Entrepreneurship for the Future
Für die Zukunft unseres Planeten war die Wirtschaft bisher das Problem. Aber wenn wir die Ökonomie selbst in die Hand nehmen, kann daraus die Lösung werden. Kommentar von Prof. Günter Faltin.
"Unser wahres Analphabetentum ist das Unvermögen, kreativ schöpferisch tätig zu sein", sagte der österreichische Künstler Friedensreich Hundertwasser. Unsere Vorstellungskraft, unsere Ideen, die Kombination von Gedanken sind unbegrenzt. Bislang gibt es keinen Beleg dafür, dass unserer Kreativität Grenzen gesetzt sind.
Von allen Lebewesen ist nur dem Menschen ein schöpferisches Potenzial gegeben. Heute benötigen wir es dringender denn je, weil eine Fortsetzung der momentanen Entwicklung uns in die Katastrophe zu führen droht.
Den elegantesten Weg aus der Katastrophe hinaus kann uns dabei jene Kraft weisen, die uns überhaupt erst hineingebracht hat: die Ökonomie. Für mich hat sie das Potenzial, die schönste aller Künste zu sein: Schöpferisches Gestalten, das zu Ort, Zeit und Person passt und eine tragfähige, dauerhafte ökonomische Perspektive eröffnet. Ein Ideen-Kind in die Welt bringen. Eines, das nicht nur der Stolz der Eltern ist, sondern sich für die Gesellschaft nützlich machen kann und das durch gute und preiswerte Produkte die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Und nicht zuletzt ein Handeln, das vorhandene Probleme nicht verschärft, sondern durch breitere Partizipation auf unternehmerischem Wege zu neuen und besseren Lösungen beiträgt.
Auch jetzt schon existiert ein Bereich unternehmerischer Tätigkeit, in dem sowohl die geltenden Wertvorstellungen wie auch die handelnden Personen erkennbar anders sind als in der konventionellen Wirtschaft.
Ich spreche vom Bereich des Social Entrepreneurship.
Die Idee, unternehmerisches Denken und Handeln zu nutzen, ohne Profitmaximierung damit zu verbinden, trifft weltweit auf großes Interesse und Zustimmung. Die positiven Werte des Unternehmerischen – Ziele zu erreichen, praktisch effizient zu organisieren, finanzielle Mittel sparsam einzusetzen – werden bejaht, aber ohne den Ballast der Gewinnmaximierung mit zu übernehmen. So etwas wie Richard Branson und Mutter Teresa in einer Person. Wir brauchen – so der Grundgedanke des Social Entrepreneurship – Menschen, die mit entrepreneurial spirit neue Antworten auf komplexe soziale Probleme finden und umsetzen.
Nur bei oberflächlichem Hinsehen sieht es also so aus, dass die unangepassten, die kreativen, die künstlerischen Menschen nicht für Ökonomie zu begeistern wären. Genauer betrachtet muss das nicht richtig sein. Die Popularität, die Social Entrepreneurship in letzter Zeit gewonnen hat, deutet darauf hin, dass das Interesse an und das Verständnis für Entrepreneurship wächst, aber die Formen und Denkweisen der konventionellen Ökonomie abgelehnt werden.
Wir erleben hier eine Bejahung des entrepreneurial spirit für die Lösung gesellschaftlicher Probleme.
Eines der Hauptmerkmale des Social Entrepreneurships ist bisher, dass es in Bereichen tätig ist, die außerhalb des Kerngebiets der Ökonomie liegen. Als soziales Anliegen wird das Engagement für Benachteiligte und Gruppen am Rand der Gesellschaft verstanden. Denken wir uns den Social Entrepreneur nun als jemanden, der nicht mehr am Rand der Gesellschaft in die Ökonomie eingreift, sondern in ihrem Kern. Sein Anliegen, gesellschaftliche Impulse zu geben, den Menschen zu helfen, bleibt bestehen – und sein Engagement kann damit allen zugutekommen. Er kann seinen Aktionsradius erweitern und damit seine Wirkung verstärken.
Als Social Entrepreneur für alle erfüllt er die Aufgabe, die wir mit Citizen Entrepreneurship umschreiben.
Eine solche Aufgabenstellung kann auf eine lange Tradition zurückgreifen. Die Genossenschaftsbewegung hatte es sich in Teilen immer auch zur Aufgabe gemacht, ihre Mitglieder mit guten Produkten zu versorgen, jenseits der sonst vorherrschenden strikten Profitmentalität mit ihren negativen Auswirkungen auf Produkte und Menschen. Wenn wir zum Beispiel daran denken, die überhöhten Preise der Marken anzugreifen, sollten wir diese Tradition im Auge behalten.
Social Entrepreneurs sind geradezu prädestiniert, Möglichkeiten jenseits von Gewinnmaximierung zu denken und zu erproben – und verträglichere Businessmodelle zu finden. Die Idee des Carsharing beispielsweise geht darauf zurück, dass ein paar wenige gesellschaftlich engagierte Nonkonformisten ein Gespür dafür entwickelten, dass die Mehrheitsidee der autogerechten Stadt weder intelligent noch zukunftsfähig sei. Während professionell auf Effizienz geschulte Ökonomen sich nicht daran stören, dass Automobile 90 Prozent ihrer Existenz im Park- und Rostmodus verbringen, begann in den 60er Jahren in Amsterdam eine Handvoll Andersdenkender damit zu experimentieren, wie Mobilität ohne eigenes Automobil funktionieren kann.
Heute kommt der gesellschaftliche Druck aus dem technischen Fortschritt und der Veränderung der ökologischen Verhältnisse. Die bisher erfolgreichen Sichtweisen passen nicht mehr in die Landschaft. Um Gewinne zu steigern – so das alte Denken – braucht man höhere Umsätze, also quantitatives Wachstum. Gewinnmaximierung als oberstes Postulat sieht in der Schonung der Umwelt ein bestenfalls zweitrangiges Ziel, lässt sie sogar als Kosten eines Unternehmens erscheinen, die der Maximierung des Gewinns entgegenstehen. Lippenbekenntnisse bringen diesen Widerspruch nicht vom Tisch.
Eine Abkehr von Wachstum und Gewinnmaximierung ist nicht in Sicht.
Die etablierten Unternehmen werden nicht aufhören, künstlichen Mangel zu erzeugen. Sie werden auch nicht ihre Markenstrategien aufgeben und die Produktpreise näher an die Herstellungskosten bringen. Sie bleiben als Goliaths auf dem Kampfplatz stehen. Wenn wir daran etwas ändern wollen, müssen wir selbst als Davids, als Entrepreneure tätig werden. Müssen Alternativen bieten, die den Goliaths die wirtschaftliche Macht streitig machen.
Diese Alternativen gibt es. Und wo es sie noch nicht gibt, ist es realistisch, sie zu schaffen: Entrepreneurship ist heute, anders als früher, jedem Menschen zugänglich. Die Entwicklung unserer Gesellschaft kommt unserem Anliegen entgegen. In der Wissensgesellschaft werden die ökonomischen Chancen neu verteilt, Kapital ist nicht länger der Engpass ist und auch der Zugang zu Wissen nicht mehr. In einer hoch arbeitsteiligen Wirtschaft können wir auf Komponenten zurückgreifen, die es uns erlauben, von Anfang an professionell und auf Augenhöhe mit den Großen zu agieren.
Alle hier genannten Elemente sind in der Praxis bereits vorhanden. Wir können an kleinen und größeren Beispielen betrachten, wie sie funktionieren. Worauf es jetzt ankommt, ist, diese bereits in Ansätzen erkennbare Bewegung in großem Maßstab umzusetzen.