirts. Das ist viel und das muss er bei den Zutaten und den Mitarbeitern wieder einsparen. Allgemein wird immer weniger selbst gekocht. Es werden immer weniger Frischprodukte eingekauft und man isst immer mehr industriell gefertigte Fertigprodukte. Dadurch verlieren die Konsument*innen den Bezug zu den natürlichen, landwirtschaftlichen Produkten. Beim herkömmlichen Lieferservice sind die Portionen üblicherweise zu groß – so wird leider viel weggeworfen. Komfort geht dabei zulasten der Nachhaltigkeit.
Das hat auch mit diesbezüglicher Bildung an Schulen zu tun. Wir sollten in der Schule Anbau und Kochen von Nahrungsmittel als Schulfach haben. Dann lernt man, wo die Produkte herkommen, deren Gesundheitswert und wie sie am besten gekocht werden.
Wie siehst du die gesellschaftliche Entwicklung?
Ich habe mich sehr viel mit Abfall und Überschuss beschäftigt – ein ganz großer Teil der Klimaproblematik hat mit dem Müll zu tun hat, den wir produzieren. Und dort müssen wir ansetzen: Was essen wir und wie essen wir? Zwei fleischfreie Tage sind besser fürs Klima als nicht mit dem Auto fahren. Das muss man sich bewusst zu machen, sich informieren um danach zu handeln, das hat man im Moment den größten Impact.
Und wir brauchen eine kluge Gesetzgebung. Wieso sind klimaschädliche Produkte gleich besteuert wie klimafreundliche Produkte? Ich als Unternehmer würde ich mir leichter tun, wenn die unverpackten und die Bioprodukte steuerlich entlastet würden, wenn die Kleinbetriebe weniger Lohnabgaben oder das Hygienekonzept nicht 20 Seiten wie bei einem200-Mann Betrieb haben muss.
Was sagst Du zu den jungen Menschen von Friday for future?
Ich bin sehr froh, dass da Menschen heranwachsen, die ein starkes Bewusstsein und Interesse in die Gesellschaft hineintragen. Die sich nicht mehr ein Auto und eine Flugreise wünschen sondern den Planeten am Leben erhalten wollen, weil es ihre Zukunft ist. Der Klimawandel war bei früheren Generationen bisher kaum Thema. Ich hoffe, dass dieses starke Movement, auch durch die breite mediale Aufmerksamkeit, eine Breitenwirkung erzielt.
Was können wir von ihnen lernen?
Dass es etwas größeres und wichtigeres gibt als die momentane Komfortzone, da diese in einem Höchstausmaß gefährdet ist, wenn man sich nicht um die Grundlagen des Lebens kümmert.
Dass Menschen etwas dazu beitragen müssen, dass die Zukunft lebenswert wird. Und, dass man diesbezüglich etwas bewegen kann wenn man auf die Straße geht und dieses klare Ziel vor Augen hat.
Der Satz deines Lebens
Ich versuche jeden Tag so zu leben, dass ich das, was ich erlebe, als Lernerfahrung verstehen kann. Das macht auch schwierige und stressvolle Situationen gut bewältigbar. Probleme nicht als Belastung und Bürde zu sehen, sondern als etwas, woraus ich lernen kann. Das gelingt nicht immer aber immer besser.
Tobias Judmaier, Gründer und GF iss mich!
Ort: Wien
Gegründet: 2014, seit 2019 iss mich! GmbH
Mitarbeiter*innen: 8
www.issmich.at/