Josef Weghaupt, Joseph Brot
100% Bio, 100% Handarbeit, 100% Genuss. Nach traditionellen Rezepten hergestellt, die immer wieder neu interpretiert werden.
Damit hat Josef Weghaupt die Liebe zum Qualitätsbrot wieder geweckt. Die Kund*innen lieben ihn weil‘s einfach gut schmeckt, und weil auch das, was dahinter steht, passt.
BUSINESSART: Sie gelten als einer der besten Bäcker Österreichs. Aber Sie wurden nicht als Bäcker geboren sondern sind Bäcker geworden. Wo kommen Sie her und was war der Auslöser für Sie, Bäcker zu werden?
Josef Weghaupt: Ich habe die HTL in Hollabrunn für Lebensmitteltechnologie und Fleischhauerei besucht. Danach arbeitete ich beim Marktamt des Magistrats Wien und wechselte bald darauf in die Backindustrie. Dort war ich für Qualitätsmanagement, Marketing und Vertrieb und schließlich für die Forschungs- und Entwicklungsabteilung verantwortlich. Dort haben wir tolle Produkte kreiert und große Sprünge in der Qualität gemacht. Ich habe gemerkt, dass man Brot als Genussmittel und nicht als Füllstoff und Sättigungsbeilage sehen kann. Aber das war den Einkäufern unserer Produkte einfach scheißegal. Es ging nur um die Cents in der Kalkulation. Da habe ich gemerkt, dass ich das nicht das ganze Leben lang machen kann. Wenn man für etwas brennt und das spiegelt sich nicht wider, dann kann man depressiv werden oder etwas anderes machen.
Daher haben Sie sich selbstständig gemacht.
Ja, heute lache ich darüber, aber es war ein sehr harter Weg. Ich hatte in drei tolle Brote entwickelt: das Bio Joseph Brot – es ist heute noch das Flaggschiff, den Bio Urlaib und das Bio Altwiener Hausbrot als Einstiegsbrot. Meine erste Idee war, Betriebe zu suchen, die das Brot produzieren und ich übernehme den Vertrieb. Diese Idee ist nicht aufgegangen, weil ich keine konstante Qualität liefern konnte. Den ausführenden Bäckern waren Teigführungszeiten über mehrere Tage und Mischzeiten egal. Einer meiner Kunden, Bernd Schlacher vom Motto, hat mir schließlich die Rute ins Fenster gestellt und gesagt: „Bei aller Liebe – aber die Qualität passt nicht. Entweder du kriegst das bis Jahresende in den Griff oder du bist nicht mehr im Spiel.“ Das war toll. Denn wer gibt einem Jungen diese Chance.
Das bedeutet, Sie haben selbst zu backen begonnen?
Genau. Ich will 100 Prozent, im Produkt, wie im Service. So habe ich mich nach möglichen Bäckereien, die ich übernehmen könnte, umgesehen. Unglaublich, was ich da gefunden habe: völlig abgewirtschaftete Betriebe mit einer Ablöseforderung von 500.000 Euro. Das war unleistbar für mich. Schließlich habe ich im tiefsten Waldviertel, in Vitis, von einer Bäckerei gehört, die gerade zugesperrt hatte. Der alte Chef hat mir die Bäckerei zunächst für ein halbes Jahr verpachtet. Er wohnt auch im Haus und wollte erst einmal schauen, ob ich auch zahlen kann. Ich habe alles herausgerissen, eine Mischmaschine gekauft und losgelegt. Am 23. Dezember 2009 habe ich die erste Lieferung um 48,- Euro selbst durchgeführt.
Und dann ging‘s los?
Ich habe einen Kollegen von früher geholt, der die gleiche Leidenschaft hat, und wir haben gemischt, gebacken und ausgeliefert. Nach einem Jahr waren wir komplett fertig und wirtschaftlich nicht erfolgreich. Damals habe ich gedacht, es ist vorbei.
Was hat die Wende gebracht?
Ich wusste, dass meine Freunde mein Brot lieben und die Qualität schätzen. Auf einer Party habe ich dann Alexander Ehrmann von der Saint Charles Apotheke kennengelernt – mein Brot war bei ihm beim Catering. Er hatte einen Kosmetik-Laden in der Naglergasse, den er schließen wollte und der als Verkaufsstelle für mein Brot genutzt werden könnte. Ich wusste sofort: Fuck – das ist die Idee – die Kund*innen brauchen eine Stelle, wo sie hingehen und das Brot kaufen können.
Aber so etwas kostet ja eine Stange Geld. Wie konnten Sie die Finanzierung aufstellen?
Ich hatte damals bereits 200.000 Euro Schulden. Meine Hausbank hat natürlich nichts mehr finanziert, ich bekam keinen Überziehungsrahmen mehr. Ein Freund empfahl mir dann die Sparkasse Neunkirchen: „wenn die an einem Projekt interessiert sind bekommt man einen Termin.“ Ich bin also hin, die beiden Berater haben sich mein Konzept angehört und zum Schluss habe ich ihnen einen Bio Urlaib in die Hand gedrückt. Schon am nächsten Tag haben sie mich zurückgerufen, die ganze Familie und der Bankvorstand waren vom Brot begeistert. Sie haben an das Projekt und an mich geglaubt und auch, dass ich nicht davonrenne, denn das hätte ich jetzt schon machen können.
