zum Inhalt springen

Dr. Willi Nowak VCÖ - Mobilität mit Zukunft

Umweltschutz war Ende der 1980er Jahre das aufkommende Thema - ein ökologisch verträgliches, ökonomisch effizientes und sozial gerechtes Verkehrssystem in weiter Ferne - Willi Nowaks Leidenschaft.

willi-nowak-mit-gestik-c-vcoe
Willi Nowak_C-weissphotography-VCOE VCÖ

Er hat den VCÖ 1988 mitgegründet. Heute ist der VCÖ bei Fragen der nachhaltigen Mobilität nicht mehr wegzudenken. Fundierte Studien, engagierte Projekte, höchstkompetente ExpertInnen, moderne Unternehmensstrukturen (von der Balanced Scorecard bis zur Soziokratie) machen den VCÖ in Österreich unverzichtbar.

Was war für dich der Auslöser, dich beruflich mit umweltfreundlicher Mobilität so intensiv zu beschäftigen? Wann war das?

Schon lange vor der VCÖ-Gründung im Jahr 1988 engagierte ich mich bei der ARGUS-Fahrrad. Das legte auch den Grundstein für den VCÖ, denn die ARGUS-Fahrrad ermöglichte Mitte der 1980er-Jahre durch infrastrukturelle Unterstützung die VCÖ-Gründung. Ganz persönlich sind mir Werte, die über den privaten Bereich weit hinausgehen, sehr wichtig. Beispielsweise Entwicklungspolitik, die eine globale Dimension berücksichtigt, oder sozialer Ausgleich, was mich beispielsweise ins Wohnprojekt Sargfabrik geführt hat.

Welches Ziel hattest du zu Beginn deiner Aktivitäten und wie hat es sich in der Zwischenzeit verändert?

Die Gründungsidee des VCÖ hat mich fasziniert, nämlich mit einer unternehmerischen Perspektive (damals Angebot von Verkehrsserviceleistungen für umweltbewusst denkende Menschen) an das Thema Mobilität und Umwelt heranzugehen. Dieser Teil ist zwar einerseits geblieben, da die Service-Angebote noch bestehen, doch hat sich auch der VCÖ von dieser konsum- und nutzenorientierten Perspektive gelöst. Schwerpunkt heute ist es aus einer globalen Perspektive (Klimaschutz) und aus der Zukunft heraus (Interessen zukünftiger Generationen) Mobilitätslösungen für die gesamte Gesellschaft und nicht nur Einzelpersonen herauszuarbeiten.

Was bedeutet Erfolg für dich?

Mit diesem Wort fange ich sehr wenig an, denn es beinhaltet, dass da etwas erreicht wurde bzw. eine Entwicklung abgeschlossen ist. Und das glaube ich nicht. Mir passt besser ein Wort wie Zufriedenheit. Und zufrieden bin ich, wenn Entwicklung stattfindet, wenn Hindernisse zu überwinden sind, wenn sich etwas in eine gute Richtung bewegt und ich Teil davon sein darf.

Was waren die größten Hindernisse am Weg? Wie hast du sie bewältigt?

Bereits der Start des VCÖ war nicht gewollt in dieser Gesellschaft. Da hat die Autolobby dicht gemacht und so hat sich beispielsweise keine einzige österreichische Versicherung Ende der 1980er-Jahre bereit erklärt, für VCÖ-Mitglieder Versicherungen anzubieten, weil das die etablierten Autoclubs verschrecken hätte können. Wir haben eine französische Assistance-Gesellschaft gefunden.
Und dann gab es natürlich auch Widerstand von Seiten einzelner Forschungseinrichtungen. Denen hat nicht gepasst, dass es das VCÖ-Anliegen ist, wissenschaftliche Erkenntnisse so aufzubereiten, dass sie nicht in der Schublade verschwinden, sondern von einem breiten Publikum verstanden und weitergetragen werden. Diese Hürde haben wir genommen, in dem wir ein dichtes Netzwerk hochkompetenter Menschen in unsere Fragestellungen einbinden und mit diesen zusammen Lösungen erarbeiten.
Haarig wurde es als wir frühzeitig die hohen Emissionen bei Autos thematisieren und dabei den Volkswagen-Konzern nannten. Da flatterte eine Klage von Porsche gegen den VCÖ herein. Mit dem öffentlichen Druck, ausgelöst durch unsere nationalen und internationalen Partner-Organisationen, konnten wir erreichen, dass die Klage zurückgezogen wurde. Heute weiß die ganze Welt, was der VCÖ bereits im Jahr 2011 thematisierte: Autohersteller mogeln gegenüber der Gesamtgesellschaft und den Konsumentinnen und Konsumenten.

Ja und nicht zuletzt gibt es da die herrschende Politik. Einzelne Vertreter, vor allem rechtspopulistischer Ausrichtung, haben generell Schwierigkeiten mit dem Engagement von Not-for-Profit-Organisationen. Und weil es um die „heilige Kuh“ Auto geht, sind die Angriffe auf den VCÖ besonders vehement. Dagegen gibt es kaum ein Rezept, außer vielleicht, sich nicht allzu persönlich angegriffen zu fühlen, wenn es untergriffig wird - „Parkplatzmörder Nowak“ muss ich nicht persönlich nehmen oder kann es auch als Lob auffassen.
 

Was war dein größter Misserfolg? Was hast du daraus gelernt?

