Heinz Behacker, Vorstandsvorsitzender VBV
Doppelte Dividende.
Die VBV hat 2016 als erstes Investmentunternehmen im deutschsprachigen Raum den „Montreal Carbon Pledge“ unterzeichnet. Was bedeutet das?
Das Abkommen ist eine Aktivität von UNPRI – einem Netzwerk Nachhaltiger Investoren, die entsprechend der UN Principles of Responsible Investment handeln. Es wurde ursprünglich von Kofi Anan initiiert.
Mit der Unterzeichnung des Abkommens haben wir uns verpflichtet, jährlich den CO2 Fußabdruck unserer Investments zu messen, zu veröffentlichen und Maßnahmen zur Reduktion zu setzen.
Letztes Jahr haben wir das für unsere Aktien umgesetzt – mit einem sehr erfreulichen Ergebnis: Wir liegen rund 30% unter den CO2 Werten der Benchmark, des MSCI World (Anm. d. Red. eines der wichtigsten Aktienindices der Welt). 2016 haben wir die Anleihen überprüft. Wir konnten 2/3 bewerten und liegen damit 25% unter der vergleichbaren Benchmark.
Wieso konnten nur 2/3 bewertet werden?
Für die Bewertung von Staatsanleihen sowie einigen sehr nachhaltigen kleineren Unternehmen stehen die erforderlichen CO2-Werte leider nicht zur Verfügung. Daher ist eine Bewertung derzeit noch nicht möglich.
Woher bekommen Sie die Daten?
Die Bewertung unserer Bestände erfolgt durch eine Agentur auf Basis von Bloomberg-Daten.
Was machen Sie mit dem Ergebnis?
Das Ergebnis ist mit einem Arztbefund zu vergleichen. Wir lernen die Unternehmen durch diese Bewertung besser kennen und können mit ihnen gegebenenfalls in Diskussion treten, wie der CO2 Ausstoß verringert werden kann. Andererseits gibt es auch Unternehmen mit relativ hohen CO2 Werten, in die wir weiterhin investieren, da sie aus anderer Sicht nachhaltig sind, wie zum Beispiel eine Müllverbrennung. CO2 alleine ist nicht alles. Andere Kriterien wie geringe Umweltverschmutzung, Biodiversität sowie ethische und soziale Kriterien sind ebenfalls zu berücksichtigen. Im Zweifelsfall diskutieren wir mit unserem Ethikbeirat, welche Argumente die stärkeren sind. Wenn eine positive Beeinflussung des Unternehmens nicht möglich ist kann es auch zu einem Divestment (Rückzug als Investor) kommen, wie zum Beispiel unser Rückzug aus der Kohleförderung.
Was sind ihre nächsten Schritte?
Die Verringerung des CO2 Ausstoßes ist auch für die Zukunft eine Handlungsanleitung. Im nächsten Schritt werden wir uns mit der Kohleverbrennung beschäftigen.
Wie gehen Sie konkret vor?
Wir werden in Kooperation mit unseren Netzwerkpartnern sukzessive mit Energieerzeugern Kontakt aufnehmen um ihre Sichtweise und vorgesehene Ausstiegsstrategie aus der Kohleverbrennung zu erfahren. Gemäß der Weltklimakonferenz werden wir ja alle innerhalb der nächsten 20 Jahre aus den fossilen Energien auszusteigen haben. Über die ganze Wegstrecke muss daher das timing passen. Wir werden vielleicht nicht die ersten und sicher nicht die letzten sein, die aussteigen.
Die VBV zeigt unter schwierigen Bedingungen, Stichwort Niedrigzinsen, eine sehr gute Performance die auch 2015 mit 1,8 bis 2% Rendite deutlich über dem Branchenschnitt liegt. Wie gelingt das?
Es ist tatsächlich eine Herausforderung! Alle Vorsorgebereiche sind extrem von der Niedrigzinssituation betroffen. Das Geld, das neu hereinkommt, zu investieren und mit Nachhaltigkeit Akzente zu setzen ist nicht einfach. Aber die Herausforderungen einer nachhaltigen Veranlagungsstrategie lohnen sich: Denn die festgelegten Ausschlusskriterien, die das nachhaltige Anlage-Universum etwas einschränken, helfen, in Zeiten der Krise oder deutlichen Marktkorrekturen Verluste zu vermeiden. Nachhaltiges Investment hat sich in den vielen Jahren defacto als zweites Risikomanagement herauskristallisiert.
In Jahren, in denen Zentral- und Notenbanken die Märkte durch Geldspritzen künstlich positiv beeinflussen, liegen wir mit dieser Strategie vielleicht nicht ganz an der Spitze. Aber Nachhaltiges Investment bewirkt auch in Verlustjahren eine geglättete Performance. Unsere Kunden honorieren das. Sie legen Wert auf Sicherheit, Stabilität und Kontinuität.
Was können andere Unternehmen von Ihnen lernen?
