Investitions-Bonus soll fit für Arbeitsmarkt machen
Wie muss unser Bildungswesen gestaltet sein, um den immer akuter werdenden Problemen auf dem Arbeitsmarkt wirksam begegnen zu können?
Wie soll in Zukunft eine humane sowie wirtschaftlich und gesellschaftlich sinnvolle Kultur von Arbeit und Familie aussehen?
Expert*nnen, Wissenschaftler*innen und Wirtschaftstreibende diskutierten diese Fragen in insgesamt 11 sogenannten Denkräumen bei dem von der Wirtschaftskammer Niederösterreich (WKNÖ) veranstalteten „BildungsKonzil“ am Heldenberg.
Unsere Gesellschaft befindet sich in einem tiefgreifenden Wandlungs- und Transformationsprozess. Migration, Digitalisierung, demographischer- und Klimawandel sind Auslöser und Treiber für Veränderungen, welche auch die Wirtschaft vor immer größere Herausforderungen stellen. „Neue unkonventionelle Lösungsansätze sind dringend gefragt, nicht zuletzt im Bildungswesen“, sagt Wirtschaftskammerpräsidentin Sonja Zwazl, auf deren Initiative das Bildungskonzil ins Leben gerufen wurde.
Einig sind sich die Expert*innen, dass in Österreich sehr viel Geld in das Bildungswesen investiert wird. „Das meiste wird jedoch in einer sehr frühen Lebensphase und das zum überwiegenden Teil in den schulischen und universitären Sektor gepumpt, währenddessen die berufliche Bildung vergleichsweise stiefmütterlich behandelt wird“, kritisiert Zwazl. Da Bildung „lebenslänglich geschieht“, wäre es angebracht und zielführend, entsprechende individuelle Anreizsysteme zu schaffen, damit in allen Lebensphasen mehr in die eigene „Arbeitsmarktfitness“ investiert wird. Ein in den Denkräumen des Konzils gemachter Vorschlag lautet daher von staatlicher Seite für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen speziellen Bildungsinvestitions-Bonus für Fortbildungskosten zu gewähren — etwa in Form einer doppelten Abschreibung. Damit sollen die individuellen Aufwendungen für die persönliche Employability (Beschäftigungsfähigkeit) gefördert werden.
Neuer Contest: Challenge for families
Ebenso heiß diskutiert wurde am Heldenberg das Thema „Arbeit und Familie“. Bekanntermaßen zählen Frauen zu den stillen Reserven am Arbeitsmarkt. Dass dieses Potenzial ungenützt bleibt, hat verschiedene Ursachen. Eine ist die zumeist noch immer auf den Schultern der Frauen liegende Doppelbelastung von Familie und Beruf.
Neues Pensionssplitting
In die gleiche Richtung zielt ein weiterer Vorschlag ab. Denn trotz aller Fortschritte in Sachen Gleichberechtigung passiert es nach wie vor vielen Frauen, dass sie von der Kinder- nahtlos in die Pflegebetreuung schlittern und so sogar trotz ausgezeichneter Qualifikationen vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen bleiben. „Die Praxis hat hier gezeigt, dass der bestehende gesetzliche Rahmen für das Pensionssplitting nicht ausreichend ist“, erläutert Denkraum-Leiterin Ursula Liebmann, Expertin für Erwachsenenbildung. So können Teilgutschriften vom Kalenderjahr der Geburt bis zum Kalenderjahr, in dem das Kind sieben Jahre alt wird, übertragen werden. Wenn mehrere Kinder geboren wurden, sind Übertragungen für maximal 14 Kalenderjahre möglich. Gefordert wird nun eine dahingehende Erweiterung, die eine unbegrenzte freiwillige Übertragung von Versicherungszeiten zwischen den Ehepartnern ermöglicht. Möglich sein soll diese Art von „Versicherungsliberalisierung“ sowohl im Haushalts- als auch im Partnerschaftsverband.
„Bildung neu denken“…
Mit diesem Anspruch ist das von der WKNÖ ins Leben gerufene „BildungsKonzil“ am Heldenberg bei Hollabrunn 2017 zum ersten Mal angetreten um einen neuen bildungspolitischen Grundkonsens zu entwickeln. Vom Ein-Personen-Unternehmen über Handwerk und Gewerbe bis zur Industrie, vom Arbeitnehmer bis zum Arbeitgeber, bildet die Wirtschaft ein breites Spektrum gesellschaftlicher Interessen und Zugänge ab. Darauf aufbauend beruht das Konzept des Bildungskonzils auf einer breiten Einbindung gesellschaftlicher Gruppen und der aktiven Überbrückung unterschiedlicher Zugänge. Aufmerksamkeit erregte das „BildungsKonzil“ Heldenberg im Vorjahr mit der Forderung nach einem verpflichtenden Ethikunterricht, die mittlerweile Eingang in die österreichische Bildungspolitik gefunden hat.