Die Frage nach dem Misserfolg ist vergleichbar schwierig zu beantworten wie die nach dem Erfolg. Denn durch das Lernen aus dem Scheitern entsteht ja das Neue. Und das stellt den zuvor geglaubten Misserfolg in ein neues Licht. Wäre da nicht das Scheitern der Atom-Lobby an der Volksabstimmung um Zwentendorf gewesen, so gäbe es nicht den Erfolg eines atomkraftwerkfreien Österreich. Auf den VCÖ bezogen würde ich sagen, dass es mir und mit mir dem VCÖ nicht gelungen ist hunderttausende Menschen davon zu überzeugen, dass wir die Klimaziele und die Energiewende nur schaffen werden, wenn uns die Verkehrswende gelingt. Noch viel zu wenige Menschen haben verstanden, dass uns da eine große Transformation bevorsteht, die in jeden Lebensbereich hinein wirken wird – sozusagen: Schluss mit weiter-so-wie-bisher. Gelernt habe ich daraus, dass es nur ein kleiner Prozentsatz der Bevölkerung ist, der bereits das Bewusstsein hat, dass es eine globale und generationenübergreifende Sichtweise braucht, die zudem auch noch über den Tellerrand des eigenen Kompetenzbereiches hinaus gehen sollte, wenn wir ernsthaft Zukunft nachhaltig gestalten möchten.

Wie gelingt es dir immer wieder, wichtige EntscheidungsträgerInnen für deine Projekte zu gewinnen?

Ich glaube, dass neben persönlicher Integrität vor allem eine klare innovationsorientierte Herangehensweise hilft Veränderungen anzustoßen. Die ist einfach beschrieben: Ausgehend von der Wahrnehmung einer Differenz oder eines Unterschiedes (also Augen offen halten) kann fakten- und wissensbasiert ein Konzept bzw. eine Vorstellung einer Lösung entstehen. Und wenn daraus Prototypen und Modellprojekte entwickelt werden, beispielsweise, wie der VCÖ sie jährlich mit dem Mobilitätspreis vor den Vorhang holt, dann ist der Boden bereitet für allgemeine Lösungen, für die dann entscheidungsverantwortliche Personen die Rahmenbedingungen setzen können. Dieses Physisch-werden-lassen von vorher nur Gedachtem hat hohe Überzeugungskraft und regt zum Nachahmen an.

Was sind die nächsten großen Meilensteine, die Österreich braucht?

Mit der Einengung auf Österreich wird es nicht getan sein. Die Welt, auch die Verkehrswelt, ist globalisiert. Die große Aufgabe heißt vollständiger Ausstieg aus den fossilen Treibstoffen. Der Verkehr ist nicht nur der größte Klimasünder Österreichs wegen des Treibstoffbedarfs, sondern mit diesen fossilen Treibstoffen befeuern wir auch die autoritären, menschenverachtenden und undemokratischen Regierungen jener Staaten, aus denen wir diese Rohstoffe beziehen. Die große Herausforderung heißt also Elektrifizierung, ohne dabei jenen auf den Leim zu gehen, die glauben, der Austausch des Verbrennungsmotors durch einen E-Motor wäre eine Lösung. Die Verkehrswende meint nicht nur Ausstieg aus dem Öl, sie meint auch, Halbierung des Energieeinsatzes, sie meint auch, Schluss mit dem Bodenverbrauch und der Bodenversiegelung. Eine ernst gemeinte Verkehrswende greift in das tägliche Konsumverhalten aller ein. Das wird anstrengend und umso anstrengender, je später wir damit beginnen.

Was sind deine nächsten Ziele?

Mein persönliches Vorhaben heißt, mehr Zeit zu verwenden für mich und mehr Zeit zu haben für jene Menschen, die mir nahe sind.

Welche SDGs sind für deinen Bereich besonders wichtig? Wo tragt ihr ganz besonders bei?

Die 17 SDGs sind sehr dicht miteinander verbunden. Doch da der VCÖ einerseits in Österreich agiert, also nur indirekt global eingebunden ist, und andererseits nur im Thema Verkehr aktiv ist, also sich spezialisiert hat, fühlen wir uns besonders verantwortlich für die Ziele, die auf verbesserte Gesundheit wirken (SDG 3) und jene Ziele, die nachhaltige Infrastrukturen schaffen (SDG 9), vor allem dort, wo viele Menschen zusammen leben wie in den Städten (SDG 11). Bedeutsam sind für den VCÖ natürlich auch Konsumthemen (SDG 12), bei Klimaschutzmaßnahmen bzw. Klimaanpassungsstrategien (SDG 13) und generell die Fragen des Landökosystems (SDG 15).
 

Was empfiehlst du Unternehmen?

Keine Gelegenheit auslassen, darüber nachzudenken, ob das, was das Unternehmen gerade tut, auch wirklich nachhaltigen Zwecken dient.

Was braucht es sonst noch?

Wer wirklich etwas erreichen will braucht einen langen Atem bei den eigenen Handlungen und viel Geduld.


Eckdaten zu dir:

  • Name, Titel, Funktion, Unternehmen: Dr. Willi Nowak, Geschäftsführung VCÖ – Mobilität mit Zukunft
  • geboren am: 6.2.1958
  • Ausbildung: Tiefbautechniker und anschließend Studium der Geologie
  • Berufsweg: Nach dem Studium und dem Zivildienst beim Österreichischen Informationsdienst für Entwicklungspolitik sowie mehrerer Jahre Tätigkeit bei der KELAG als Baugeologe, Gründung des VCÖ und dort seit der Gründung im Jahr 1988 Geschäftsführer.
  • Website: www.vcoe.at