Es ist uns gelungen, in 14 Jahren durch Pionierarbeit und als Trendsetter andere zum Mitgehen zu bewegen, Kapitalströme dorthin zu bewegen wo nachhaltig gewirtschaftet wird. Würden das alle tun, hätten wir viel mehr Schwungmasse und könnten mit viel mehr Kapital mehr bewirken. Denken Sie zum Beispiel an den Klimaschutz. Wenn alle nur mehr in Unternehmen investieren, die ihren CO2-Ausstoß kontinuierlich reduzieren hätten wir mehr Chancen, die angestrebten Klimaziele zu erreichen!
Der Trend zu nachhaltigen Investments ist stetig steigend, ihr Anteil liegt aber immer noch unter 10%, trotz nachweisbaren finanziellen Erfolgs von nachhaltigen Anlagen. Was braucht es für eine markante Steigerung?
Ich bin hoffnungsfroh, weil es einige gute Zeichen gibt.
Die ÖGUT hat mit ihrem neuen Responsible Investment Standard (RIS) meines Erachtens eine hervorragende „Einstiegsdroge“ für Investoren geschaffen: Es werden nur Unternehmen mit ethisch besonders problematischen Geschäftsaktivitäten (z.B. Rüstung, Nuklearenergie, Agrogentechnik, Hauptverursacher des Klimawandels) und Staaten mit besonders unethischen Praktiken (massiv überhöhte Militärbudgets, geringste Demokratie- und Menschenrechtsstandards, Anwendung der Todesstrafe), aus dem Portfolio ausgeschlossen. Das ist ein einfacher und schöner Einstieg in das Thema.
Auch seitens der Politik gibt es Zeichen: Österreich hat das Klimaabkommen von Paris unterzeichnet und muss daher Maßnahmen setzen und größeren Druck ausüben. Gerade in der Finanzindustrie haben wir einen großen Hebel. Finanzminister Schelling hat sich stark für Impact Investment ausgesprochen, ebenso wie Umweltminister Rupprechter. Ich kann mir vorstellen, dass von der Regierung bald Maßnahmen gesetzt werden. Notwendig wäre es!
Wo liegen die größten Hürden?
Die größte Hürde ist eine Denkhürde. Viele Investoren betrachten nachhaltige Geldanalage leider noch immer als Modeströmung oder Marketingthema. Sie glauben, mit einem nachhaltigen Investment für jemand anderen etwas zu tun. Viele haben offensichtlich noch nicht mitbekommen, dass man sich selbst, den eigenen Kindern und Enkeln Gutes tut. Und dass es höchste Zeit ist, dieses Thema aktiv aufzugreifen.
Wenn die „guten“ Investoren jetzt aus allen „schlechten“ Investments aussteigen – gewinnen dann nicht einige wenige, die sich dort eine kurze Zeitspanne sehr intensiv engagieren und werden mit hohen Renditen belohnt?
Hier muss die Politik entsprechende Maßnahmen setzen. Sie sollte jene schlechter stellen bzw. bestrafen, die z.B. rücksichtslos CO2 emittieren. Wir selbst wollen andere zum Mitgehen bewegen. Das ist nicht nur wichtig, weil wir auf unserem Planeten bald 9 Mrd. Menschen haben und daher mit unseren Ressourcen sorgsam haushalten müssen. Es ist auch einfach. Es gibt viele Maßnahmen, die nicht wehtun und darüber hinaus auch Freude machen. 2016 wurden alle österr. Vorsorgekassen erstmals ÖGUT zertifiziert. Der Marktdruck hat alle zum Mitgehen bewegt. Das ist eine Geschichte, die Freude macht. Mittlerweile fangen auch Versicherungen oder Pensionskassen an, ihre Investment-Strategie zu überdenken. Wir wollen dort laufend Vorbild und Ideengeber sein, um andere zum Mitmarschieren zu bewegen.
Sie haben zu einer Zeit auf Nachhaltigkeit gesetzt, als das Thema noch total unbekannt war und fast als irrational galt. Was waren Ihre Argumente dafür?
Für die Abfertigung neu waren und sind vom Gesetz sehr enge Handlungsspielräume vorgegeben. Wir haben uns 2002 überlegt, wie wir uns aus diesem grauen Einheitsbrei heraus positionieren können. Wir wollten nicht nur einer von vielen sein, wir wollten etwas bewirken, etwas bewegen. Wollten Farbe haben, ausstrahlen, und unserer Arbeit einen besonderen Stellenwert geben. Und letztlich mit unserem Tun auch andere gewinnen und mitreißen. Mit ethischen und sozialen Standards haben wir neue Akzente im Markt gesetzt. Die Gewerkschaften haben diesen ethischen Ansatz unterstützt. Wir docken damit an die Erwartungen und Wünsche unserer Zielgruppe an und erwirtschaften für sie eine doppelte Dividende: einerseits den finanziellen Ertrag und andererseits einen Mehrwert für zukünftige Generationen. Unser Marktanteil beträgt übrigens aktuell 33%.
Wie wurde der Heinz Behacker Vorstandsvorsitzender der VBV?
