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Cornelia Daniel hat im Frühjahr 2019 das 300ste Solardach auf den Weg gebracht und das 400ste steht jetzt schon wieder vor der Tür. Konsequent und mit viel Durchhaltevermögen bleibt sie seit acht Jahren am Thema Photovoltaik im Gewerbe dran.

Cornelia Daniel
Cornelia Daniel Foto: Tony-Gigov-Tausendundein-Dach

Was war das Schlüsselerlebnis für dich, Photovoltaik (PV) aufs Dach zu bringen? Wie hat das begonnen?

Es gab unzählige Wegweiser, die mich zur Sonne gebracht haben. Mein Vater war Installateur und wir hatten zuhause bereits eine Solaranlage. Das war damals noch total ungewöhnlich. Während eines Auslandssemesters in Australien im Rahmen meines Wirtschaftsstudiums habe ich mich gefragt, warum nicht mehr Solarenergie genutzt wird, obwohl dort so viel möglich wäre, darüber habe ich meine Diplomarbeit geschrieben.

Was war das Ergebnis?

Die Conclusio war, dass es für die Solarthermieindustrie aus Österreich nicht gescheit ist, in den Markt in Australien einzusteigen, weil dort, 2008, die Kohlelobby viel zu stark war und zudem in China eine Konkurrenz entstand, die extrem billig produzieren konnte. Kurz darauf ist die Solarthermiebranche tatsächlich total abgestürzt. Da habe ich gelernt wie stark Politik in das Energie-Thema hineinspielt. Ich habe damals aber auch gelernt, dass es neben der Solarthermie eine neue spannende Solartechnik gibt: die Photovoltaik und der Rest ist Geschichte.

Was muss die Politik tun?

Da möchte ich Hermann Scheer zitieren. Er sagt: „Die Politik hat nur eine Aufgabe: Alle Hürden, die den direkten Weg der Sonne zum Verbraucher behindern aus der Welt zu schaffen.“ Davon sind wir weit entfernt und das frustriert sehr. Ich hoffe, dass endlich klar wird welches Geschenk uns der Himmel da geschickt hat und, dass die neuen Entscheidungsträger*innen ihre Aufgabe nun endlich ernst nehmen.

Was sind die größten Hürden?

Solarenergie bedeutet eine Demokratisierung der Energiegewinnung: statt weniger Oligopole erzeugen Millionen Menschen Energie. Und das erzeugt Widerstand.

Schwierig ist auch, dass die externen Kosten – zum Beispiel die Umweltverschmutzung durch fossile Energieträger – derzeit von der Gesellschaft getragen werden. Sie sind im Strompreis nicht enthalten – das ist ein eklatantes Marktversagen. Wäre das anders, und der Strompreis dadurch höher, würden sich die Erneuerbaren und vor allem die Photovoltaik noch schneller durchsetzen.

Wolltest du immer schon Unternehmerin werden?

Ja, ich wollte immer ein Unternehmen gründen. Daher habe ich Außenhandel und Entrepreneurship studiert. Ich wusste bloß noch nicht was und brauchte nach der Uni einen Teilzeitjob, weil ich in der restlichen Zeit nach meiner Unternehmensidee suchen wollte. Da bot sich ein Job in einer Photovoltaikinvestmentfirma an, für die ich eineinhalb Jahre Großprojekte in Italien und Spanien entwickelt habe. Da habe ich das große Potential für Gewerbebetriebe erkannt und 2011, auf Basis der letzten großen Ökostromnovelle, mein Unternehmen Dachgold gegründet. Meine Vision war, auf jedem Gewerbedach eine PV-Anlage zu installieren, inspiriert von der Vision Bill Gates „auf jedem Schreibtisch ein Computer“. Aber das habe ich mir damals nicht mal getraut zu sagen.

Was waren deine ersten Schritte als Unternehmerin?

Ich habe vor allem die Wirtschaftlichkeitsberatung gemacht. Mir ist sehr wichtig, dass sich die Investition auch wirtschaftlich darstellen lässt. Dazu habe ich einen Gestehungskostenrechner entwickelt um jedes einzelne Projekt selbst und nachvollziehbar durchrechnen zu können. So können wir jederzeit sagen wann der Punkt erreicht wird, wo der Solarstrom billiger ist als Netzstrom. 2012 war die Netzparität dann da – und es hat niemand interessiert!

Das muss ja ein Tiefpunkt gewesen sein. Wie hast du dann Kunden gefunden?