So konnten Sie die Naglergasse Ende September 2011 aufsperren.
Am ersten Tag, einem Donnerstag hätten wir bis 19:00 Uhr offen gehabt, mussten aber bereits um 17:00 Uhr schließen, weil kein Brot mehr da war. Ich habe mir den Umsatz angesehen und es war genau das, was ich brauchte, um eine Null zu produzieren. Die Eröffnungsparty habe ich nicht mehr mitgefeiert, sondern bin nach Hause gegangen und habe mir gedacht, ich pack mein Leben nicht mehr. Die Naglergasse hat eingeschlagen wie eine Bombe.
Mit dem Erfolg muss man aber auch beginnen, das Wachstum zu organisieren
Ich wusste, ich muss gute Strukturen bauen. Das Gute ist, ich weiß wo ich sehr gut bin und weiß, wo ich andere brauche, die deutlich besser sind. Mein Anspruch war vom ersten Tag an: ich möchte, dass meine Firma wirtschaftlich erfolgreich ist. Nur dann hat es Sinn. Miese schreiben ist nicht der Sinn der Sache. Ich investiere den ganzen Gewinn wieder in die Firma: in die Struktur, in die Mitarbeiter*innen, wir renovieren. Dadurch funktioniert es. Mit einem Anspruch auf maximalen Gewinn würde es nicht funktionieren. Ich war einmal bei einer Start Up Beratung, da ging es um das Skalieren eines Geschäftsmodells und um den großen Gewinn. Ich sehe das als eines der Hauptprobleme bei neuen Unternehmen. Ich kann mir ein Auto leisten, ich brauche keine Yacht. Wenn im Alter einmal die Familie partizipiert ist das toll. Ich habe zwei Jungs, wenn die die Firma als coole Geschichte übernehmen wollen und sie ist schuldenfrei – das ist ein Traum.
Was sind die nächsten Schritte?
Ich mache immer nächste Schritte. Was es ist kann ich noch nicht sagen. Jedenfalls sind wir sehr gut unterwegs. Unser Team wird kompakter und immer besser, ich bekomme mehr Freiräume, wir sehen ein paar Sachen, setzen aber nicht auf das große Wachstum. Wir wachsen in der Qualität. Aktuell haben wir ein glutenfreies Bio Sauerteigbrot entwickelt und kommen mit dem Produzieren nicht nach.
Was sind die größten Herausforderungen unserer Zeit?
Das erste ist, dass sich viele Menschen von Oberflächlichkeit und Projektionen leiten lassen, ohne zu hinterfragen, ohne selbstkritisch zu sein. Da poppt etwas auf Instagram auf und alle meinen, so sei es richtig. Schauen Sie sich in den ganzen neuen Lokalen um – alle haben die gleichen Lampen. Da geht doch das Besondere, das Persönliche verloren.
Zudem müssen wir uns Gedanken machen, wie es am Arbeitsmarkt weitergeht. Die Menschen können sich vom Kollektivgehalt keine Wohnung mehr leisten und müssen so eine Stunde in die Arbeit fahren. Damit schaden wir uns selbst, und auch die Investoren schaden sich langfristig gesehen.
Wir brauchen mehr Biolebensmittel und mehr Biolandwirtschaft. Ich erwarte mir mehr Verantwortung von der Politik und vom Handel. Wir können doch stolz und glücklich über unsere kleinstrukturierte Landwirtschaft sein. Nur so können wir die Diversität erhalten.
Und wir sollten über die Grenzen zusammenarbeiten. Wir haben so viele Kolleg*innen aus anderen Ländern: Ungarn, Slowaken, Syrer, Afghanen. Alles tolle Menschen, wir können uns in die Augen schauen. Wien war doch immer ein Schmelztiegel. Wenn wir diese Chancen nützen könnten wir so viel an Knowhow und Stärke gewinnen und uns dadurch auch nachhaltig wirtschaftlich erfolgreich aufstellen.
Was sagen Sie zu den jungen Menschen von Friday for future?
Das ist eine sehr gute Bewegung, weil sie etwa bewegen, Zeichen setzen und nicht alles runterschlucken. Sie stellen sich auf die Füße und haben etwas zu sagen und machen das solange bis die Verantwortlichen zuhören. Ich glaube nicht, dass das ein Hype ist. Mein Vater war bei der Eisenbahn. Die SPÖ-Gewerkschafter haben das erreicht, wovon wir heute leben.
Gibt es einen Satz Ihres Lebens?
Ein Problem ist kein Problem sondern eine Herausforderung und diese kann ich immer in etwas Positives umdrehen. Ich denke darüber nach, wie ich es schaffe die Herausforderung zu bewältigen, dann atme ich aus und kann wieder weitermachen.
Josef Weghaupt
Joseph Brot GmbH
Gegründet: 2009
Sitz: Wien und Burgschleinitz
Mitarbeiter*innen: 170
Website: www.joseph.co.at