Ich wollte immer in eine Bank und erhielt als junger Mitarbeiter in der Bank Austria im Rahmen eines Traineeprogramms den Projektauftrag, die Gründung einer Pensionskasse zu planen und vorzubereiten. So war ich von der Entstehung des Pensionskassengesetzes an immer dabei; 1990 zunächst als Gründungsprokurist, ab 2000 als Sprecher des Vorstands der heutigen VBV Pensionskasse. Mit dem Wissen und einem tollen Team haben wir 2002 die VBV - Vorsorgekasse gegründet. Wir konnten damals auf Teile des Verwaltungssystems der Pensionskasse aufsetzen, und waren bemüht, bei der Veranlagung die Erwartungen der Anleger von Anfang an mit-zu-berücksichtigen, sowohl die ökonomischen als auch die soft skills. Es ist uns gelungen die vielen Aktionäre – die ja untereinander Konkurrenten sind – als Vertriebspartner zu gewinnen, indem wir unser VBV Produkt für die Marke des Partners entwickelt haben. Das alles ist gemeinsam in einem tollen Team entstanden. Seit Jahren sind wir ein great place to work und zählen zu den besten Arbeitgebern des Landes. Gemeinsam ist es uns gelungen, eine eigene DNA des nachhaltigen Miteinanders zu entwickelt. Dafür gehört jeder Einzelne vor den Vorhang!
Was treibt Sie an?
Ich habe großen Spaß an dieser Geschichte. Viele Sachen, die wir gemeinsam gestalten, werden in der Öffentlichkeit gesehen, bemerkt und anerkannt. Wir sind ein EMAS – Leitbetrieb, haben für unsere transparente Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichterstattung schon mehrmals den ASRA-Award gewonnen, und waren schon zweimal Finalist beim Quality Austria Staatspreis für Unternehmensqualität. Die Auszeichnung zum „Nachhaltigen Gestalter in Österreich“ freut uns besonders. Das alles haben wir uns gemeinsam beinhart erarbeitet. Kontinuierliche Anerkennung kann man sich nicht kaufen, nicht nur einfach abholen. Strategie und Erfolg kann man nicht über ein Unternehmen stülpen. Das kann man nur mit dem Team gemeinsam mit Freude heben.
Schön ist es auch, als innovatives Unternehmen von Ministerien erkannt und zur Mitarbeit bei neuen Entwicklungen eingeladen zu werden. Oder von den Schweizerischen Pensionskassen ersucht zu werden, über unsere Nachhaltigkeitsstrategie zu informieren. Oder von Frankreich als erster Unterzeichner des Montreal Pledge im deutschsprachigen Raum wahrgenommen zu werden. Nicht zu vergessen sind auch unsere Kooperationen mit dem WWF, der Ökoregion Kaindorf, dem Klimabündnis oder dem Senat der Wirtschaft u.a.m. , die uns weiter positiv in die Zukunft blicken lassen.
Haben Sie je am Weg gezweifelt?
Am nachhaltigen Weg haben wir nie gezweifelt. Manchmal war es nicht leicht. Zum Beispiel in den boomenden Jahren von 2011 bis 2014, in denen wir mit einer vorrausschauenden nachhaltigen Veranlagungsstrategie Rücklagen und stille Reserven für die zu erwartenden schwierigen Folgejahre aufgebaut haben. Da lagen wir in der Performance teilweise unter dem Branchenschnitt, können aber heute für unsere Kunden auf ein solides Reservepolster für die schwierige Niedrigzinsphase verweisen.
Wir haben damals angenommen, dass sich die Niedrigzins-Situation noch verschärfen wird und daher auf bonitätsstarke Darlehen und Held to Maturity Anleihen gesetzt. Heute liegen unsere jährlichen Veranlagungsergebnisse seit Unternehmensgründung bei durchschnittlich über 3% und damit deutlich über dem Branchenschnitt. Das zeigt, wie wichtig es ist, auch in einer schwierigen Phase bei der Strategie zu bleiben, die Ergebnisse geben uns recht.
Wie ist es Ihnen gelungen, die Aktionäre bei der Stange zu halten?
Wir haben offen über alles geredet und unsere strategischen Überlegungen immer klar zum Ausdruck gebracht. Man hat den Aufbau stiller Reserven im Sinne einer langfristigen Sicherheit sehr begrüßt. Heute sind wir mit einer tollen Bonität belohnt und haben einen langen Atem. Wir müssen nicht immer der beste sein, aber auch nie der schlechteste.
Ist das ein guter Grundsatz für nachhaltiges Wirtschaften? Hätte mit dieser Denke eine Hypo Alpe Adria verhindert werden können?
Mit gelebter Nachhaltigkeit, sozusagen als zweites Risikomanagement, kann sicherlich viel Unglück vermieden werden. Daher liegt uns auch sehr viel daran, diesen Gedanken laufend weiterzutragen und viele Gleichgesinnte zu gewinnen.
VBV - Vorsorgekasse AG
gegründet: 2002
Sitz: Wien
Geschäftsfeld, Branche: Bank
Anzahl der MitarbeiterInnen: 47
Die VBV verwaltet rund 3 Mrd. Euro von mehr als 2,8 Mio Kunden.
Foto: VBV