Zum Glück hatten wir damals die Idee zu Tausendundein Dach und für den Greenstart Award eingereicht und ihn auch gewonnen. Das hat uns ermöglicht, unser Geschäftskonzept zu verfeinern. Und mit dem Budget des Awards konnten wir dann die ersten Marketingunterlagen produzieren. Durch einen Zeitungsartikel haben wir unseren ersten Kunden bekommen. Das Dach Nr. 1 in Wiener. Neustadt.

Was hat den Kunden überzeugt?

Er wollte PV nutzen und war begeistert, dass er nur unterschreiben muss und alles andere von uns erledigt wird. Wir kümmern uns um alles – von der Planung über die Umsetzung bis zur PR. Das ist wichtig, denn die Materie ist komplex und die Kund*innen haben viel zu wenig Zeit, sich darum zu kümmern. Mit uns können sie sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und wir kümmern uns um tausende Dinge, die notwendig sind, damit die Anlage schlüsselfertig übergeben werden kann.

Der Nutzen der Photovoltaik wird sehr unterschiedlich eingeschätzt, vom Super-Perpetuum-Mobile Bis zu‘ das rechnet sich nicht‘? Warum ist das so?

Das ist eine Frage der Erwartungshaltung. Viele verstehen nicht, dass die Amortisationszeit der falsche Wert ist, denn er ist nur ein Spiegel des derzeitigen Strompreises und nicht des zukünftigen. Der eine Unternehmer sieht, dass er mit der Anlage billigeren Strom bekommt, und wenn er einspart sogar noch einen Gewinn machen kann. Wenn der Strom vom Dach um 50 % billiger ist liegt die Amortisationszeit bei 10 bis 12 Jahren. Wenn der Strom genau gleich viel kostet zahle ich den Strom im Voraus. Das ist natürlich kein Argument für Manager*innen, die sagen „ich investiere nicht, was sich nicht in maximal fünf Jahren rechnet.“ PV rechnet sich nicht in fünf Jahren, außer der Strompreis verdoppelt sich nochmal. Mir ist wichtig, den Unternehmen Berechnungen mitzugeben, die von der Controllingabteilung nachgerechnet werden können.

Man könnte ja auch mit der Rendite argumentieren. Wie sieht es damit aus?

Ja, das ist ein gutes Argument. Derzeit bewegen wir uns in der 5- bis 10-Prozent-Ecke. Sogar welche mit 12 Prozent sind ab und zu dabei. Das schafft derzeit keine Finanzanlage.

Wie viel Vertrauen können wir in die Technik haben? Auch da gibt es immer wieder Bedenken?

PV hat noch immer ein großes Marketingproblem. Zur Haltbarkeit kann man sagen, dass die Garantien sehr lang geworden sind. Für die Module liegen sie bei 25 bis 30 Jahren, für manche Wechselrichter bei 10-20 Jahren. Dieser muss in der Laufzeit meist einmal getauscht werden, kommt aber auf das Modell an. Unsere Erfahrung zeigt, dass die Geräte üblicherweise sogar sehr viel länger als die Garantie halten. Die sogenannten „Montagsgeräte“ fallen üblicherweise im ersten Jahr aus und können ausgetauscht werden. Für alle anderen gilt: wenn es rennt, dann rennt es.“ Augenmerk sollte man vor allem auf die Montage legen, da liegt die Qualität. Bei den Modulen ist in den letzten Jahren alles ausgedünnt worden, was nicht Qualität war.

Wo waren die größten Hindernisse für die Vision „PV auf alle Dächer“?

Das war die Eigenverbrauchssteuer, die Gott sei Dank mittlerweile abgeschafft wurde. Ich war damals so enttäuscht über diese Ignoranz der Politik. Jeder hat gewusst, dass es Blödsinn ist, und trotzdem blieb die Regelung vier Jahre lang bestehen. Das zweite war der sinkende Strompreis. Denn der Strompreis ist letztlich der einzige Faktor, der zählt.

Wie sieht es heute aus?

Die Energiepreise sind zwischen 30 und 50 Prozent gestiegen. Daher machen die Unternehmen heute wirklich Gewinn. Grund dafür ist, dass der Emissionshandel anzieht und Kohlekraftwerke abgeschaltet werden. Jetzt gehen wir in die richtige Richtung. Wir sind nur mehr 2 Cent vom nächsten Solarboom entfernt. Dann kann es richtig abgehen!

Was würde der Branche einen Schub geben?

Viel beschleunigen würden solarfreundliche Netztarife. Man könnte zum Beispiel belohnen, wenn Strom sofort im Umkreis von 5 km verbraucht wird und mit Ortsnetztarifen Anreize für lokale Energienutzung setzen. Derzeit macht es keinen Unterschied, ob der Strom zum Nachbar oder an die Leipziger Börse geliefert wird. Es könnten so auch regionale Energiegenossenschaften entstehen.

Wichtig wäre auch eine solarfreundliche Bauordnung. Dass zum Beispiel Klimaanlagen in den Norden zu stellen sind, dass man dafür sorgt, dass keine Verschattungen möglich sind. Auch die Behördenwege sind zu lang – bei manchen Projekten dauert es bis zu Bewilligung drei Jahre – das kann nicht sein.

Ich bin auch für eine Solarpflicht für alle öffentlichen Gebäude. Das wäre das wichtigste Zeichen dafür, dass die Politik die Solarenergie ernst nimmt und ein wichtiges Signal für die Bevölkerung. Zudem ist es ein ganz normales Investment und spart Steuergeld.

Und noch ein zweites Mal ist die Politik gefragt: Billiger Strom allein löst noch keine Investition aus. Unternehmen und Menschen brauchen ganz klare Regeln wie zum Beispiel eine beschleunigte Abschreibung, wenn sie bis 2025 investieren. Auch Förderungen sind wichtig. Dabei ist nicht wichtig, viel auszuschütten, sondern oft auszuschütten, damit möglichst oft ein Impuls in diese Richtung gesetzt wird.

Was sind deine nächsten Schritte?

Derzeit gibt es 380 unterschriebene Projekte; bis Ende 2019 wollen wir auf 500 kommen um in unserer Zielkurve zu bleiben. Und wir haben uns ein ehrgeiziges Datum gesetzt: Wir feiern am 1. Juni 2021 im Volksgarten dass wir die Tausendundein Dächer tatsächlich geschafft haben. Ein Dach entspricht 20 kWp, also insgesamt über 20 MWp in Summe. Das entspricht Strom für mehr als 5000 Haushalte.

Wie schaffst du es, deine Energie aufrechtzuerhalten?

Ich gehe schon ans Limit. Aber ich wachse mit den Aufgaben und die Aufgaben wachsen mit mir. Genauso wie unser großartiges Team. Wichtig ist mir, genug Schlaf zu haben. Es ist die Leidenschaft, die mich treibt – ich muss es nicht tun, aber ich will es tun. Außerdem achte ich darauf, immer mehr abzugeben. Wir sind in der Zwischenzeit ein großes Team – zwischen 50 und 100 Leute je nach Montageauslastung. Der nächste Schritt muss sein, dass ich nicht mehr bei allen Kundenterminen dabei sein muss. Ich kann fünf Termine pro Woche schaffen. Wenn wir aber unser Ziel erreichen wollen brauchen wir 20 Vorortbesichtungen pro Woche. Das geht nur mit einem großen kompetenten Team, das wir genialerweise jetzt aufgebaut haben.

Was sagst du zu den jungen Menschen von Friday for future?

Ich finde das großartig. Kürzlich habe ich im Zug einige Mädchen mit Friday for Future-Button gesehen und mit ihnen gesprochen. Die waren ganz begeistert, dass ich an der Lösung arbeite. Ähnliches hat mir ein Kunde erzählt: Sein engagierter Sohn ist ihm um den Hals gefallen, als er erzählt hat, dass er eine PV-Anlage auf‘s Dach stellt.

Was müssen wir lernen?

Wir müssen lernen, dass Veränderung nicht immer zum Schlechteren ist, sondern ein Gewinn sein kann. Es geht nicht um Mangel, ich komme mehr auf das Fülle-Denken: es gibt genug Dächer, es gibt genug Geld. Es wäre genug Energie für alle da, auch wenn die Energie den Preis hat, den es braucht. Aber man muss das Richtige machen. Viel Geld wird falsch eingesetzt, wir verwenden es für Kriege statt für ein gutes Leben.

Der Satz Deines Lebens

Ich habe zwei Sätze, die ich gerne zitiere:

Bill Gates: Die meisten Menschen überschätzen was sie in einem Jahr und unterschätzen was sie in sieben Jahren erreichen können.

Abraham Lincoln: Never give up.

Mag. Cornelia Daniel
Dachgold e.U.
Gegründet: 2011
Sitz: Wien
Mitarbeiter*innen: 3, Netzwerk: 50 bis 80
Website: www.dachgold.net
www.tausendundeindach.at